Schlagwort: Faschismus

Was ist der Faschismus?

Die in schwindelerregendem Tempo stattfindende Faschisierung einer Gesellschaft nach der anderen kann nicht verstehen, wer den Faschismus nicht versteht. Wer meint, Faschismus sei nur der Versuch, in Krisenzeiten die Arbeiterklasse zu neutralisieren, erkennt zwar das Motiv einiger Kapitalisten, den Faschismus zu unterstützen, verkennt aber das Wesen seines Gegners und kann diesen daher auch nicht bekämpfen. Folgende kurze Punktation ohne Anspruch auf Vollständigkeit soll helfen, die Debatte auf ein höheres analytisches Niveau zu heben.

-Faschismus ist die Selbstversicherung der fragilen Männlichkeit. Faschismus bekämpft und vernichtet alles, was der Faschist an der eigenen Sexualität verstörend oder abstoßend findet und externalisiert diese Aspekte durch Projektion auf sexuelle Minderheiten sowie auf imaginierte Verschwörungen, die zur Absicht hätten, die „richtige“ Sexualität eines „Volkes“ durch „Perversionen“ zu untergraben.

-Faschismus ist Anti-Psychoanalyse. Die Psychoanalyse will, grob vereinfacht gesagt, unbewusste Konflikte bewusst machen und so zu deren Auflösung und damit zur Entneurotisierung beitragen. Der Faschismus arbeitet genau gegenteilig und legt großen Wert darauf, dass das Unbewusste unbewusst bleibe, denn dort, am Unbewussten, setzt seine Propaganda an, die nur bei entsprechend neurotischen Menschen nachhaltig verfangen kann. Faschismus will also stets die ungelösten inneren Konflikte verstärken, die Neurotisierungen verschlimmern, auf dass die gequälte Kreatur ihr Heil dann im Kollektiv der Nation finde, die im Führer als mythische Erlösergestalt ihre Personifikation hat.

-Faschismus ist eine Perversion des Hegelianismus. Vor allem die Phänomenologie des Geistes wird von Faschisten derart fehlinterpretiert, dass die schmerzhaften Spannungen, unter denen Gesellschaften nach und nach von der naiven Wahrnehmung zur Vernunft und damit bis hin zu Erkenntnis und Verständnis des Wesens der Geschichte und ihrer selbst aufsteigen können, nicht etwa ein dauerhafter Prozess voller Rückschläge und neuer Anfänge sei, sondern ein metaphysisch zielgerichteter und eschatologischer. Am Ende, so meinen Faschisten, steht das von Fehlern befreite Volk, die fehlerlose Wirklichkeit, das und die den wahren Willen Gottes (die meisten Faschisten glauben an einen solchen, ob wörtlich oder symbolisch) als harmonische Gemeinschaft erfüllt, einer Gemeinschaft, die zunächst von „satanischen“ oder „artfremden“ Elementen gesäubert werden müsse.

-Faschismus verherrlicht die Gewalt und das Menschenopfer. Damit eine Gesellschaft im faschistischen Sinne gesunden kann, muss sie „gereinigt“ werden, Dieser Reinigungsprozess findet statt in Form des Ausschlusses, der Verfolgung und schließlich der Vernichtung all dessen, was die Identität als Volksgemeinschaft gefährden könnte. Jedes Verbrechen, jeder Genozid ist als Mittel, dies zu erreichen, nicht nur erlaubt, sondern das notwendige Opfer eines Todeskultes, das allerdings nicht der Faschist selber bringt, sondern das zu bringen er andere mit Gewalt zwingt.

-Faschismus ist die totale Gemeinschaft des Identischen. Da der Faschismus, der sich metaphysisch definiert und „legitimiert“, von sich selbst annimmt, das absolut Gute im Kampf gegen das absolut Böse zu verkörpern, muss jeder noch so kleine Dissens unterbunden werden. Deswegen legen Regierungen, die sich dem Faschismus annähern oder vom faschistischen Denken infiziert sind, so großen Wert darauf, selbst das kleinste Druckwerk, das nur wenige tausend Leser hat, zu kriminalisieren und zu verbieten. Deswegen gelten unter faschistischen oder faschistoiden Verhältnissen nicht „die Arbeiter“ als die größten Feinde, sondern die Zivilgesellschaft, was erklärt, warum die Faschisten unserer Tage so großen Wert darauf legen, NGOs und zivilgesellschaftliches Engagement zu dämonisieren und zu kriminalisieren. Der selbst denkende und für sich selbst moralisch entscheidende Mensch ist im faschistischen Denken der Feind.

-Faschismus funktioniert nicht ohne den „starken Mann“, der, einem mythischen Wesen gleich, aus dem Dunkel der Geschichte tritt und zielgerichtet die Macht an sich reißt, weswegen er sie laut faschistischem Denken auch verdient hat. Dieser Führer ist männlich und hart, verletzend und brutal, denn er personifiziert eine Ideologie, die alles weiche und weibliche verachtet und hasst. Dieser Führer kann alles, weiß alles, wendet alles zum Guten. Er ist der Größte und der Beste und sagt dies auch selbst bei jeder Gelegenheit über sich selbst. Ist er einmal an der Macht, sind wahrhaft demokratische Wahlen nicht mehr notwendig, ja sie sind von großem Übel, da sie die Säuberung der Gesellschaft verzögern oder gar aufhalten könnten. Der faschistische Führer muss Wahlen deswegen nicht gänzlich abschaffen, aber er verwandelt sie in Rituale, in denen die Volksgemeinschaft dankbar zum Ausdruck bringt, wie sehr sie mit dem Führer übereinstimmt. Rituale folgen einem strikten Drehbuch, weswegen Wahlen unter faschistischen oder faschistoiden Verhältnissen nie überraschend ausgehen, da sie mit einem Mix aus Wahlfälschung und totaler Kontrolle über alle Medien kaum anders ausgehen können als mit der Affirmation des Führers.

-Faschismus ist die Antithese zu Liberalismus und Marxismus. Er lehnt die Idee der Gleichwertigkeit der Menschen rundweg ab und kann jede Abweichung vom totalen Anspruch, alle Bereiche der menschlichen Existenz zu kontrollieren und zu bestimmen, nur als Kriegserklärung wahrnehmen. Der Faschismus lehnt die materialistische Welterklärung des Marxismus ab, ja sieht ihn als Attacke auf die von ihm als wahr vorausgesetzte göttliche Ordnung der Dinge, da der Faschismus eine metaphysische Bewegung ist. Deswegen verfolgen, foltern und morden Faschisten aus nichtigsten Anlässen, daher eskaliert ihre Gewalttätigkeit von Verbrechen zu Verbrechen, denn es geht dem Faschisten immer um alles, um mehr noch als weltliche Macht, da der Faschist sich als nichts weniger denn als Vollstrecker des „göttlichen“ Willen sieht oder, geht es nach einigen faschistischen Ideologen, sogar als Korrektor göttlicher Fehler, denn Faschisten betrachten, wie schon erwähnt, die Welt als Ort, in dem die „wahre“ göttliche Ordnung von „satanischen“ Kräften pervertiert worden sei. 

Freiheit für Deniz Yücel! Und die Pest für Faschisten überall!

Gewaltherrscher müssen darauf hoffen, während ihrer Herrschaft an einem Schlaganfall oder einer anderen mehr oder weniger natürlichen Todesart zu sterben, denn falls sie das Ende ihrer Herrschaft noch erleben, haben sie die Wahl zwischen Suizid, Hinrichtung oder Kerker. Nicht immer, schon klar, manch einer vegetiert auch im Exil seinem Ende entgegen, langsam verrückt werdend vor lauter Angst vor dem eigenen Schatten. Derlei übliches Ende von Tyrannen hindert Tyrannen nicht daran, welche zu werden oder das zumindest anzustreben. Und es hindert Dummköpfe nicht daran, ihren zuzujubeln in der Hoffnung, ein Teil der Macht, anderen Menschen weh zu tun, möge auch an sie abfallen, damit sie sich in ihrer Erbärmlichkeit ein wenig stärker fühlen. Einer dieser Tyrannen heißt  Recep Tayyip Erdogan und seine Fans hat er unter Türken wie auch unter deutschen Faschisten. Seine Büttel haben nun über den Journalisten Deniz Yücel die Untersuchungshaft verhängt, die selbst ohne Gerichtsverfahren Jahre dauern kann. Hunderten seiner türkischen Kolleginnen und Kollegen ergeht es ebenso. Während jeder, der noch ein Mensch ist, solidarisch ist, freuen sich die, die keine Menschen sein wollen, am Leid Unschuldiger. Mit dieser freiwilligen Entmenschlichung haben diese Leute eine Uhr in Gang gesetzt, deren Ticken die Zeit misst, bis sie Rechenschaft ablegen müssen. Erdogans Uhr tickt ganz so wie die Uhr dieser Drecksäcke. Und irgendwann, nicht morgen, aber irgendwann fällt jeder Tyrann und die Idee der Freiheit obsiegt, weil der Mensch nicht gerne unfrei ist. Das mag man verdrängen, es mag oft jahrelang so aussehen, als sei die Idee vom freien Menschen vernichtet und zertreten unter den Stiefeln dieser lebenden Toten, dieser Attentats-Kandidaten und Mörder, aber sie ist genauso wenig tot zu kriegen wie man Gedanken wegsperren kann.

Solidarität mit Deniz Yücel, allen inhaftierten Journalistinnen und Intellektuellen und allen politischen Gefangenen! Und die Pest denen, die folgende Tweets verfasst haben!

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Abendrot der Zivilisation

Als hätten sie geahnt, was auf die Welt zukommt, haben sich in den vergangen Monaten viele mit einer Clownsmaske getarnt, um ihre Mitbürger zu erschrecken, und die Medien machten daraus ein großes Spektakel. Jetzt zieht einer, der jahrzehntelang den Playboy-Clown spielte, in das Weiße Haus ein und der Horror wird real. Derzeit und wohl noch bis Neujahr schreibt jeder, der eine Tastatur bedienen kann, über die möglichen Motive der Wählerinnen und Wähler Donald Trumps. Das Naheliegende liest man in all den mehr oder weniger klugen Analysen selten: Trump wurde für das gewählt, was er versprochen hatte und was in seinem letzten Wahlwerbespot völlig klar zum Ausdruck kam: Die Entmachtung einer fantasierten jüdischen Elite, die keine Heimatliebe habe und daher den amerikanischen Arbeitern die Jobs geklaut und den Chinesen geschenkt hätte. „The Global Special Interests“ und „The Establishment“ nennt Trump die angeblichen Verschwörer gegen „das Volk“. Das ist das Vokabular von Neonazis, so redet der Ku Klux Klan, so quasseln Alexander Dugin und Marine Le Pen. Das heißt nicht, dass eine knappe Minderheit, die dank des US-Wahlsystems über eine knappe Mehrheit der abgegebenen Stimmen triumphierte, aus lauter antisemitischen Nationalisten bestünde, aber sie besteht aus Leuten, die solches wenigstens billigend in Kauf nehmen.

Viel diskutiert wird auch die Frage, was man dem Rechtspopulismus entgegenhalten könne. Die Antwort, die ich habe, wird Euch nicht gefallen: Nichts. Ein mit antisemitischen Codes agierender Rechtspopulismus war nur aus dem einzigen Grund bis vor wenigen Jahren nirgendwo erfolgreich, weil sich alle an den Konsens hielten, damit nicht Politik zu machen. Der Konsens ist futsch, einfach ignoriert von der Das-Wird-Man-Ja-Noch-Sagen-Dürfen-Bande, die ganz genau wusste, was folgen würde, wären die mühsam errichten Wälle der Zivilisation erst einmal sturmreif geballert. Gegen „Die Juden sind schuld“, „die Ausländer sind schuld“, „die Liberalen sind schuld“, „die Afroamerikaner sind schuld“, „die Intellektuellen sind schuld“, gegen all diese Sündenbockerei kommt keine Vernunft an, kein rationales Argument. Knapp 40 Prozent aller Menschen sind durch Dummheit und frühkindliche Abrichtung zum Gehorsam nicht in der Lage oder willens, die Verantwortung für ihr eigenes Leben und dessen Gelingen oder Misslingen zu übernehmen und springen daher begeistert auf das autoritäre Angebot an, die Schuld für alle Widrigkeiten  irgendeiner Minderheit zuzuschieben. Weitere 40 Prozent laufen dann aus Angst oder Ehrgeiz einfach mit und die verbleibenden widerständigen 20 Prozent landen im Knast oder im Krematorium. So geht das aus, wenn es erst einmal ins Rollen gekommen ist, und es rollt immer schneller. Die Parole „Wehret den Anfängen“ haben sich die Antifaschisten, die den Faschismus erlebten, nicht zum Spaß ausgesucht, sondern weil sie wussten, dass nicht mehr viel zu retten ist, wenn der faschistische Anfang erst einmal gemacht wurde, wenn faschistoide Politiken erst einmal den Sprung zur Salonfähigkeit geschafft haben.

Was wird Trump nun machen? Woher soll ich das wissen? Niemand weiß das. Aber wenn es eine Lehre aus der Geschichte gibt, dann wohl die, dass man die Ankündigung von Verbrechen ernst nehmen sollte und dass manches tatsächlich so heiß gegessen wird, wie man es kocht. Er wird schon aus Selbstschutz und aus Angst vor den Geistern, die er rief, wenigstens einige seiner Versprechen umsetzen müssen. Vielleicht wird es eine fünf Meter hohe Mauer zu Mexiko, für die er eine Rechnung an die mexikanische Regierung schickt. Vielleicht will die mexikanische Regierung diese Rechnung nicht bezahlen? Vielleicht droht Trump dann mit Gewalt, die Mexikaner sagen „fuck you“ und es kommt zum Krieg? Das ist genauso wahrscheinlich oder unwahrscheinlich wie ein Handelskrieg mit China, der, falls er dutzende Millionen chinesischen Arbeitern den Job und chinesischen Milliardären ihren Reichtum kostet, auch mit scharfen Waffen ausgetragen wird? Vielleicht geht die Welt aber auch gar nicht in einem großen Krieg unter, sondern einfach durch die von Trump angedrohte Aufkündigung aller Klimaschutzabkommen? Keine Ahnung, was alles passieren wird, aber wir werden ab Jänner 2017 in einer anderen Welt leben. Die Chance, dass es eine bessere sein wird, ist verschwindend gering. Viele, die jetzt noch feiern, weil die USA sich unter Trump von der Rolle als „Weltpolizist“ zurückziehen wollen, werden noch blöd gucken, wenn sie erst mal begriffen haben, dass ohne Polizei meist nicht die coole Anarchie ausbricht, sondern das Recht der Stärkeren und es keineswegs ausgemachte Sache ist, dass man selber immer zu diesen gehört.

Faschismus bekämpfen heißt Putin bekämpfen

Der Bürgerkrieg in der Ukraine ist vorzüglich dazu angetan, einem den Verstand zu rauben, und bei vielen, die die Ereignisse aus der Ferne und gefiltert durch die Medien betrachten, hat er das bereits geschafft. Damit meine ich nicht nur die „Montagsdemonstranten“ in Deutschland und neuerdings auch in Wien, jene paranoiden Freaks, die sich vor „Chemtrails“, Juden, Bilderbergern, Illuminaten und Außerirdischen fürchten, also vor allem aus Leuten bestehen, die schon vor der Ukraine-Krise nur deswegen nicht in geschlossenen Anstalten saßen, weil es eine Psychiatriereform gegeben hat, sondern auch weite Teile der politisch halbwegs interessierten westeuropäischen Öffentlichkeit, von Liberalen bis hin zu Marxistinnen. Unter dem „geraubten Verstand“ verstehe ich nicht so sehr ein psychiatrisches Phänomen (obwohl, auch das), sondern eine auffällige Unfähigkeit zu Analysen, die die Schwaden der Propaganda-Nebelkerzen zu durchdringen vermögen. Auch ich tue mir schwer damit, die Geschehnisse so genau einordnen zu können, dass daraus eine sinnvolle und schlüssige Kritik würde, aber vielleicht ist das auch gar nicht erforderlich, denn ich bin ja niemandem Rechnung schuldig und kriege auch nichts dafür bezahlt, wenn ich mir meinen sicherlich unzureichenden Kopf zerbreche. Ich mache es trotzdem.

These: In der Ukraine findet tatsächlich ein Kampf gegen den Faschismus statt, doch den führen nicht die Separatisten, obwohl die das andauernd behaupten, sondern die Kiewer Zentralregierung.

Ich weiß, das klingt provokant, aber ich denke, ich kann das argumentieren. Zwar waren an den Maidan-Protesten, dem folgenden Sturz der Regierung und der Formation (para)militärischer Einheiten tatsächlich faschistische Kräfte beteiligt, doch bei den ersten Wahlen nach dem Sturz von Janukowitsch schafften es weder die Svoboda noch der Rechte Sektor, den einstelligen Prozentbereich zu überschreiten. Die Separatisten dagegen möchten sich einem Russland anschließen, das sich zusehends tatsächlich faschisiert und von einer völkisch-klerikalautoritären Ideologie durchdrungen wird, die nicht weniger anstrebt als die Auflösung der Europäischen Union, um diese durch einen eurasischen Staatenbund von Lissabon bis Wladiwostok zu ersetzen, der von als „dekadent“ verleumdeten liberalen Werten gesäubert werden soll und in dem ideologische Verwandte des Putinismus wie der Front National, die FPÖ, Lega Nord etc. regieren. Dieses Szenario wäre der absolute Jackpot russischer Geopolitik, verschwände mit der EU doch ein lästiger Konkurrent von der Bildfläche, der das Selbstbild Russlands als dominante Großmacht des eurasischen Kontinents zunehmend in Frage stellt und trotz aller politischen und moralischen Defizite ein wirtschaftlich überlegenes und im Vergleich humanes Gegenkonzept zum russischen Autoritarismus ist. Die politische Realität der EU will ich nicht idealisieren und ich will nicht verharmlosen, welche sozialen Verbrechen die von neoliberalen Parteien getaktete Austeritätspolitik ebenso verübt wie das mörderische Grenzregime der Union, das schon zehntausende Menschenleben gekostet hat. Dennoch ist die EU von ihrer prinzipiellen Aufstellung her viel eher in der Lage, zumindest ein Minimum an demokratischen, rechtsstaatlichen und menschenrechtlichen Standards zu gewähren, als es Putins Russland ist. Anders gesagt: Die EU ist kein idealer Platz zum Leben, aber immer noch ein wesentlich besserer als es Russland ist und als es die von Nationalisten regierten Einzelstaaten wären, vor allem für Minderheiten.

These: Es stimmt, dass in der Ukraine zwei Varianten des Kapitalismus gegeneinander antreten, aber es ist dennoch nicht egal, welche der beiden gewinnt, da die russische die völlige und nachhaltige Zerstörung emanzipatorischer Bewegungen bedeuten würde.

Im Dezember des Vorjahres schrieb ich, in der Ukraine würden proeuropäische antisemitische Kapitalismusgutfinder gegen prorussische antisemitische Kapitalismusgutfinder kämpfen. Zu dem Bonmot stehe ich nach wie vor, aber es ist auch klar, dass Juden und andere Minderheiten von einem autoritären Regime wesentlich mehr zu befürchten haben als vor der bürgerlich liberalen Demokratie westlicher Prägung. Die Arbeiterklasse wird hüben wir drüben weitgehend ausgeschlossen und entrechtet, doch innerhalb des westlichen Modells besteht zumindest die Chance, dass irgendwann vielleicht doch wieder aufwachende Gewerkschaften oder nach links rückende Sozialdemokratien die Tendenz der rasanten Umverteilung von unten nach oben stoppen oder gar rückgängig machen, so unwahrscheinlich das zunächst auch erscheinen mag. In einer „Eurasischen Union“, wie sie Putin vorschwebt, also einem losen Zusammenschluss von Nationalstaaten unter der ideellen Führung Moskaus, würden wir hingegen einen Haufen chauvinistischer Regierungen haben, die durch protektionistische Maßnahmen sowas wie die Illusion sozial gerechter Politik versuchen, aber durch verschärfte innereuropäische Konkurrenz gepaart mit ständestaatlich-volksgemeinschaftlicher Eliminierung aller klassenkämpferischen Kräfte den Trend zur „Singapurisierung“ der sozialen Verhältnisse Europas rasant beschleunigen würden. Dieser Weg würde den neoliberalen Umbau Europas nicht stoppen, sondern ihn nur von gesellschaftsliberalen und sozialdemokratischen Spurenelementen säubern und alle emanzipatorischen Bestrebungen um Jahrzehnte zurückwerfen. Denkbar ist sicher auch, dass gerade dies zu einer vorrevolutionären Situation führt, aber für besonders wahrscheinlich halte ich das nicht, da ein in Nationalstaaten zurückgefallenes Europa wohl eher zu klassischen innerkapitalistischen Kriegen tendieren wird als zur Machtergreifung des Proletariats. Die EU in ihrer derzeitigen Form und Struktur mag ein Werkzeug des Kapitals sein, eine Klassenkampf-Waffe in den Händen der Herrschenden, aber das ist sie nur, weil die Arbeiterklasse die Lust am Kämpfen verloren hat und die sozialdemokratischen Parteien viel weiter, als es ihre ohnehin kapitalfreundliche Grundaufstellung erfordert, den Begehrlichkeiten des Kapitals entgegen kommen. Sollte die Arbeiterbewegung jemals wieder zu Sinnen kommen, kann sich vieles sehr schnell ändern. Bleibt sie im Wachkoma, werden wir halt überall bald Zustände haben, wie wir sie auch in Ukraine sehen können. In Ost- und Südosteuropa spielt die soziale Frage trotz schreiender sozialer Ungleichheit keine allzu große Rolle. Man hat sich daran gewöhnt, dass sich eine winzige Minderheit in luxuriösen Privatkliniken exzessiven Schönheitsoperationen hingibt, während die große Masse an behandelbaren Krankheiten stirbt, weil zum Beispiel Chemotherapien für sie unerschwinglich sind. Man hat verinnerlicht, dass es sozusagen gottgewollt ist, wenn sich der einen eine Halle für seine Luxusautosammlung anschafft und neben dieser Halle der andere hungernd um Brot bettelt.  Es herrschen Korruption und Prostitution, aber im Unterschied zu Russland, Weißrussland und anderen putinistisch geführten Staaten kann man dagegen zumindest protestieren, ohne gleich eingesperrt oder von Bütteln des Staats ermordet zu werden. Es besteht also wenigstens eine Chance auf gesellschaftliche Veränderungen zum Positiven, und das ist schon mal mehr und besser als das, was Putin anzubieten hat.

Zustände und Distanzierungen

Seit Tagen grassiert unter Österreichs Links- und Irgendwieliberalen eine Krankheit, die man kennt, seit sich die frühen Marxisten in Revolutionärinnen und Reformer aufgespalten hatten: Die Distanziereritis. Weil unter den 8.000 Menschen, die gegen den WKR-Ball in Wien demonstrierten, auch rund 300 waren, die ein bisschen im internationalen Vergleich eh recht braven Krawall geschlagen haben, treten nun reihenweise die Pseudomoralapostel und Wächterinnen über die absolute Gewaltfreiheit auf und fordern von denen, die gegen Faschismus und Rechtsextremismus auf die Straße gingen, Lossagungen und Rechtfertigungen. Die grüne Parteichefin Eva Glawischnig gibt, das dürfte der „Krone“ gefallen, die autoritäre Mama, die die grüne Jugendorganisation nicht nur ausschimpft, sondern gar mit Rausschmiss bedroht, sollte die sich nicht raschest von den  „Anarchos“ distanzieren, und Journalistinnen und Publizisten wie Robert Misik, Armin Wolf und Florian Klenk hauen Kommentar um Kommentar, Tweet um Tweet und Facebookstatus um Facebookstatus raus, als hätte gerade ein linksextremes Terrorkommando ihre Redaktionen in die Luft gesprengt statt ein paar Blumentröge zerdeppert, immer „die Linke“ auffordernd, sich gefälligst klar ablehnend zu den „Gewaltexzessen“ zu äußern. Es wird so getan, als hätten  die 8.000 geklatscht, als die 300 kurz Randale spielten, und es wird suggeriert, Gewalt sei immer und unter allen Umständen abzulehnen. Das ist falsch.

Ich persönlich finde die wenigen illegalen Aktionen bei der diesjährigen WKR-Demo nicht gut. Ich persönlich denke, dass jeder Einsatz von Gewalt ein Maß von politischem Bewusstsein und strategischer Einschätzungsfähigkeit voraussetzt, das und die ich denen, die am 24. Jänner auf Seiten der Demonstrantinnen Gewalt einsetzten, nicht zusprechen möchte. Ich persönlich meine aber auch, dass die Gewichtungen und Analysen der Glawischnigs und Misiks und Klenks in diesem Land noch viel falscher sind als jene der 300. Diese Leute debattieren, als lebten wir in den 70er Jahren, als es dank der politischen Kämpfe und den der  Systemauseinandersetzung geschuldeten Ängsten des Kapitals mit Menschenrechten, Wohlstand und Zukunftsperspektiven auch für die Unterschichten und Minderheiten in Westeuropa bergauf ging und nicht etwa in den 2010er Jahren, in denen die früher erkämpften oder aus Angst zugestandenen demokratie- und sozialpolitischen Goodies Stück für Stück wieder einkassiert werden. Diese im System gemütlich Integrierten tun so, als wäre alles in Ordnung, als würde das Wünschen noch helfen gegen systemische Krisensymptome die uns anspringen als mörderisches Regime an Europas Außengrenzen, als Todesopfer fordernder Klassenkampf von oben nach unten, als politisch gewollter und geförderter Rassismus, als in allen Teilstaaten Europas erstarkender Nationalismus samt der ihm inhärenten Kriegsgefahr. Und sie ignorieren offensichtlich, dass die extreme politische Rechte in Frankreich, Österreich, Großbritannien und weiteren Staaten kurz vor der Machtübernahme steht, wie sie auch weitgehend schweigen zum in Ungarn bereits Regierungspolitik gewordenen autoritären Rechtskonservativismus. Rechte und Rechtsextreme haben in weiten Bereichen die kulturelle Hegemonie wieder an sich gerissen, denn wie sonst wäre das Schweigen und Kollaborieren ehemals linksliberaler Parteien, Organisationen und Personen zum zusehends autoritärer werdenden Umgang mit den Schwachen, mit ethnischen, gesundheitlichen und sozialen Minderheiten zu erklären? Wer außer Rechtsautoritären kann mit der Schulter zucken, wenn es eine unheimliche Gleichzeitigkeit gibt zwischen der Verschlechterung der Versorgung gesundheitlich Beeinträchtigter und dem Aufflammen von Diskussionen über „Sterbehilfe“? Wer außer Rechtsautoritären findet es gut, wenn die Regierung beschließt, Jugendliche ohne Ausbildungsstelle mit Geldstrafen zu verfolgen? Wer außer Rechtsautoritären kann es schweigend hinnehmen, wenn Menschen, die sich für Migrantinnen und Flüchtlinge einsetzen, vor Gericht gestellt und mit zwei Jahren Haft bedroht werden, weil sie die Arbeit von ehrlichen Fluchthelfern gelobt haben? Wer außer Rechtsautoritären zuckt mit der Schulter, wenn Polizei, Justiz und Politik Flüchtlinge, die sich wehren, gezielt und wider besseren Wissens als Kriminelle darstellen? Wer außer Rechtsautoritären kann es ertragen, wenn Menschen, wie es einem Flüchtling in Klagenfurt geschah, nach politischem Protest gegen ihre Abschiebung in der Psychiatrie zum Krüppel gefoltert werden? Wem außer Rechtsautoritären wird nicht Angst und Bange, wenn er sich die Chronologie tödlich exzessiver Polizeieinsätze der vergangenen Jahre ansieht?

Die Zustände in Europa und speziell in Österreich sind nicht so schön, dass man diejenigen, die sie nicht mehr aushalten und darüber aggressiv werden, zu unmotiviert bösen Störenfrieden stempeln dürfte. So sehr ich persönlich Gewalt meist ablehne, so sehr frage ich mich was in den Köpfen jener falsch gelaufen ist, die in 300 schwarz gekleideten Anarchistinnen, die gegen einen Ball vorgehen, wo Verherrlicher und Verharmloser des Faschismus tanzen, das Problem sehen statt in der zunehmenden Refaschisierung der Gesellschaft? Ich muss den Schwarzen Block nicht mögen, aber ich fürchte ihn auch nicht. Ich fürchte mich vor der Gefühlskälte und der Ignoranz jener, die in Reaktionen auf skandalöse Zustände den Skandal sehen statt in den Zuständen. Die gewaltbereiten 300 mögen vielleicht Deppen sein, und ich mag machohafte Zurschaustellung von Stärke nicht, aber sie sind zumindest noch nicht emotional tot, sie erregen sich noch über das Unrecht, die Not und das Elend.

Vorwärts in die Barbarei

„1.200 Menschen von psychisch Kranken getötet“, brüllt die britische Bouldevarddreckschleuder „The Sun“ ihren Millionen Leserinnen und Lesern entgegen.

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Im Inneren des Blattes wird die Hetze als scheinheilige Besorgnis über den Zustand des Gesundheitssystems getarnt.

Ich werde nun etwas machen, was ich nie machen wollte: Angesichts der Entwicklung in Europa warne ich davor, sich bei der Suche nach Hilfe an psychiatrische Krankenanstalten oder psychosoziale Dienste zu  wenden. Man ist dann registriert und eventuellen Verfolgungs- oder gar Vernichtungsgelüsten auf dem Präsentierteller ausgeliefert. In Belgien und den Niederlanden hat man die „Euthanasie“ für psychisch Kranke bereits legalisiert. Noch müssen die Opfer zuvor ihre Einwilligung geben, aber es ist angesichts der politischen Entwicklung, der totalen Vorherrschaft der betriebswirtschaftlichen Berechnung des Wertes von Menschenleben und den mit Fressneid verbundenen Abstiegsängsten der Mehrheitsbevölkerungen davon auszugehen, dass es nur eine Frage der Zeit sein wird, bis Menschen erneut wegen ihrer angeblich „unwerten“ Existenz ermordet werden. Die „Sun“ zeigt, wohin die Reise geht – in Richtung Barbarei.

Braune Aussichten

Pünktlich zu Hitlers Geburtstag sind sie wieder da, die Alpen-Donau-Nazis, und wie man es von ihnen kennt, spucken sie erneut große Töne:  „Bislang war einzig das Wort die Waffe der Strukturen hinter dieser Plattform, wenn allerdings Hetze und Terror keine anderen Aktionsformen mehr zulassen, sind wir gut gerüstet und zum Gegenschlag bereit. Jederzeit und mit allen Mitteln, auf jeder Ebene, an jedem Ort!“ Was für ein unglaublich wirres Weltbild! Diese Leute, die ein System wiederbeleben möchten, in dem Millionen unschuldige Menschen ermordet wurden und das für Krieg und ungeheuerliches Leid im Weltmaßstab verantwortlich war, faseln von „Hetze und Terror“, bloß weil man versucht, mit rechtsstaatlichen Mitteln gegen diesen Wahnsinn vorzugehen. Leute, die seit Jahren nichts anders tun als zu hetzen und zu terrorisieren, werfen eben dies den Menschen vor, die dieser Hetze und dem Cyberterror gegensteuern wollen. Man könnte darüber fast lachen, würde einen die Geschichte nicht lehren, Nazis niemals zu unterschätzen. Man sollte bloß nicht annehmen, die würden ihren Drohungen keine Taten folgen lassen, sobald sie dazu in der Lage sind. Mich wundert aber die Betriebsamkeit und der Mitteilungsdrang der Braunen. Die könnten ja ihre Hände einfach in den Schoß legen und abwarten, bis Strache Bundeskanzler ist, worauf es leider hinausläuft, wenn man sich die Performance der anderen Parteien anguckt. Dann wird nämlich ein ehemaliger Teilnehmer an „Wehrsportübungen“, dessen Sekreärin eine gute Freundin des gerade in Untersuchungshaft sitzenden Gottfried Küssel ist und dessen Partei von Neonazisympathisanten nur so wimmelt, das Sagen haben in diesem Land, welches dann sehr rasch ein ganz anderes werden wird, wohl im Gleichschritt mit weiteren Staaten, denn dass sich Europa seit einigen Jahren immer mehr faschisisert, lässt sich nicht mehr wegwünschen. Bedanken darf man sich dafür bei den Heerscharen unfähiger Politiker die, egal ob Sozialdemokraten, Konservative oder Liberale, zugelassen haben, dass die demokratische Politik wie ein Haufen nicht mehr voneinander unterscheidbarer Interessensvertreter des Kapital wirkt, das derzeit die Zügel straff zieht und immer mehr Menschen in Armut und Verzweiflung treibt. Und woher wohl kriegen all die aufstrebenden rechtsextremen Bewegungen in Europa ihr Geld? Die Antwort: In ein Geschichtsbuch gucken und nachlesen, wie seinerzeit viele Industrielle die Faschisten und Nazis gesponsort haben. Genau das geschieht jetzt erneut, denn damit die von Pauperisierung bedrohten Bevölkerungen in ihrer Wut nicht auf die Idee kommen, diese an den für ihre Lage Verantwortlichen auszulassen, muss der Hass in andere Bahnen und auf andere Ziele gelenkt werden, also zum Beispiel auf Juden (der Klassiker, wird immer gerne genommen), Muslime (zieht derzeit fast noch besser), „Ausländer“, die EU und jeden, der von der Norm abweicht. Also nochmal: Ich verstehe die hysterische Herumdroherei der Alpen-Donau-Nazis nicht, denn es läuft ja eh fast alles ganz in ihrem Sinne.

Graf does it again

Martin Graf (FPÖ), Dritter Nationalratspräsident von Österreich und damit Inhaber eines der höchsten Ämter dieser Republik, hält „nichts vom antifaschistischen Grundkonsens“. Das hat er nun bereits zweimal öffentlich gesagt. Konsequenzen? Keine. Ein paar ermüdet wirkende Rücktrittsaufforderungen aus den zweiten und dritten Reihen der andere Parteien, das war´s schon mit den Reaktionen auf den systematischen Tabubruch. Die Widerstandskräfte innerhalb der demokratischen Parteien schwinden, die Grafs und die von ihnen protegierten und beschützten Nazis gewinnen an Schwung. Das ist der Stand der Dinge. Nicht gerade ermutigend.

Die Nazis sind wieder da

Gibt es eigentlich tatsächlich Menschen, die sich darüber wundern, dass die FPÖ im EU-Wahlkampf gegen israel hetzt, dass der FPÖler und Dritte Nationalratspräsident Martin Graf den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde übelst verleumdet, dass Mitglieder des Rings Freiheitlicher Jugend öffentlich den Hitlergruß zeigen, dass die FPÖ einen Comic an Jugendliche verteilt, in dem ganz in der Tradition des „Stürmer“ die Europäische Union als fettes, koksendes Schwein personifiziert wird? Mich wundert das alles nicht. Die FPÖ war und ist die Nachfolgeorganisation der NSDAP, gegründet von Figuren wie dem mehrfach wegen Wiederbetätigung vorbestraften Herbert Schweiger, dem unbelehrbaren Otto Scrinzi („ich war schon immer rechts, auch innerhalb der NSDAP“) und ähnlich schrecklichen Leuten. Die Parteijugend wird von Rassisten wie Lutz Weinzinger auf Linie gebracht („Jede blonde, blauäugige Frau, die Deutsch als Muttersprache hat, braucht drei Kinder – sonst holen uns die Türkinnen ein.“) und am 20. April schmeißen die blau getünchten Herrschaften Lokalrunden in den Wirtshäusern. Das sind keine Geheimnisse, das kann jeder wissen, und das konnten auch ÖVP und SPÖ wissen, als sie Martin Graf zu einem der höchsten Ämter der Republik verhalfen und den Gesichtsverstümmelten mit der abblätternden blauen Lackierung sozusagen den goldenen Schlüssel zum Zentrum des demokratischen Rechtsstaates überreichten.

Die Situation ist gefährlich. Die Braunen arbeiten systematisch an der Relegitimierung des Nationalsozialismus. Ihr Hauptprojekt ist dabei natürlich, die Vebrechen des NS zu leugnen, und zwar immer wieder und immer öfter, in der Hoffnung, dass der Hauptmakel ihrer Ideolgie, nämlich die unsagbaren Unmenschlichkeiten, von einer wachsenden Zahl der Leute vergessen oder, wie es noch mehr im Sinne der neuen Nazis wäre, gar in Abrede gestellt werden. In Kärnten, das in vielerlei Hinsicht als Modellland für die braune Restauration gelten muss, hat das bereits funktioniert. Die seit Jahrzehnten von Personen wie Scrinzi verbreitete Propaganda über die „Gräueltaten“ der antinazistischen Widerstandskämpfer gilt hierzulande als Wahrheit, und es ist bereits so weit, dass die 125 von Partisanen aus Rache liquidierten Kärntner Nazis im Bewusstsein der Bevölkerung als beklagenswertere Opfergruppe gelten als die Hunderttausenden, die von der Wehrmacht, der SS und deren Kollaborateuren am Balkan  ermordet wurden. Die Täter-Opfer-Umkehrung war ein voller Erfolg im Sinne der wahren Täter und wird mittlerweile sogar von einigen Proponenten der bürgerlichen Intelligenz mitgetragen, die die Opfer der Nazis und jene der Tito-Einheiten verbal in ein gemeinsames Massengrab werfen. Ähnlich operieren ja auch die diversen Vertriebenenverbände in Deutschland, die unermüdlich die Leiden ihrer Vorfahren besingen, ohne aber die schuldhafte Ursache für das, was diesen Vorfahren angetan wurde, jemals zu benennen. So hat sich in weiten Teilen der Bevölkerung bereits diese windschiefe und halb blinde Geschichtsauffassung breit gemacht, wonach die vertriebenen und hingerichteten Deutschen unschuldige Opfer eines blutgierigen Kommunismus geworden seien. Die von diesen „Opfern“ begangenen Verbrechen und ihr begeistertes Mitläufertum mit Verbrechern wird weggeblendet. Auf diesem Gebiet haben die Nazis ihr Ziel der Reinwaschung und Geschichtsumschreibung also schon fast erreicht, und es ist bloß eine Frage der Zeit, bis ähnliches mit der Shoah und der Mordmaschine, die sich gegen Behinderte, Schwule, Kriegsgefangene und politische Gegner richtete, geschieht. Vor unseren Augen arbeiten die FPÖ und Neonazis daran, und manch irrlichternder Liberale lässt sich auch noch dazu hinreißen, Forderungen nach zB der Abschaffung des Wiederbetätigungsverbots oder der Strafwürdigkeit der Holocaustleugnung zu unterstützen. Dabei wird übersehen, dass wir es nicht mit ein paar spinnerten alten Zauseln zu tun haben, sondern mit einem organisierten Versuch von ganz rechts, die politischen Verhältnisse grundlegend zu ändern. Die Nazis sind wieder da, und nicht nur in Österreich, sondern in ganz Mitteleuropa, und sie haben einen Plan. Wer wegschaut, verharmlost oder relativiert, arbeitet ihnen in die Hände. Der Antifaschismus, genauer, der Antinazismus steht vor seiner größten Herausforderung seit 1945, und er macht keine allzu gute Figur.

Es gibt keine Antifa, Teil II

Auch wenn es meine Leser langweilen sollte, wiederhole ich: Es gibt in Österreich und Deutschland keinen Antfaschismus, der diesen Namen verdient. Es gibt einzelne Organisationen und Personen, die mit viel Engagement wichtige antifaschistische Arbeit leisten, das ist wahr, aber die so genannte „Antifa“ gehört da nicht dazu. Schon der Faschismusbegriff der verschiedenen Antifagruppen ist so schwammig, dass darunter, je nach persönlicher Vorliebe, Fleischessen ebenso subsumiert wird wie Mopedfahren und Hausarrest. Die „Antifa“, das sind vornehmliche junge Leutchen aus wohl behüteten Elternhäusern, die ganz doll gegen Nazis sind, aber nichts dabei finden, mit Klerikalfaschisten zu paktieren und jenen Bewegungen und Staaten ihre Solidarität aufzudrängen, die gerne das Hauptziel der Nazis, nämlich die Judenvernichtung, vollenden würden. Die „Antifa“, das sind Menschen, die mit Fackelmärschen und „Lichtermeeren“ die Symbolik der Nazis übernehmen und meinen, mindestens so tapfer wie die Partisanen aus dem Zweiten Weltkrieg zu sein, wenn es ihnen gelingt, ein paar Rechtspolitiker, die noch nicht einmal richtige Nazis sind, aus zB Köln zu vertreiben. Aber wenn im österreichischen Parlament Altnazis Vorträge halten, wenn Nazis in österreichische und deutsche Parlamente einziehen, wenn sich in Ungarn, Italien und Tschechien große faschistische Parteien formieren, wenn Asylbewerber in „Sonderanstalten“ gesteckt werden, wenn Israel unter Raketenfeuer liegt, dann schweigt sie still, die „Antifa“. Man muss einmal den Tatsachen ins Auge blicken: In Österreich und Deutschland gibt es keinen echten Antifaschismus. Dieser musste mit Waffengewalt importiert werden und ist im politischen Verständnis dieser Länder einfach nicht selbsttragend vorhanden. Daher braucht sich in Österreich und Deutschland auch kein alter oder neuer Nazi zu fürchten, und wenn sich Nazis nicht fürchten, bedeutet das: Es gibt keinen Antifaschismus, der etwas bewirken will oder kann.