Auf Henryk M. Broders „Achse des Guten“ darf ja so mancher Spaßvogel veröffentlichen, was ihm gerade so durch den mehr oder weniger gut mit Gehirnzellen ausgestatteten Kopf geht. Auch, wir erinnern uns u.a. hier und hier und hier, reichlich Obskures wird dort gerne mal gebracht, solange es nur rechten Wutbürgern das Blut in Wallung bringen könnte. Auch der „Wertkonservative“ Wolfram Weimer, pardon, DOKTOR Wolfram Weimer (auf die Nennung des Titels legt er großen Wert), ehemals Focus-Chefredakteur, darf dort schreiben und ganz laut im finsteren Wald pfeifen.
Neulich tat er dies in einem Kommentar, den er so titelte: „Linksruck? Von wegen!“ Da schreibt er ganz putzige Sachen.
„Jakob Augstein, der letzte sozialistische Intellektuelle Deutschlands, ist von der Schuldenkrise ganz elektrisiert.“
Augstein soll der letzte linke Intellektuelle Deutschlands sein? Das ist nicht ganz gerecht gegenüber Intellektuellen, Linken und linken Intellektuellen. Von denen gibt es reichlich, auch in Deutschland, aber dass Augstein dazugehört, würden viele von denen heftig bestreiten. Doch für Weimer ist ja jeder „links“, der nicht gegen „Multikulti“ hetzt und kein Mitglied beim Opus Dei ist. Und als Intellektueller geht dem Weimer vermutlich jeder durch, der einen Satz unfallfrei schreiben kann.
„Wilde Börsen, wankende Banken, taumelndes Großkapital – der Stoff, aus dem sozialistische Märchen sind, wird täglich in der Tagesschau geliefert. Darum kommen sie wie Mumien aus ihren ideologischen Gräbern hervor und wittern noch einmal Klassenkampfstimmung.“
Wenn die Börsen wild sind, die Banken wanken und das Großkapital taumelt, dann ist wohl irgendwo ein Schänder der deutschen Sprache immer noch auf freiem Fuß. Dass das vergangene Jahr ein krisenhaftes war, ist aber kein „sozialistisches Märchen“, sondern eher eine kapitalistische Gruselgeschichte. Ob Mumien Klassenkampfstimmung wittern oder sich doch eher nach dem alten Ägypten sehen, kann ich zwar nicht beurteilen, aber dass die Bejubler des absolut freien Marktes derzeit sogar noch älter aussehen als der mumifizierte Lenin, traue ich mich zu behaupten.
„In den Ländern, die von der Schuldenkrise am härtesten erwischt worden sind, hat ein politischer Rechtsruck stattgefunden. In Portugal, Spanien, Irland und Griechenland sind sozialdemokratische durch konservative Regierungen abgelöst worden. Überall in Europa punkten sogar Rechtspopulisten. Die Gesellschaften entscheiden sich im Moment der Krise nicht für Revolution sondern für Sicherheit und Ordnung.“
Ach Herr DOKTOR Weimer, das ist doch sowas von gar nicht wahr. „Die Gesellschaften“, die von „der Schuldenkrise“ am härtesten erwischt wurden, wählen derzeit jede Regierung ab und jede Opposition an die Macht, ganz egal, ob die Regierung zuvor sozialdemokratisch oder konservativ war. Dass die Rechtspopulisten punkten, stimmt zwar, doch was bitte haben die mit „Sicherheit und Ordnung“ zu tun? Überall, wo man „Rechtspopulisten“ an der Macht beteiligte, glänzten die durch Korruptionsaffären, schamlose Bereicherung und komplette Inkompetenz. „Sicherheit und Ordnung“ schreiben die auf ihre Wahlplakate, aber in der Realität schaffen sie durch ihre hochkriminelle Energie nur Arbeit für die Staatsanwaltschaften. Dass man dies einem DOKTOR erklären muss…
„In Deutschland zeichnet sich schon ab, dass die Linkspartei dramatisch an Zustimmung verliert. Seit Monaten sinkt sie in den Umfragen wie Wismut-Erz im Ostseewasser. Nach den jüngsten Zahlen von Infratest-Dimap liegt die Linke zum Jahresende nur noch bei 6 Prozent Wählerzustimmung. Sie muss inzwischen sogar fürchten, bei der kommenden Bundestagswahl an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern.“
Mag sein. Dass die FDP, die Partei, der die meisten „Achse“-Schreiber zugehören und die sowas wie die wirtschaftspolitische Antithese zur Linkspartei ist, in Umfragen bei zwei Prozent liegt, sollte man aber auch erwähnen.
„Dafür gibt es vier Gründe: Zum einen ist der Grundreflex der Menschen in wilden Zeiten immer konservativ. Sie halten sich gerade bei Bedrohungen lieber an Bewährtes, vermeiden zusätzliche Veränderungen, suchen nach echten Werten – an der Börse wie in der Politik. Ideologien sind eben Früchte des Überschwangs, nicht der Entbehrung.“
Ja klar. In entbehrungsreichen Zeiten würde sich niemand radikalen politischen Richtungen zuwenden. Das lehrt uns die Geschichte von der Französischen Revolution über die Oktoberrevolution bis zur Machtergreifung der Nazis. *Facepalm*
„Der dritte Grund für die linke Fehlzündung liegt im fehlenden Vorbild. Sie können keine Benchmark nennen, ohne sich die brutalen Regime in Venezuela, Kuba oder Nordkorea schönzureden.“
Herr DOKTOR Weimer, ich bin ja auch kein großer Freund vom fetten dummen Hugo, aber sonderlich brutal ist seine Regentschaft bislang nicht gewesen. Es herrscht in Venezuela auch kein „Regime“. Nicht alles, was man in einen Topf werfen kann, sollte man, denn dann kommt nichts Wohlschmeckendes bei rum.
„Seit etwa 20 Jahren aber profilieren sich linke Parteien in westlichen Ländern vor allem als Verlangsamungsinstanzen. Sie wollen den Modernisierungsschub der Globalisierung bremsen, sind oft technologiekritisch, pflegen obendrein ein Vokabular aus dem frühen 20. Jahrhundert und haben so ihre avantgardistische Coolness verloren. Unter der Jugend der Welt taugt daher ein Großkapitalist wie Steve Jobs viel mehr zum Vorbild als Karl Marx. “
Kann halt nicht jeder so cool sein wie ein DOKTOR Weimer, der nach Feierabend in total angesagten Clubs mit der Jobs verehrenden Jugend abhottet. Und das i-Pad ist natürlich ein viel größerer Beitrag zur Kultur als „Das Kapital“, schon klar. Lady Gaga for President!
Brrr, Herr Broder, müssen´s denn echt jedem Phrasendrescher eine Plattform bieten?