Schlagwort: FPÖ

Die FPÖ ist nicht ganz koscher

Die FPÖ bemüht sich seit einiger Zeit recht nachdrücklich um einen Koscher-Stempel. Damit hat sich auch bei Teilen der jüdischen Gemeinde Österreichs Erfolg. Viele fürchten den muslimischen Antijudaismus mehr als den rechten Antisemitismus und weil die FPÖ am lautesten gegen Muslime wettert, meint man in ihr eine Verbündete gegen „den Islam“ gefunden zu haben.

Schauen wir uns mal genauer an, wie die Realität in Sachen FPÖ und Antisemitismus aussieht. Auch in Bezug auf muslimischen Antisemitismus.

August 2015: Die FPÖ-nahe Zeitschrift „Aula“ veröffentlicht eine Buchrezension, in der KZ-Überlebende als „Landplage“ und „Kriminelle“ verleumdet werden. Die FPÖ unterstützt das Magazin seit jeher mit Inseraten.

Oktober 2015: Die FPÖ-Nationalratsabgeordnete Susanne Winter liket auf Facebook ein antisemitisches Posting.

Oktober 2014: Der Steirische FPÖ-Landesrat Gerhard Kurzmann fordert ein Verbot der Schechita. In der entsprechenden Aussendung schreibt er dazu: Unter „Schächten“ oder „Schechita“ versteht man das rituelle Schlachten von Tieren, insbesondere im Judentum und im Islam. Bezweckt wird das möglichst rückstandslose Ausbluten des Tieres, da der Genuss von Blut sowohl im Judentum als auch im Islam verboten ist. Die Tötung erfolgt im Judentum unbetäubt; im Islam ist eine elektrische Betäubung nach bestimmten Rechtsschulen zulässig.

November 2013: Der damalige FPÖ-Nationalratspräsident und nunmehrige Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten, Norbert Hofer, sagt in einem Interview, das NS-Verbotsgesetz „spießt sich mit der Meinungsfreiheit“. Das NS-Verbotsgesetz verbietet in Österreich die Neugründung der NSDAP und ihrer Vorfeldorganisationen sowie die Leugnung oder Relativierung des Holocaust.

20.1.2013: Andreas Mölzer, Leiter der FPÖ-Delegation im Europaparlament, fordert eine Lockerung der Sanktionen gegen Iran. Hassan Rohani sei „ein gemäßigter und konzilianter Staatspräsident“.

2012: Die FPÖ startet eine Kampagne gegen die Brit Mila. Mehrere FPÖ-Verbände und einzelne FPÖ-Politiker treten gegen die Beschneidung von Knaben ein. In Vorarlberg „empfiehlt“  der Landeshauptmann Ärzten auf Druck der FPÖ, keine Beschneidungen mehr vorzunehmen.

2012: FPÖ-Chef Strache veröffentlicht auf seiner Facebookseite eine judenfeindliche Karikatur.

2012: FPÖ-Chef Strache postet ein Foto auf Facebook, versehen mit dem launigen Spruch: Isst du Schwein, darfst du rein“

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2010: Strache besucht in Israel die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem – und trägt dabei den Hut einer deutschnationalen Burschenschaft.

August 2009: Der Vorarlberger FPÖ-Politiker Dieter Egger bezeichnet den Direktor des Jüdischen Museums in Hohenems als „Exil-Juden aus Amerika“, den die österreichische Politik nichts angehe.

2009: Die Tiroler Jugendorganisation der FPÖ veröffentlicht einen Artikel, in dem Israel als „aggressive Siedlerkolonie“ beschimpft wird, die „einen Vernichtungskrieg gegen das palästinensische Volk“ führe.

2008: Norbert Hofer fordert eine Volksabstimmung über das NS-Verbotsgesetz.

2007: Das FPÖ-nahe Magazin „Zur Zeit“ bietet T-Shirts zum Kauf an, auf denen das Konterfei des damaligen iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadineschad prangt und in  großen Lettern „A World Without Zionism“ zu lesen ist.

2007: FPÖ-Chef Strache will „eine Diskussion, ob das NS-Verbotsgesetz noch zeitgemäß ist“.

Das ist nur eine kleine Auswahl antisemitischer Vorfälle in der FPÖ aus den vergangenen paar Jahren. Selbstverständlich kann man auch als Jude, als Jüdin gute Gründe haben, die FPÖ zu wählen, und das Recht dazu ist ohnehin unbestritten. Diese Auflistung soll lediglich ein Anreiz sein, eine eventuelle Präferenz für die Freiheitliche Partei noch einmal zu überdenken und zu überprüfen, ob die FPÖ sich tatsächlich vom Antisemitismus losgesagt hat und eine Bündnispartnerin im Kampf gegen islamistische Judenfeindlichkeit sein kann.

 

 

 

Die FPÖ und die Kastration mit Ziegelsteinen

Ich frage mich ja manchmal, was FPÖ-Politiker und andere Rechte gegen die islamische Scharia haben, sind doch Körperstrafen offenbar ganz nach ihrem Geschmack. So möchte zum Beispiel der Schwechater FPÖ-Gemeinderat Wolfgang Zistler Sexualstraftater „mit zwei Ziegelsteinen“ kastrieren.

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Der Einwand einer seiner Facebookfreundinnen, dass „Toleranzbesoffene“, also zivilisierte Menschen dergleichen inhuman finden könnten, ist Zistler „egal“.

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Wie üblich beim Thema Sexualkriminalität gehen die sadistischen Fantasien mit den autoritären Charakteren durch.

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Natürlich darf in einem hetzerischen FPÖ-Thread auch der Wirrkopf nicht fehlen, der in Großbuchstaben wahnhaftes Zeug brüllt und recht willkürliche Gänsefüßchen setzt.

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Auch die potenziellen Scharfrichter melden sich zu Wort, was beim FPÖ-Gemeinderat auf großes Wohlgefallen stößt.

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Andere wiederum machen sich Sorgen um die Ziegelsteinpreise.

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Wie schon vor Jahrzehnten in Studien erhoben wurde, sind derlei sadistische Betrafungsgelüste  Ausfluss einer verinnerlichten Unterwerfung unter Autoritäten und der Überidentifikation mit Stärke und Gewalt, die wiederum das Trauma liebloser Kindheiten und die Erfahrung von Machtlosigkeit kompensieren soll. Wer nie gelernt hat, mit der Wut, die das Individuum in hierarchisch organisierten Gesellschaften empfinden muss, konstruktiv umzugehen, wer nicht gegen unzumutbare Zustände rebelliert sondern immer nur den Mächtigeren gefallen will, der neigt zu Gewaltfantasien, die er, falls man ihm Gelegenheit dazu gibt, auch auslebt. Das lässt sich überall beobachten. Je rigider die gesellschaftlichen Verhältnisse, desto brutaler ist die Strafjustiz, da die Aggression, die das Beherrschtwerden hervorruft, sich bei Strafandrohung nicht gegen die richten lässt, die als Könige, Fürsten, Mullahs, Pfaffen,  Diktatoren, Produktionsmittelbesitzer oder Politikerinnen für das elende Leben verantwortlich sind, sondern auf Ausgestoßene projiziert wird. Sich dann gegenseitig mit grausamen Folter- und Hinrichtungsfantasien zu überbieten, trägt überdies dazu bei, die Gruppenidentität zu stärken und von der eigenen Bösartigkeit abzulenken.

Wien wählt: Der degenerierte Klassenkampf

Kommenden Sonntag wählt Wien. Kann sein, der Schock vom Oberösterreichischen Wahlergebnis und die Zuspitzung des Wahlkampfes auf ein Rennen um den ersten Platz zwischen FPÖ und SPÖ mobilisiert all jene, die bei aller Kritik an den Sozialdemokraten keinen FPÖ-Bürgermeister haben wollen. Kann also sein, es wird alles halb so schlimm. Kann aber auch sein, der Strache wird der große Sieger. Die Arbeiterklasse hat in Oberösterreich schon zu über 60 Prozent die Freiheitlichen gewählt. Weil diese Klasse vor Wut kocht.

Objektiv betrachtet hätten die Arbeiter und alle anderen außer den Hardcorerechten keinen Grund, in Wien aus Protest die FPÖ zu wählen. Die Stadt ist trotz einiger Dekadenzerscheinungen, die eine jahrzehntelange parteipolitische Dominanz mit sich bringt, immer noch äußerst lebenswert und gut verwaltet. Gerade die sozial Schwachen leben in Wien besser als in den meisten anderen Städten der Welt. In Wien, und das ist global gesehen fast einzigartig, muss niemand obdachlos sein. Es gibt natürlich trotzdem Obdachlosigkeit, aber die Stadt beschafft jedem, der sich an die zuständigen Stellen wendet, eine Wohnung. Die Wiener Obdachlosigkeit ist keine, die auf materielle Not zurückzuführen ist, sondern liegt meist an schweren psychische Beeinträchtigungen der Betroffenen, die Hilfsangebote nicht mehr annehmen können oder wollen. Diese Art von Obdachlosigkeit könnte man nur bekämpfen, indem man Zwangsmaßnahmen gegen die Obdachlosen ergreift und sie in Heime sperrt. Auch bei der Gewährung der Mindestsicherung und anderer Sozialleistungen ist Wien recht großzügig.

In Wien lebt man auch in Arbeiterbezirken recht gut. Die Stadt bemüht sich nach Kräften, die Außenbezirke nicht zu vernachlässigen und keine Slums entstehen zu lassen. Die Freizeitangebote sind vielfältig, der Öffentliche Nahverkehr ist so gut ausgebaut, dass niemand auf ein Auto angewiesen ist. Egal, wo man wohnt, man ist mit der U-Bahn in wenigen Minuten im Grünen. In internationalen Vergleichen landet Wien verlässlich unter den drei Städten, die weltweit als die lebenswertesten gelten.

Und dennoch könnte es sein, dass die Sozialdemokraten, die das alles ermöglicht haben, abgewählt werden. Das aber hat nur sehr wenig mit der Stadtpolitik zu tun. Die Wut und die Unzufriedenheit richten sich allenfalls symbolisch gegen das Rathaus. Darunter köchelt ein Hass, der sich aus den Verschiebungen der Machtverhältnisse speist, die die Globalisierung mit sich gebracht hat. Die Lohnabhängigen merken, dass ihre Realeinkommen seit 20 Jahren sinken und gleichzeitig die soziale Absicherung immer löchriger wird. Sie merken auch, dass die Schicht der Gewinner immer reicher wird. Da es aber keine ernsthaften linken Alternativen zu geben scheint, wählen sie rechts in der Hoffnung, die Rechten würden das tun, was die FPÖ auf Wahlplakaten verspricht, nämlich „Rache“ zu nehmen. Rache für Lohnkürzungen. Rache für demütigende Erfahrungen mit dem Arbeitsamt. Rache für eine Politik, die den Menschen immer nur sagt, sie müssten sparen.

Dass die FPÖ eine Partei der Industriellen, der Großgrundbesitzerinnen und der akademischen Spitzenverdiener ist und daher nicht im Traum an Verbesserungen für die Arbeiterklasse denkt, wird einerseits zu selten thematisiert und ist andererseits denjenigen, die vor Wut blind geworden sind, inzwischen egal. Die Zornigen wollen gar kein besseres Leben mehr für sich, denn solche Gedanken hat man ihnen gründlich ausgetrieben, sie wollen ein schlechteres Leben für andere. Das ist die degenerierte Form dessen, was früher mal der Klassenkampf gewesen ist. Wem immer gesagt wird, er brauche sich keine Hoffnungen mehr auf Verbesserungen machen, sondern müsse sich im Gegenteil an ständige Verschlechterungen gewöhnen, dessen Gerechtigkeitsgefühl pervertiert zum Neid auf jene, denen es besser geht, und diesen Neid bedient die FPÖ schon seit den Zeiten Jörg Haiders

Gerade jetzt: Ein wenig Optimismus

Heute hörte ich im ORF-Mittagsjournal, dass Rettungorganisationen wie das Rote Kreuz davor warnen, zu viele Zivildienstleistende zur Betreuung von Flüchltingen abzustellen, da dies die Einsatzfähigkeit von Rettung und Krankentransporten gefährde. Das mag stimmen oder nicht, es ist jedenfalls symptomatisch für den gesellschaftlichen und politischen Gesamtzustand in Österreich, ja in Europa. Die Bedürftigen werden gegeneinander ausgespielt und sollen um die immer knapper werdenen Ressourcen, die das System für sie noch abzugeben bereit ist, raufen. Das ist genau das, was dann zu grotesken Neiddebatten führt, in denen der österreichische Arbeiter dem gerade Krieg, Mord und Hunger entronnenen Refugee nicht nur dessen Handy, sondern sogar die Grundnahrungsmittel und die Unterbringung in Massenquartieren und Zeltstädten nicht gönnt. Wer das nicht glaubt, soll die Leserkommentare zum Beispiel in der Onlineausgabe der „Krone“ lesen, wo kürzlich jemand schilderte, welcher Umgang mit Flüchtlingen ihm/ihr gefiele: „Käfighaltung bei Einbrennsuppe und Wasser und Brot“. Der Beitrag erhielt 300 Likes.

In diesen Tagen, in denen die SPÖ mit der FPÖ koaliert und Sozialdemokraten es den Freiheitlichen gleichtun und in Linz mit Schildern gegen Refugees Stimmung machen, die ÖVP-Innenministerin Zeltunterkünfte mit erbärmlichen sanitären Ausstattungen errichtet und man arme Teufel auf noch ärmere hetzt, ist die Aufgabe, nicht zu verzweifeln und dabei den Verstand zu verlieren, die vielleicht wichtigste. Die Menschen sind ja gar nicht so böse, wie es die verkommenen Subjekte in Politik und Medien glauben bzw. gerne hätten. Eine repräsentative Umfrage ergab vor wenigen Tagen, dass fast 70 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher eine bessere und humanere Betreuung von Flüchtlingen wünschen. Ich bin mir sicher, ähnliche Ergebnisse kämen auch zustande, befragte man die Menschen in nicht suggestiver Manier zu sozial- und wirtschaftspolitischen Themen. Sehr viele Leute, vermutlich sogar eine Mehrzahl, ist nämlich noch nicht so entmenschlicht und hasserfüllt wie diejenigen, deren politisches Programm die Verhetzung ist. Die Gefahr liegt darin, dass diese nicht Verhetzten, die „Gutmenschen“, aufgeben, sich nicht mehr einbringen, nicht mehr wählen gehen und damit der fanatisierten Minderheit das Feld überlassen.

So deprimierend die Lage derzeit ist, so wichtig ist es gerade jetzt, seine Stimme zu erheben und aktiv zu werden. Und jeder kann etwas machen. Man kann seinen Bürgermeister auffordern, Flüchtlinge aufzunehmen. Man kann Flüchtlingen mit Kleidung, Elektroartikel oder auch Deutschnachhilfe unterstützen. Man kann Leserbriefe schreiben, auf Facebook posten und Blogeinträge verfassen. So klein die Tat im Einzelnen erscheinen mag, so ist sie doch Tendenz, und viel Kleinvieh kann auch ganz schön viel „Mist“ machen. Aber bei all dem ist eines von ungeheurer Wichtigkeit: Wir brauchen einen ganzheitlichen Ansatz, wir dürfen uns nicht einlassen auf das böse Spiel, Schwache und Bedürftige je nach Herkunft unterschiedlich wichtig zu finden. Die Rechten wollen damit punkten, die autochthonen Benachteiligten gegen Zuwanderer auszuspielen. Das geht nur dann auf, wenn wir, also diejenigen, die gegen die Inhumanität sind, die sozialen Missstände ignorieren und diejenigen, die schon am Rande der Gesellschaft leben oder gerade dorthin gedrückt werden, nicht ernst nehmen oder gar verhöhnen. Ich teile und like auf Facebook keine Memes mehr, die sich sozialrassistisch über Arme und Ungebildete lustig machen, weil die angeblich alle xenophob seien. Ich finde es nicht mehr lustig, wenn die Schönen, Gebildeten und Wohlhabenden die angeblich Hässlichen, Ungebildeten und Armen auslachen. Ich denke im Gegenteil, dass aus dieser Arroganz zum Teil der Hass gespeist wird, der sich dann gegen noch Schwächere richtet. Kurz: Wir müssen und können etwas verändern, aber das wird nur funktionieren, wenn wir wirklich so anders als die Bösen sind, wie wir es gerne glauben.

Sozialismus ist das nicht

Die österreichische Sozialdemokratie liegt in ihren letzten Zuckungen. Richtungslos und jeder weltanschaulichen Grundierung entblößt koaliert sie im Burgenland mit der FPÖ, denkt das auch in anderen Bundesländern an, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Tabu, mit eine Partei der Hetzer und Sündenbockhersteller zu regieren, auch auf Bundesebene fallen wird. Vor allem bürgerlich-liberale und konservative Kommentatoren schreiben derzeit gerne davon, hier würde eine „sozialistische“ Partei zu einer anderen „sozialistischen“ Partei finden. Argumentiert wird dies mit Wählerstromanalysen die zeigen, dass ein großer Teil der Arbeitnehmerschaft inzwischen die Freiheitlichen wählt. Wer aber behauptet, dass deswegen aus der FPÖ eine sozialistische oder auch nur eine Arbeiterpartei würde, der könnte auch sagen, Led Zeppelin hätten christliche Erbauungsmusik gespielt, da ein Großteil ihrer Fans Christen waren.

Ein kleiner Auszug aus den Maßnahmen, die die FPÖ während ihrer letzten Regierungsbeteiligung im Bund mitgetragen hat:

-Abschaffung der kostenlosen Mitversicherung von Ehepartner/innen.

-Die Arbeitnehmer zahlten nach fünf Jahren Blau-Schwarz 5,7 Prozent mehr Steuern, Unternehmer um 15 Prozent weniger.

-Bei der Pensionshöhe wurde statt der besten Verdienstjahre wurden nun eine lebenslängliche Berechnung angewendet, was generell, vor allem aber bei Frauen zu massiv niedrigeren Renten führte.

-Studiengebühren wurden eingeführt.

-Das Arbeitslosengeld wurde gekürzt.

-Kündigungen durch den Arbeitgeber wurden massiv erleichtert und verbilligt.

-Die Rezeptgebühr für Medikamente wurde erhöht.

-Massive Schwächung der Gewerkschaften.

Wer dies für „sozialistisch“ hält, ist entweder ein Narr oder er gebraucht wider besseren Wissens leere Worthülsen und/oder verbreitet FPÖ-Propaganda. Freilich ist auch die Sozialdemokratie weit davon entdfernt, Sozialismus auch nur in Spurenelementen zu enthalten. Nach dem Ende der FPÖ/ÖVP-Regierung hat die neue „große“ Koalition unter SPÖ-Führung nicht etwa den Sozialabbau rückgängig gemacht, sondern weiter verschärft. Es waren ein SPÖ-Bundeskanzler und ein SPÖ-Sozialminister, die die befristete Invaliditätspension abgeschafft haben und damit schwer kranke Menschen in Unsicherheit und Verzweiflung getrieben haben.

Kurz: Eine Koaltion zwischen SPÖ und FPÖ ist keine zwischen sozialistischen oder auch nur sozialen Parteien, sondern zwischen zwei neoliberalen Wirtschaftsparteien. Unterschiede zwischen diesen beiden politischen Kräften lassen sich (noch?) in Sachen innerkapitalistische Menschenrechte finden. Die SPÖ steht für ein eher liberales gesellschaftliches Klima mit Sozialabbau und Zurichtung der Menschen zu Humankapital, die SPÖ für ein eher illiberales. Die SPÖ ist tendenziell ein wenig netter zu Zuwanderern, die FPÖ eher unfreundlich. Beide neigen zur Ausgrenzung von Arbeitslosen, Kranken und anderen sozial und ökonomisch Wehrlosen.

Die reale Gefahr, die von blau-roten Experimenten ausgeht, ist die entgültige Vertreibung der letzten linkssozialdemokratischen Personen und Programmatiken aus der SPÖ und ein Abrutschen von Partei und Anhängerschaft in national-faschistoide Denkweisen inklusive strukturellem bis offenen Antisemitismus, was einen gesamtgesellschaftlichen Rechtsruck bedeuten würde, wie man ihn zum Beispiel in Ungarn beobachten kann.

Steiermark und Burgenland: Ende der „Einheitsparteien“ und der „Schmiedls“

Bei den Landtagswahlen in der Steiermark und im Burgland hat die SPÖ massiv verloren. In der Steiermark hat die SPÖ zehn Prozent der Stimmen eingebüßt, die ÖVP fast neun Prozent, während die FPÖ über 17 Prozent dazugewinnen konnte. Die Wahlbeteiligung lag bei niedrigen 67,5 Prozent. Jetzt geben sich viele Kommentatoren überrascht und wegen des Erfolgs der FPÖ besorgt. Ich bin nicht überrascht. Natürlich ist es bedrückend, dass eine ausländerfeindliche und rechtsextreme Partei so stark zulegt, aber dass SPÖ und ÖVP abgestraft werden würden, war vorherzusehen und ist auch verständlich. Und es ist gut. Was SPÖ und ÖVP in der Steiermark gemacht haben war nichts weniger als der Versuch, die Demokratie durch eine Art Einheitspartei zu ersetzen. In der Eigen-PR nannte man das „Reformpartnerschaft“, in Wirklichkeit war es ein postdemokratischer Schlag gegen die Möglichkeit der Bürger, zwischen verschiedenen politischen Richtungen wählen zu können. Der steirische SPÖ-Chef und Landeshauptmann Voves hat immer wieder behauptet, es gäbe kein Links und kein Rechts mehr, sondern nur mehr „richtig und falsch“, und „richtig“, so zeigte die von der rot-schwarzen Landesregierung betriebene Politik, war in den Augen dieser Herrschaften Sozialabbau und Austerität. Voves und seine Jünger haben so getan, als hätten Arbeitnehmerinnen und sozial Schwache dieselben interessen wie Großgrundbesitzer und Industrielle. Das ist nicht richtig, war nie richtig und wird nie richtig sein. Das ist das Denken der „Volksgemeinschaft“, das sich vom Weltbild der FPÖ kaum noch unterscheidet, weswegen die Steierinnen und Steirer auch nichts dabei fanden, die FPÖ so extrem zu stärken. Der Erfolg der Freiheitlichen ist die direkte Folge einer Politik und einer Propaganda, die noch den kleinsten Ansatz einer klassenbewussten Haltung als altmodisch und überwunden verunglimpfte. Dies verinnerlichten auch die Wähler, weswegen sie keine linken Alternativen annahmen, sondern eine Partei, die die Wut und die Frustration jener, die von SPÖ und ÖVP als unwichtig abgeschrieben worden waren, auf Sündenböcke lenkte. Wenn eine sozialdemokratische Partei wie die SPÖ Steiermark keine anderen ideen mehr hat, als bei den sozial Schwachen zu „sparen“ und wenn die zwei (vormaligen) Großparteien die Illusion verbreiteten, es gäbe eine Alternative zu einer extrem kapitalfreundlichen Politik, dann erscheint vielen Deklassierten und von Armut Bedrohten die sadistische Perspektive, anderen (den „Ausländern“) solle es noch schlechter gehen, verlockend.

Im Burgenland hat die SPÖ ebenfalls stark verloren und die FPÖ stark gewonnen. Der dortige SPÖ-Landeshauptmann Niessl hatte sich in den vergangenen Jahren als rechter Scharfmacher positioniert, der mit Überwachungskameras und sogar Militär gegen Migration und Armutsreisende vorgehen wollte. Damit hat er die FPÖ, die solche Positionen wesentlich glaubwürdiger vertritt, legitimiert. Wenn neben dem Schmidl auch der Schmied antritt, wird letzterer beste Chancen haben, dem Schmidl Stimmen abzuknöpfen.

Die heutigen Wahlen haben gezeigt, dass SPÖ und ÖVP, ob im Bund oder in den Ländern, mit ihrer Politik des Sozialabbaus und der Härte gegen Migranten und Flüchtlinge nicht reüssieren können, sondern damit direkt die Rechtsextremen stärken. Vor allem eine Sozialdemokratie, die nicht mehr die Interessen der unteren Klassen vertritt, sondern im Gegenteil jene von Banken und Großkapitalisten, zerstört langsam aber sicher den noch verbliebenen Glauben an die Demokratie und treibt die Opfer dieser Politik ins Lager der Nichtwähler oder zur FPÖ. Und so eine Sozialdmokratie wird eher früher als später den Weg ihrer griechischen Genossen gehen, die von einer wirklichen linken Partei hinweggefegt wurden, wobei es in Österreich leider eine extrem rechte Partei sein wird, die vom moralischen, intellektuellen und strategischen Niedergang der SP profitieren wird.

Herr Zakrajsek und die Neger

Georg Zakrajsek ist ein Wiener Notar und bekennender Waffennarr. Er ist Vorsitzender des Vereins „Interessengemeinschaft Liberales Waffenrecht in Österreich“ (IWÖ) und gibt als solcher gerne Interviews, wenn eine Zeitung mal wieder nach einem besonders bizarren Statement sucht. Außerdem ist er Gastautor der Website „unzensuriert.at“, die vom ehemaligen Dritten Nationalratspräsidenten der FPÖ, Martin Graf. ins Leben gerufen wurde. Er selbst betreibt auch eine Internetseite. Auf „querschüsse.at“ schreibt Zakrejsek über Themen, die ihn bewegen. Zum Beispiel die „Neger“. Über Afrikaner hat der Jurist folgendes zu sagen: „Vor kurzem hat der Präsident Obama die Neger Afrikas um sich versammelt. Lauter Staatsoberhäupter, lauter Leute, die man vom Festbankett nahtlos nach Guantanamo hätte transportieren können. Da waren keine Unschuldigen dabei, niemand, der nicht Blut an den schwarzen Händen hätte oder sich zumindest nicht der uferlosen Korruption schuldig gemacht hat. Eine Gangsterversammlung. Und mit diesen Leuten (Mölzer hätte „Negerkonglomerat“ gesagt) wurde beraten, wie man Afrika helfen könne. Ergebnis war vorauszusehen: Milliarden an Wirtschaftshilfe aus den USA. Die anwesenden Potentaten haben in Erwartung des Dollarsegens bereits neue Konten angelegt, weil auf die alten wäre nichts mehr draufgegangen. Da ist nämlich schon die Entwicklungshilfe drauf. Die Chinesen machen es richtig. Und deswegen haben sie auch gigantische Erfolge in Afrika. Sie bauen, produzieren und errichten Straßen und andere Verkehrswege. Neger beschäftigen sie nicht. Sie haben bald erkannt, daß das nicht funktioniert. Sie haben eigene Leute, die sie mitbringen und die so arbeiten, wie sich die gelben Herren das vorstellen. Afrika wird gelb. Das ist die Farbe des Erfolges. Schwarz nicht. Und Weiß leider schon lange nicht mehr.“

Und auch das da: „Wenn man aufzählt, was in Afrika schief läuft, wenn man den längst vergangenen Kolonialismus aufwärmt, sollte man eines nicht vergessen: Afrika wird hauptsächlich von Negern bewohnt. Die morden rauben und stehlen, die vergewaltigen und metzeln Kinder und Frauen hin. Die und niemand anderer. Manchmal sind noch einige Araber dabei. Der Kolonialismus ist schon längst vorbei, die Neger hätten sich inzwischen zivilisieren können. Haben sie aber nicht getan.“

Mit Menschen, die woanders leben als in Österreich, hat´s dieser österreichische Charlton Heston minus Charisma und Aussehen generell nicht so, und wenn Menschen von woanders zu uns kommen, dann nur, um dem armen Zakrajsek die Frauen zu rauben und Krankheiten zu verbreiten:  „Auf die sind wir aber nicht vorbereitet, genau so, wie wir auf die neuen Menschen nicht vorbereitet sind. Auf die Afghanen, auf die Tschetschenen, auf die Nigerier, auf die Somalier, die Äthiopier, auf die Sudanesen, die Iraker, die Iraner, die Albaner und noch viele andere Völkerschaften, die uns nicht kennen, die wir nicht kennen, die aber deshalb zu uns kommen, weil wir sie freundlich aufnehmen, ihnen Kost, Quartier, Kleidung, Unterhaltung, Fernsehen, Internet bieten, ihnen willige Weiber offerieren und wenn diese nicht willig sind, eben tolerieren, wenn man ihnen die fremde Kultur einigermaßen drastisch beibringt.“

Auch Endlösungen haben es Herrn Zakrjsek angetan: „Da hat gerade ein Tschetschene seine Frau auf offener Straße erschossen und sich dann selbst dazu. Gegen diese finale Lösung kann man nicht sehr viel einwenden, ist aber leider eher selten.“ 

Wenn psychisch Kranke abgeknallt werden, findet Herr Zakrajsek dies „erfreulich“: „Psychiatrische Behandlung erfolgreich. So geschehen im US-Bundesstaat Philadelphia in einem psychiatrischen Krankenhaus. Ein Patient schießt plötzlich herum, tötet eine Pflegerin und verletzt einen Arzt. Dieser hat eine Waffe, schießt zurück und beendet die Geschichte. Was soll man dazu sagen? Recht erfreulich, meine ich.“

Ein interessanter Mensch, der da für das Recht auf freien Waffenbesitz streitet und für FPÖ-nahe Internetseiten schreibt. Der hat auch eine interessante Familie, was an seiner interessanten Erziehung liegen könnte. Im Jahr 2007 hat sein damals 12-jähriger Sohn laut Mitschülern mehrmals damit gedroht, eine Schusswaffe in die Schule mitzunehmen. 

WKR-Ball: Die schlimme Wahrheit

Die FPÖ will die Grünen „verklagen“. Weil die nämlich böse Randalierer aus Deutschland eingeladen hätten, sagt die FPÖ. Bislang hielt ich das für das übliche strunzdumme Propaganda-Gefasel verwirrter Rechter, doch nun liegt mir exklusiv ein Telefonprotokoll vor, welches beweist: Die FPÖ hat Recht.

Die Rote Flora, Hamburg. Das Telefon läutet.

Autonomer: „Hallo, wer nervt?“

Eva Glawischnig (forsch): „Hier Tamara Bunke. Bisserl mehr Haltung, wenn das Oberkommando anruft!“

Autonomer (verdattert): „Pardon, Frau Glawisch… Genossin Bunke. Was dürfen wir für Dich tun?“

Eva Glawischnig: „Ihr tanzt am 24. 1. in Wien an und macht Randale! Wir erwarten mindestens fünf zerbrochene Blumentöpfe, einen spektakulären Blendgaranteneinsatz, zwei zerbrochene Schaufensterscheiben, ein ruiniertes Polizeifahrzeug und einen zerdepperten ORF-Wagen.“

Autonomer: „Zu Befehl, Genossin.“ (schlägt knallend die Hacken zusammen)

Eva Glawischnig: „Für Drogen und Alkohol ist gesorgt. Wir ziehen unsere nigerianischen Dealer von den Kindergärten ab, damit wir Euch und die mitmarschierenden nützlichen Idioten mit Haschisch aufputschen können. Wer zuviel Hasch erwischt, kriegt Kokain zur Beruhigung.“

Autonomer (schmeichelnd): „Klingt ausgezeichnet, Genossin Oberkommandierende.“

Eva Glawischnig (autoritär): „Vollzug! Und wartet auf weitere Befehle. Marschroute wird noch durchgegeben. Die Polizei sollte durch die Umwandlung der Mariahilfer Straße in eine Fuzo ausreichend geschwächt und verwirrt sein. Nachdem der Ball erfolgreich sabotiert wurde, tritt Plan Frankfurt in Kraft. Alle Mitglieder von Burschenschaften und FPÖ werden verhaftet und kommen in Transgenderumerziehungslager und LSD-Camps.“

Autonomer: „Fantastisch! Es lebe die ökototalitäre Diktatur des Proletariats! Ev… Tamara befiehl, wir folgen. Ich spreche wohl für alle Autonomen hier wenn ich sage, dass wir strenge Befehlshierarchien lieben“.

Euthanasie: Mordsstimmung im Land

Ich bin gegen Dignitas, weil Sterbehilfe Mord ist, das ist alles. Ich will nicht gegen sie argumentieren, ich will sie bekämpfen. (Michel Houellebecq)

Sie reden viel von „Selbstbestimmung“ und von „Würde“, die Proponenten der aktiven Sterbehilfe, aber das zeigt nur, wie sinnlos Begriffe werden, wenn sie von jeglichem emanzipatorischen Inhalt befreit wurden. Es sind Floskeln, mit denen spätkapitalistisch abgerichtete Menschen offenbaren, dass sie nicht nur nichts wissen, sondern nicht einmal mehr richtig fühlen, da jeder Widerstandsgeist erloschen ist und die Nekrophilie an die Stelle des Aufbegehrens gegen unzumutbare Zustände getreten ist. Der inneren Abtötung aller echten Gefühle in solchen Leuten folgen der Wunsch, das Töten anderer Menschen zu legalisieren sowie eine grotesk verzerrte Vorstellung von Freiheit. Ein ganzes Leben lang Knecht gewesen, da soll wenigstens der Tod „selbstbestimmt“ sein, einmal nur selber den Finger am Abzug haben, und wenn es der Revolver ist, mit dem man sich selbst das Licht ausbläst. Diese totale Kapitulation als würdevolle Selbstbestimmung zu missdeuten braucht es in der Tat Individuen ohne Sprache, ohne Würde, ohne Ideen und ohne Geschichte. Sowas wie Sozialdemokraten und Grüne eben. Deren österreichische Varianten finden sich mit den imbezilen Motivationstrainerintellekten der NEOS in einer Front gegen den mindestens überlegenswerten Vorschlag wieder, das Verbot der sogenannten „Sterbehilfe“ und gleichzeitig damit ein Recht auf palliativmedizinische Betreuung in der Verfassung zu verankern.

You paint your head. Your mind is dead. You don´t even know what I just said (Frank Zappa)

Bei den Euthanasiebefürwortern sind psychische Verwerfungen oft leicht auszumachen. Sie reden davon, dass sie nicht leiden wollten, „so“ nicht leben wollen würden, wenn sie von schwerer Krankheit und nicht selten auch von Behinderung sprechen. Sie merken nicht, dass sie projizieren. Irre gemacht von den auf sie einprasselnden Auf- und Anforderungen der ökonomisierten Gesellschaft, die Fitness, Schönheit und Jugend als nicht bloß erstrebenswert darstellt, sondern zur Rai­son d’Être erklärt, halten sie ein diesen Anforderungen nicht mehr entsprechen könnendes Leben für nicht lebenswert, in fast allen Fällen ohne je selbst erfahren zu haben, wie sich eine ernsthafte Erkrankung oder eine Behinderung real anfühlt. Und wer seine Ansichten zum angeblichen Sterben in Würde ausnahmsweise nicht aus dramatisierten Fotoreportagen der Boulevardmedien bezieht, beruft sich gerne auf einen kranken Verwandten oder Bekannten, der ihm, im Krankenhaus leidend, zugeflüstert habe, er wolle so nicht mehr leben. Ein seelisch intakter Mensch zöge aus so einer vorgebrachten Fundamentalkritik an den Lebensumständen eines Patienten den Schluss, dass die Lebensumstände zu verbessern seien, damit der Patient wieder leben wolle. Dem seelisch Verkrüppelten kommt dieser Gedanke gar nicht, da er wesentliche Grundfunktionen des Lebendig-Seins schon lange gegen den Frieden mit den Autoritäten, gegen die Unterwerfung unter diese eingetauscht hat, meist schon im Kindesalter. Daher erscheint es ihm natürlich, einen Todeswunsch wörtlich zu nehmen statt als Schrei nach einem besseren Dasein. Wer die Krankenhäuser kennt der weiß, was im Umgang mit schwer Kranken oder Sterbenden zu ändern wäre und der weiß auch, dass dies aus einem einzigen Grund nicht passiert: Die Gesellschaft will dafür nicht bezahlen. Menschen leiden, weil zum Beispiel nachts zu wenige Ärzte anwesend sind. Das und viele andere Faktoren, die zu unnötigem Leid führen, könnte man ändern, wenn man denn etwas ändern wollte. Dies aber nicht einmal zu bedenken, sondern stattdessen nach der vermeintlich erlösenden Giftspritze für die Leidenden zu rufen, ist absolut inhuman, dumm und letztlich kriminell. Aus Unwillen oder Geiz wird Leid geschaffen, und weil dieses Leid das weinerliche, verkümmerte und zu Widerstand unfähige Ich beleidigt, soll es mitsamt dem Leidenden verschwinden. Hier nun steht die aktuelle Euthanasiebewegung ganz in der nationalsozialistischen Tradition, da der hunderttausendfache Mord an Behinderten, Kranken und Alten nicht allein finanziell und biologistisch motiviert war, sondern eben auch die entsprechende seelische Verwahrlosung der Mörder und Mörderinnen voraussetzte, eine Deformation der Persönlichkeit, die zur Verherrlichung des angeblich Gesunden und zum Ausschluss und schließlich zur Vernichtung all dessen führte, das der Definition autoritärer, jedem natürlichen Empfinden entfremdeter Menschen von „gesund“ und „lebenswert“ nicht entsprach. Und es setzte voraus,  dass zumindest der Großteil der Täter meinte, etwas Gutes zu tun.

Freedom´s just another word for nothing left to lose (Kris Kristofferson)

Es  ist kein Zufall, dass das legale Töten von Menschen, das euphemistisch „Sterbehilfe genannt wird, zuerst in den Beneluxstaaten und der Schweiz sein Comeback hatte. Calvinistisch geprägte Gesellschaften waren immer schon besonders anfällig für das Errechnen angeblicher Rentabilität sogar menschlichen Lebens. Utilitaristische Varianten der Bioethik verfangen in so grundierten Ländern besonderes leicht, wie auch liberale Ideen mit all ihren Vor- und Nachteilen. Aus emanzipatorischer Sicht ist der individualistische, liberale Ansatz in Benelux keineswegs vorbehaltslos zu begrüßen, denn auch wenn einige persönliche Freiheiten in einigen Lebenssituationen als angenehm empfunden werden können, bleibt natürlich der Grundwiderspruch samt allen je nach Standpunkt mehr oder weniger dramatischen Nebenwidersprüchen allen gegenteiligen Bekenntnissen und Illusionen zum Trotz aufrecht. Daraus folgt, dass der Mensch Ware und Verschubmasse bleibt, völlig ungeachtet der Sonntagsreden. In so einer Realität kann das Sterben auf Verlangen sowie das legale Töten niemals tatsächlich mit dem freien Willen des Getöteten gerechtfertigt werden, da das Individuum unter einer ganzen Reihe verzerrender Einflüsse steht. Kurz: Innerhalb des Kapitalismus kann von freien Menschen mit freiem Willen keine Rede sein, da die Realität der Widersprüche und die ökonomische Bemessung von Lebenswert dem entgegenstehen. Wer in einer Gesellschaft, in der Rentabilität alles ist, täglich vorgerechnet bekommt, wie viel er „den Staat“, „die Gesellschaft“ oder auch nur „die Familie“ kostet, entscheidet sich wohl allzu leicht dazu, sein unrentables Leben zu beenden.

There´s Nazis in the bathroom just below the stairs (John Lennon)

Seit in den deutschsprachigen Staaten wieder über die Euthanasie geredet wird, und das leider mehrheitlich befürwortend, protestieren Behindertenverbände dagegen. Deren begründete Angst wird seltsam leicht ignoriert, ein paar Beteuerungen der Sorte „diesmal geht es euch nicht an den Kragen, großes Pfadfinderehrenwort“ scheinen auszureichen, um die Stimmen jener, die in den kapitalistischen NS-Nachfolgestaaten ganz richtig meinen, dass Sonntagsreden-Beteuerungen schneller vergessen werden als Wahlversprechen, als Ausdruck von Paranoia zu brandmarken. Wieder einmal halten sich Deutsche und Österreicher für so zivilisiert, dass ihnen ein peinlicher Zwischenfall wie systematischer Massenmord nicht mehr passieren könne, und wieder werden jene, die warnen, als Alarmisten abgetan. Wie üblich wird nicht bedacht, dass die Nazis und ihre Ideengeber nicht mordeten, weil sie etwas Böses tun wollten, sondern weil sie innerhalb ihres Wertesystems davon ausgingen, Gutes zu tun. Als der Psychiater Alfred Erich Hoche und der Jurist Karl Binding 1920 die Schrift „Über  die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“ publizierten, war das kein sadistisches Werk böser Menschen. Die Herren Doktoren fanden das Leid in den Irrenanstalten und den Altenhäusern bloß so unerträglich, dass sie die Leidenden durch einen „schönen Tod“ erlösen und, sozusagen in einem Aufwasch, die Gesellschaft „gesünder“ machen wollten. Solche Ansichten verbanden sich nicht nur in Deutschland bald mit Ideen der malthusianischen Bevölkerungstheorie, die unter anderem postulierte, dass sich zu viele „Überflüssige“ fortpflanzen würden. Was dann nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten geschah, sollte weitgehend bekannt sein. Hunderttausendfacher Mord an jenen, die man für „erbkrank“ erklärt hatte, natürlich schön als Gnadenakte bemäntelt. Einen Unterschied zur heutigen Debatte gab es aber: Die Nazis trauten sich nicht, ihre entsprechende Gesetzgebung öffentlich zu machen, da sie Widerstand gegen das Abschlachten von Kranken befürchteten. Wer heute für den „schönen Tod“ eintritt, braucht das nicht im halb Verborgenen zu tun, er kann sich offen dazu bekennen und wird als Menschenfreund gefeiert. Freilich wird der aktuelle Todesspritzen-Fan selten sagen, er sei für die Ermordung kranker und/oder behinderter Menschen. Er sagt nur: „Ich würde so nicht leben wollen, das ist doch nicht mehr lebenswert“. Und er merkt nicht, dass er soeben den ideologischen Eckpfeiler der nazistischen Mordmaschinerei verinnerlicht hat, die Einteilung in lebenswertes und angeblich unwertes Leben nämlich.

No time to choose when the truth must die (Bob Dylan)

Wenn es wirklich so sein  sollte, dass SPÖ, Grüne und andere sich im weitesten Sinne progressiv verstehende Kräfte für die Legalisierung von Mord sind,  ÖVP, FPÖ und Team Stronach aber dagegen, muss ich meine politischen Sympathien grundsätzlich überdenken. Wer auch nur andenkt, es gäbe so etwas wie ein „lebensunwertes“ Leben, ist mein Feind. Das Eintreten für das Ermorden von Kranken auf deren angebliches Verlangen hin hat nichts Emanzipatorisches, nichts Progressives, nichts Linkes. Es passt aber fast unheimlich zu einer Sozialdemokratie, die einen Sozialminister stellt, der grinsend verkündet, das größte Problem Österreichs seien die Invaliditätsrentner. Wenn eine Partei, deren Spitzenfunktionäre so denken und reden, keine klare Ablehnung des Tötens von Kranken zustande bringt, sondern im Gegenteil Sympathien für die Euthanasie zeigt, müssen Menschen mit Einschränkungen nicht paranoid sein, um sich zu fürchten. Da hört man aus jedem Satz die Pseudohumanität der Menschenwertsberechner herausdringen, jene Pseudhumanität, die auch jene umtreibt, die laut ankündigen, sie selbst würden am liebsten sterben, sollten sie zu unästhetischen und teuren Pflegefällen werden, und die davon ausgehen, dass auch alle anderen Menschen seelisch so deformiert wären wie sie und daher gleich dächten, weswegen sie dann die, die human bleiben wollen, inhuman schimpfen.  

Toter Haider, bessere Welt

Wer etwas Dummes macht, wird, nachdem er die Dummheit seines Handelns erkannt hat, viel Energie darin investieren, diese Dummheit zu relativieren oder zu leugnen. Selten findet man Leute, die danach sagen: „Jep, das war jetzt ziemlich dämlich, mein Fehler“. Die Kränkung muss vermieden werden, und sei es um den Preis der Realitätsverleugnung. Diesem Phänomen der menschlichen Psyche kann man derzeit wieder schön bei der Arbeit zuschauen, denn genau fünf Jahre, nachdem der ehemalige Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider final lernen musste, dass Luxuslimousinen, reichlich Alkohol und Raserei die Gesetze der Physik nicht aushebeln können, melden sich aus allen Löchern die Stimmen jener, die damals Kollaborateure waren, tatenlose Zuseher oder gar aktive Unterstützer, und flöten im Chor: „So schlimm war der gar nicht, zumindest weniger schlimm als der Strache. Und immerhin war er ein genialer Politiker und hatte Charisma“. Und hier nun muss ich sagen: Nein, alles falsch.

Jörg Haider war nicht „genial“, und sein Charisma war, wie viele seiner politischen und ökonomischen Projekte, sowas wie des Kaisers neue Kleider, also nur für die wahrnehmbar, die daran glaubten. Haider hatte eine Art artifizielles Charisma, weil seine Strategen und Berater andauernd schrien: „Seht, welch Charisma der doch hat!“  In den ersten Jahren seiner politischen Karriere hat Haider einige Wahlkampftricks der NSDAP kopiert und damit bei simplen Gemütern ähnliche Erfolge verzeichnet wie einst das Original. War Hitler der erste Politiker, der das Flugzeug zum Wahlkämpfen benutzte, so schwebte Haider mit dem Helikopter ein, was bei den Bauern und Arbeitern, die es selbst oft noch nicht mal zur Pauschalflugreise nach Mallorca gebracht hatten, großen Eindruck hinterließ. Haider ging nie alleine in Gasthäuser, er hatte stets einen Rattenschwanz an Kofferträgern und Notizblockvollkritzlern dabei, um seine Wichtigkeit zu unterstreichen. Wer wie ich Haider auch mal abseits von Wahlkampf und Menschenmassen und Fernsehkameras kennen lernte, der traf auf einen seltsam gehetzten Menschen, einen unglücklichen Menschen, der ganz offensichtlich eine ganze Reihe schwerer Probleme hatte und mit dem kein wirkliches Gespräch möglich war, weil ich stets den Eindruck hatte, mit einem Kunstprodukt zu reden, aber nie mit einem echten Menschen. Ich traf Haider vier Mal auf diese Weise, und die letzte Eigenschaft, die ich ihm zugeschrieben hätte, wäre „charismatisch“ gewesen. Für mich fiel er viel mehr unter die Kategorie „armer Kerl“, denn ich sah bei ihm Alkoholismus, die typische Koksnasen- und Bussibussi-Gesellschafts-Oberflächlickeit sowie ein hektisches Scannen seines Gegenübers auf dessen sexuelle Präferenzen hin, diese bei manchen Schwulen, die sich nicht zu outen trauen, ortbare Mischung aus unterdrückter Geilheit und Angst. Jedes Wort von ihm war berechnet, sogar jede Geste. Es war, als ob da einer versucht, Mensch zu spielen.

Geschauspielt hat Haider oft und viel, und es fiel ihm leicht, wollte er doch als Jugendlicher ein Mime werden. All seine Auftritte als empörter Volkstribun, der auf angebliche Ungerechtigkeiten hinwies, all das zornige Herzeigen von Taferln im Fernsehen, das pseudorebellische Spitzbubentum im vorgeblichen Kampf gegen „die da oben“ – nichts als Theaterdonner, aber ausreichend kompetent gespielt, dass genügend Menschen darauf herein fielen. Und nicht nur dumme Menschen. Geschickter noch als Strache heute heuchelte Haider Interesse für sein Gegenüber, sei das nun eine Journalistin oder das Publikum im Bierzelt, gezielt baute er die FPÖ als Partei auf, „die sich kümmert“ um jene, die nicht ganz zu Unrecht den Eindruck hatten, allen anderen seien sie egal. Haiders Auftreten und Politik waren schlau, aber nicht „genial“, wie manche behaupten. Er und seine Berater hatten erkannt, dass die vielen Zukurzgekommenen gar nicht so sehr danach dürsteten, endlich auch mal ein Stück vom Kuchen zu bekommen, sondern dass die schon zufrieden sind, wenn den anderen der Kuchen weggenommen oder verkleinert wird. Haider reüssierte mit simpler Neidhammelpropaganda, die im Land der tausenden nach rot-schwarzem Proporz  aufgeteilten Diretions- und Vizedirektionspöstchen verständlicherweise gut ankam. Er pfiff auf die Konventionen politischer Moral und streute im Stil des faschistischen Agitators Lügen, Halbwahrheiten und Verleumdungen gegen angeblich privilegierte „Ausländer“, Künstlerinnen, Gewerkschafter, Parteigünstlinge und Arbeitslose. Er deckte Menschen mit Klagen ein und schrie dann von der Bühne, dass diese Menschen schlecht seien, da sie ja schließlich in Gerichtsverfahren verwickelt wären. Er rechnete die Zahl der Arbeitslosen mit jener der in Österreich lebenden Ausländer gegen und startete ein Anti-Ausländer-Volksbegehren. Er steckte Asylbewerber in ein abgeschiedenes Heim in den Bergen und log, es handle sich bei diesen Menschen um Straftäter. Bei jeder Untat grinste der angeblich so charmante und charismatische Mann, ein Grinsen, das zum Markenzeichen dieser Sorte politischen Gangstertums werden sollte, denn sie alle, die in Kärnten und später auch im Bund Land und Leute regelrecht ausraubten und volkswirtschaftliche Schäden sowie gerichtsanhängige Malversationen in Milliardenhöhe hinterließen, grinsten dabei wie ihr Chef.

Jörg Haider war nicht weniger schlimm als es Strache heute ist. Haider hat ganz genauso gehetzt und gelogen und manipuliert. Haider hat am rechtsextremen Rand der Gesellschaft nicht nur angestreift, sondern versucht, diesen salonfähig zu machen. Haider hatte zu Alt- und Neonazis ganz genauso viele Berührungspunkte wie sein Nachfolger. Haider hat die Israelitische Kultusgemeinde und deren Vertreter beschimpft und lächerlich gemacht. Und Haider hat, wozu Strache noch keine Gelegenheit hatte, tatsächlich am Rechtsstaat vorbei Menschen internieren lassen. Das Lager auf der Saualm, wohin „mutmaßlich straffällig gewordene Asylbewerber“ deportiert wurden, war am praktizierten Faschismus schon verdammt nahe dran. wer heute behauptet, Haider sei nicht so übel gewesen wie Strache, der hat ein kurzes Gedächtnis. Das Einzige, worin sich Haider von Strache unterschied, war seine Homo- bzw Bisexualität, die ihn nicht nur daran hinderte, ein Vollnazi zu sein, sondern die auch sein Standing beim harten rechtsextremen Kern der FPÖ schwächte. Manche hielten diesen Zufall der sexuellen Orientierung für ein Symptom einer angeblichen Kultiviertheit Haiders. „Na immerhin hetzt er nicht gegen Schwule“, musste man oft hören, als sei dies Haiders Zivilisiertheit geschuldet gewesen und nicht seinen eigenen Ängsten.

Nein, Haider war nicht der nettere Strache. Er war nicht angenehmer und auch nicht harmloser. Er hat von seinem einst Juden abgepressten Großgrundbesitz aus die Renaissance der verharmlosend „rechtspopulistisch“ genannten Strömungen in Europa eingeleitet, hat die Vernetzung von Europas rechtsextremen Parteien vorangetrieben, hat den antifaschistischen Konsens hintertrieben, wo er nur konnte. Er war auch ein Abzocker schlimmster Sorte, ein Umverteiler, der Volksvermögen an Milliardäre und Parteiförderer verschob. Kurz: Die Welt ist ohne den miesen kleinen Arisierungsprofiteur ein klein wenig besser.