Eigth Miles High

Als der „L´Osservatore Romano“, das Zentralorgan des Vatikan, im Jahr 2010 David Crosbys erstes Soloalbum „If I Only Could Remember My Name“ zur zweitbesten Platte aller Zeiten kürte, war das zwar nicht so überraschend, als hätte der Papst erklärt, die Sache mit der Jungferngeburt und der Auferstehung sei bloß Schwindel, aber ungewöhnlich war das schon, ist die Scheibe doch ein Paradevertreter jener Musik, die von konservativen Kirchenkreisen lange als ganz besonders fieses Werkzeug des Satans verdammt wurde: Bis in die Haarspitzen zugedröhnte Psychedelic. Nun soll zwar Weihrauch auch ein wenig THC enthalten, aber es ist schon eine seltsame Vorstellung, dass sich Benedikt XVI nach einem harten Tag voller Vom-Balkon-Grüßen, Segnen und Seligsprechen ein Pfeiferl anzündet, die sicher ziemlich tolle Stereoanlage in seinen Privatgemächern aufdreht und zu den spacigen Jams und trippigen Texten der Scheibe, die Crosby 1971 zusammen mit Extremkiffer-Kollegen wie Neil Young und Jerry Garcia eingespielt hatte, abhottet. Das tut er vermutlich eh nicht, aber wenn der Vatikan zeigen wollte, dass er zur Abwechslung auch mal cool sein kann, dann ist ihm das mit der Lobpreisung dieses unterschätzten Meisterwerks der Hippiekultur gelungen.

David Crosby ist mit seinen nun schon 70 Lebensjahren auch noch immer cool. Natürlich schon lange nicht mehr angesagt oder gar „relevant“, aber immer noch ein Hippie – und er lebt noch, was an ein Wunder grenzt (ist DAS die Vatikan-Connection?) wenn man bedenkt, dass der Mann in seinen „besten“ Zeiten ganzen Drogenkartellen im Alleingang ihr kriminelles Auskommen sichern hätte können. Den Tiefpunkt erreichte der Musiker Anfang der 80er Jahre, als er auf Tourneen von „Crosby, Stills & Nash“ dermaßen mit illegalen Substanzen abgefüllt war, dass er auf der Bühne kaum mehr ohne Hilfe gerade stehen, geschweige denn singen und Gitarre spielen konnte. Sein Gesangspart wurde einfach von Sessionmusikern beigesteuert, während David, aufgedunsen und mit wächsernen Gesichtszügen, so wirkte, als würde er jeden Moment tot von der Bühne plumpsen. 1982 endete der wilde Trip dann ganz ganz unten: Crosby landete wegen Drogen-und Waffenbesitzes für neun Monate in einem texanischen Knast, kalter Entzug und Zwangsarbeit inklusive. Kaum aus der Haft entlassen, führte ihn sein erster Weg zu einem Dealer und weiter ging´s mit Haschisch, Kokain und Opium. Es war dann Neil Young, selber ein großer Freund von „weichen“ Drogen, der Crosby mittels ökonomischer Erpressung vom harten Zeug runterbrachte. Er machte nämlich seine Beteiligung an einer Reunion von „Crosby. Stills, Nash & Young“ davon abhängig, dass David seine Finger von Kokain und Opiaten lasse. Den letzten Ausschlag gab aber das Versagen von Crosbys Leber, die dieser 1990 gegen ein Spenderorgan eintauschen musste.

Ach ja, Musik hat der Mann auch gemacht. Genauer: er hat Musikgeschichte geschrieben. Zunächst mit den Byrds, jener Band, die für die Musikszene der USA in etwa jene Bedeutung hatte wie die Beatles für die britische. Mit dieser Formation, für die er die LSD-Hymne „Eight Miles High“ co-komponierte, übte Crosby das Songwriting wie auch das geschickte Arrangieren mehrstimmigen Gesangs. Mit der Zeit wuchs sein Talent ebenso wie sein Ego, was Bandleader Roger McGuinn mit Argwohn beobachtete. Den ersten großen Krach gab es dann nach dem Monterey Pop Festival, weil Crosby den Auftritt der Gruppe dazu nutzte, wilde Verschwörungstheorien über die Ermordung von John F. Kennedy zum Besten zu geben, ohne das zuvor mit seinen Kollegen abgesprochen zu haben. Als er dann, aufgestachelt von Kollegen, die ihm nicht ganz zu Unrecht einredeten, er wäre zu Höherem bestimmt, damit anfing, die Kompositionen der anderen Byrds lächerlich zu machen, wurde er mitten in den Aufnahmen zum Album „Notorious Byrds Bothers“ an die frische Luft gesetzt. Sein Song „Triad“, der eine bisexuelle Dreiecksbeziehung besingt, wurde von der Trackliste gestrichen, im selben Jahr aber von Jefferson Airplane gecovert.

Der nun arbeitslose Crosby traf sich oft mit Stephen Stills, dessen Band Buffalo Springfield sich gerade ausgelöst hatte. Die beiden begannen, Songideen auszutauschen, und als dann der Exil-Brite Graham Nash, der sich mit seiner Band „The Hollies“ überworfen hatte, dazustieß, war eines der erfolgreichsten Trios der Musikgeschichte geboren. Mit eleganten marihuanaseligen Kompositionen und einem Harmoniegesang so exakt wie eine Atomuhr spielte sich die Gruppe rasch in die Herzen Amerikas und später der ganzen Welt. Schon der zweite Liveauftritt der noch hörbar nervösen C,S&N fand vor hunderttausenden Menschen in Woodstock statt und begründete ihren Ruf als neue Popsensation. 1970 holte man mit Neil Young einen vierten Mann an Bord und veröffentlichte die Platte „Deja Vu“, die das zum Quartett gewachsene Hippiekollektiv an die Spitze der weltweiten Charts beförderte und die vier Sangesbrüder zu Multimillionären machte. Crosby, Stills , Nash & Young waren 1970 DAS Ereignis der amerikanischen Musikszene, von Kritikern bejubelt und kommerziell erfolgreicher als alle anderen Bands. Da hier aber vier starke Egos aufeinanderprallten und vor allem Stills und Young andauernd in einem reichlich kindischem Wettstreit lagen, wer denn nun der bessere Gitarrist/ Liederschreiber/Jointbauer sei, waren die folgenden Jahre von einem steten Auflösen und Wiedervereinen und erneutem Auflösen der Viererbande gekennzeichnet – bis heute übrigens. David Crosby nutzte die immer neuen Zwangspausen von C,S,N&Y zu einer sehr erfolgreichen Nebenbeikarriere als Duo mit Graham Nash, mit dem zusammen er erklecklich viele Platten verkaufen konnte. Und seit er von den Drogen weg ist, arbeitet er sehr erfolgreich als Solokünstler und wird gerne von den ganz Großen der Rockmusik dazu eingeladen, als Gastmusiker seinen unvergleichlichen Harmoniegesang beizusteuern. Crosby hat mehrere Kinder mit verschiedenen Frauen und ist sogar als Samenspender für die lesbische Musikerin Melissa Etheridge eingesprungen. Dieser Mann hat intensiv gelebt, und man möchte ihm wünschen, dass er noch mit 80auf der Bühne steht, und sei es nur, um unseren verblüfften Enkerln zu zeigen, wie das so war mit den Hippies und ihrer Musik.

2 Gedanken zu „Eigth Miles High

  1. nach solchen lindwürmern verbringe ich immer viel zeit auf wiki und youtube 😉

    (schön, dass der rechtsextreme „heplev“ von der blogroll verschwunden ist)

  2. „Eight Miles high“ ist ein super Song, allerdings ne Weile her.
    Wer in den Siebzigern geboren wurde hört doch eher The Smiths, Morrissey, Joy Division etc.

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