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Als der WDR die Hosen runterließ und darunter ein kleiner Antisemit zum Vorschein kam

Als der WDR den Film „Auserwählt und ausgegrenzt – der Hass auf Juden in Europa“ von Joachim Schroeder und Sophie Hafner nach Wochen der Weigerung doch noch zeigte, tat er das auf eine beispiellose Weise. Auf seiner Website veröffentlichte der Sender eine Art Beipackzettel, den man frech „Faktencheck“ nannte, dessen Fakten aber großteils keine waren, sondern nur Statements, ganz so, als wäre die Doku ein gefährliches Medikament, ein Fläschchen Gift, und im Anschluss an den Film ließ man notorische „Israelkritiker“ wie Norbert Blüm über den Film zu Tribunal sitzen. Die ganze Vorgehensweise, die ganze Attitüde des WDR war von ungeheurer und durch nichts gerechtfertigter Überheblichkeit, der Überheblichkeit deutscher Besserwisser, die nichts besser wissen und die ihr Unwissen mit Zähnen und Klauen vor der Aufklärung zu verteidigen suchen. Die Botschaft war: „Okay, wir senden das, denn sonst steigt uns die allmächtige Juden-Lobby aufs Dach, aber wir machen deutlich, dass wir die Doku für Mist halten“. Was der WDR da veranstaltete, war zutiefst paranoid und von genau dem Antisemitismus geprägt, die Schroeders Film aufzeigt.

Was ist Antisemitismus?

Um die Ungeheuerlichkeit dieser Vorgänge zu verstehen muss man zuerst begreifen, was Antisemitismus ist. Antisemitismus ist unter anderem das Beharren des Dummen nicht nur auf seinem vermeintlichen Recht, unhinterfragt dummes Zeug denken und sagen zu dürfen, sondern auch sein Begehren, die Dummheit der Intelligenz als gleichwertige Geistesleistung beigestellt zu sehen. Antisemitismus ist Projektion und Fantasie und demnach, wie Adorno es ausdrückte, das Gerücht über die Juden. Antisemitismus kann Symptom eines Wahns sein, einer pathologischen Fehlinterpretation der Realität, aber es wäre falsch und psychisch Kranken gegenüber unfair, ihn als krankhaft im psychiatrischen Sinne abzutun. Der Wahn des Antisemiten ist ein gesellschaftlicher Wahn, dessen pathischer Charakter nur während jener Phasen erforschbar und somit bewusst wird, in denen Gesellschaften es ihren Intellektuellen erlauben, sich mit eben diesen Gesellschaften tiefgreifend kritisch zu befassen und an die Wurzeln ihrer Destruktivität zu gehen. Üblicherweise korreliert das mit dem Ausmaß an Offenheit einer Gesellschaft oder ihrer historischen Entwicklungsstufe. Je enger, autoritärer und letztendlich totalitärer die Gesellschaft, desto beschränkter die Hervorbringungen ihrer Denkerinnen und Denker, umso unhinterfragter und unbehandelter die Eiterungen von Wahn und Fantastik. Der Hass auf Juden, primärer und sekundärer Antisemitismus – das wuchert dort, wo nur ein Gott der Größte sein soll und/oder wo nur eine Ideologie unhinterfragt herrscht am mächtigsten. Wenig überraschend fanden und finden Antijudaismus und Antisemitismus fruchtbarsten Boden stets, wo Totalität und Absolutheit die Räume für das Denken schließen. Ein womöglich unterschätzter Grund für das neuerliche Erstarken des im kulturellen Hintergrundrauschen stets mitsummenden Antisemitismus ist die Transformation des gesamten Planeten in eine Kultur des totalen Marktes. Der Glaube an die Alternativlosigkeit des kapitalistischen Absolutismus führt zu einer Verengung und Verarmung des Denkens und wo eng und ärmlich gedacht wird, ist auch Antisemitismus, der sich dann bei Apologeten wie vermeintlichen Kritikern der Zustände gleichermaßen in die Argumentation einschleicht, also aus dem Hintergrundrauschen hervortritt und mit zunehmender Verblödung der Gesellschaft immer unverschämter formuliert wird.

Der Neid auf Israel

Der Hass auf Juden und, seit über 70 Jahren, auf ihren Staat Israel hat viel mit dem Zurückdrängen visionären und utopischen Denkens zugunsten einer pseudorationalen ideologischen Behübschung trostloser Zustände zu tun. Zionismus ist Utopie als Realität, der Beweis für die Machbarkeit des angeblich Unmachbaren. Die schiere Existenz der Juden nach Jahrtausenden der Verfolgung und mehreren, in der Shoah gipfelnden Versuchen der Ausrottung ist auf mehrere Arten eine Kränkung des falschen Bewusstseins. Die Juden überstanden nicht nur tatsächlich tausendjährige Reiche wie das römische, sie überlebten als Gemeinschaft auch das zwölfjährige der Nazis. Und nach dem größten Verbrechen, der größten von Verbrechern verursachten Katastrophe des jüdischen Volkes, dem gut die Hälfte des europäischen Judentums zum Opfer fiel, gründeten die Juden einen Staat und kehrten dorthin zurück, physisch wie emotional, von wo man sie einst vertrieben hatte. Das Judentum hat den Holocaust nicht nur überlebt, es war danach stärker als je zuvor, denn man hatte sich an Theodor Herzls Motto gehalten: „Wenn ihr wollt, ist es kein Märchen“. Es ist kein Zufall, dass die ersten Sympathien für Israel und die erste konkret lebenswichtige Unterstützung mit Waffen aus dem realsozialistischen Block kamen. Ende der 1940er Jahre lebten dort trotz Stalin noch Kommunisten, die das Bestreben, eine Utopie zur Realität zu machen, nachvollziehen konnten und die die nahe Verwandtschaft der sozialistischen und zionistischen Träume noch verstanden. Es ist kein Zufall, dass Israel jahrzehntelang sozialistisch geprägt war und dass linke Projekte wie der Kibbuz das Land durchzogen und geistig mitbestimmten. Noch heute, nach der kapitalistischen Wende im Land und dem politischen Rechtsrutsch, ist Israel ein Staat, in dem scheinbar Unmögliches möglich wird und Märchen in die Realität übertreten. Sicher, die Märchen der heutigen Zeit drehen sich um Geschäftsideen, Geldverdienen und teilweise um religiös unterfütterte Siedlungsvorhaben, aber sie sind immer noch beseelt von der Möglichkeit der Realisierung, vom unglaublichen Optimismus im Angesicht schwerster Hindernisse. Das beunruhigt und kränkt die angeblich Vernünftigen, deren Vernünftigkeit keine Vernunft ist, sondern die Kapitulation vor den herrschenden Verhältnissen. Das befeuert den Antisemitismus unter vermeintlich Linken, die den Juden nie verziehen haben, nicht auf die Weltrevolution gewartet zu haben, die den Israelis ihre Tatkraft immer neideten und die ihre eigenen Träume dadurch enttäuscht sehen, dass der jüdische Staat sich ständig verändert und anpasst, um zu überleben. Dass dies und nichts anderes der Sinn und die Daseinsberechtigung Israels ist, nämlich durch eine jüdische Staatlichkeit zu garantieren, dass Juden nie wieder abgeschlachtet werden, weil angeblich zivilisierte Staaten im Ernstfall dem Morden einfach zusehen, ist großen Teilen der aktuellen Linken nicht vermittelbar, nicht intellektuell und nicht emotional.

Schroeders Film zeigt nur auf, was jeder wissen kann, der sich mit der Materie ein bisschen eingehender befasst, dass nämlich Antisemitismus nicht nur bei Neonazis zu finden ist, sondern den gesellschaftlichen Mainstream und seine Ränder durchfließt wie eine Sepsis die Blutgefäße. Antisemiten, die sich selbst für keine halten, reagieren auf solcherlei Aufklärung gereizt, mit aggressiver Abwehr und mit Angriffen auf die Aufklärer. Genau das ist rund um „Auserwählt und ausgegrenzt – der Hass auf Juden in Europa“ geschehen. WDR, Arte und viele Politiker verhielten sich exakt so, wie es leider zu erwarten war. Sie alle haben bewiesen, dass eine Haltung, die Antisemitismus wirklich durchwegs kritisiert und ihn auch dort aufspürt und bloßstellt, wo er nach Eigen(fehl)einschätzung der Kritisierten nicht sein könne, die Aggression der Ertappten auslöst, und diese Aggression resultiert aus der traurigen Tatsache, dass der Antisemitismus viel stärker und tiefer im Unbewussten vergraben weiterwirkt, als es gerade die deutschen vorgeblichen Weltmeister in Sachen Geschichtsaufarbeitung wissen oder wahr haben wollen.

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Links sein neben linken Antisemiten?

Als sich Israel im Jahr 2014 militärisch gegen Rakentenangriffe aus dem Gazasteifen wehrte, kündigten mir viele sich für politisch links haltende Leute die (Facebook)Freundschaft und schimpften mich einen „Rassisten“. Ich hatte nämlich Verständnis dafür geäußert, dass ein Staat nicht tatenlos zusehen kann, wenn Terroristen seine Bürger mit Raketen beschießen. Neben Rassismus wurde mir auch unterstellt, mich am Tod von Zivilisten, ja von Kindern in Gaza zu erfreuen. Mit Erstaunen stellte ich fest, dass ich für viele geradezu ein Monster war. Ein Rassist, der es gut findet, wenn im Krieg Kinder sterben. Das verletzte mich mehr, als ich zugeben wollte. Ich weiß zwar, dass ich weder Rassist bin noch mich an Leid und Tod von Kindern und anderen Zivilisten ergötze, aber es lässt mich nicht ganz kalt, wenn dergleichen in mehr oder weniger linken Kreisen über mich verbreitet wird. Ich bin freilich nicht der einzige, dem es so geht.

Die Linke hat, obwohl sie ohne jüdische Geistesgeschichte und jüdische Intellektuelle nicht existieren würde, seit jeher ein Antisemitismusproblem, das von Beginn an eigentlich ein Intelligenzproblem war und das bis heute geblieben ist. Schon daran, Karl Marx zu verstehen, scheiterten viele Zeitgenossen und später sogar Intellektuelle wie Hannah Arendt, die Marx´ Text „Zur Judenfrage“ als Wurzel linken Antisemitismus missverstand, dabei weder die geistige Umgebung, in der dieser Text geschrieben worden war, berücksichtigend, noch die Synonymität des Begriffs vom Judentum darin verstehend. Entscheidender als jener selten gelesene Text war aber die Komplexität marxistischer Theorie, die von Beginn an Vereinfachungen und Verkürzungen attraktiv machte bis hin zu protonazistischen Personalisierungen systemischer Prozesse und Verhältnisse. Statt den Kapitalismus als Produktionsweise, Distributionsverfahren und Gesellschaftsordnung zu begreifen, trat teilweise schon bei Marx und Engels, verstärkt und immer öfter aber seit der ersten Rezipientengeneration eine Moralisierung an die Stelle der Analyse und mit der Moralisierung eine Personalisierung. Vor allem simplen Gemütern schien ein tatsächliches oder vermeintliches moralisches Fehlverhalten von Vertretern der Kapital besitzenden Klasse eine viel einleuchtendere Erklärung für den schlimmen Zustand der Welt zu sein als die Zwänge des Systems, dem selbst der menschenfreundlichste Kapitalist nicht entrinnen konnte. Aus dieser Personalisierung des Systemischen in einem gesellschaftlichen Klima, in dem sich antijüdische Motive aus dem Mittelalter mit rassistischen Ideen verbanden, wurde der linke Antisemitismus geboren, der freilich eine derartige Perversion wahren linken Denkens darstellt, dass er bereits historisch und bis heute immer wieder zur Folge hat, dass so denkende Linke ohne große Probleme rasch sehr rechte Positionen übernehmen können und, das ist heute wieder oft zu beobachten, Rechte mit Versatzstücken linker Rhetorik reüssieren können. Neue Kraft schöpfte linker Antisemitismus in den 1960er Jahren aus geopolitischen Positionierungen des realsozialistischen Blocks mitsamt einer dazu ausgeheckten falschen Imperialismusdefinition sowie seit den 1990er Jahren durch antiuniversalistische Regressionen in postkolonialen und postmodernen Strömungen vor allen innerhalb der akademischen Linken.

Heute steht man als Linker, dem der neokonservative und rechtsautoritäre Backlash sehr missfällt, vor dem Problem, dass fast überall dort, wo sich im weiteren Sinne linke Gegenbewegungen formieren, auch Antisemitismus in variierenden Dosierungen mit von der Partie ist. Zumeist ist dieser Antisemitismus als Israelkritik verkleidet, die jedoch oftmals weit über die ohnehin schon unfaire Sondermoral gegenüber dem Staat Israel hinausgeht und dessen Schädigung oder gar Abschaffung vorantreibt, was selbst ohne die aus den historischen Erfahrungen sich zwingend ableitende Israelsolidarität nichts anderes wäre als reiner Antisemitismus. Wohin man auch blickt, ob auf Jeremy Corbyn in Großbritannien, auf Podemos in Spanien, Syriza in Griechenland, die Partei Die Linke in Deutschland, etliche Sozialdemokratien und auch außerparlamentarische linke Regungen – überall wird man auf (Unter)Strömungen treffen, die mehr oder weniger ausgeprägte Varianten des linken Antisemitismus sind. Da stellt sich die Frage, wie man damit umgehen sollte. Manche beantworten diese Frage für sich damit, dass sie sich aus jeder potenziell historisch wirksamen Linken zurückziehen und in Mini-Sekten Kritik am linken Mainstream üben, der inzwischen freilich selber nur ein politisches Rinnsal ist. Diese Haltung treibt dann oft Blüten, die sonderbar zu nennen noch stark untertrieben ist, denn wenn zum Beispiel Teile der „antideutschen“ Szene weit rechts stehende Politiker unterstützen und damit bereit sind, emanzipatorische Errungenschaften in Europa, den USA oder Israel zu opfern, weil diese Politiker sich wenigstens verbal zugunsten Israels und gegen die Barbarei radikalislamischer Regimes und Rackets stellen, ist das objektiv kaum weniger wahnhaft und reaktionär wie das Paktieren anderer Linker mit ultrareaktionären bis faschistoiden Bewegungen, wie es beispielhaft die lateinamerikanische Linke mit dem Iran und dessen globalen Terrorgruppen vorgemacht hat. Natürlich ist was dran an der Feststellung, dass selbst die von Rechtsrepublikanern regierten Vereinigten Staaten oder das von den Tories in einen viktorianischen Sozialalptraum zurückverwandelte Großbritannien mehr Zivilisation und damit lebenswertes Leben zu bieten hätten als die Klerikalfaschisten in Iran oder die Vernichtungsantisemiten von Hiszbollah und Hamas, aber die kalte Bereitschaft, für die tatsächliche, meist aber nur theoretische Verbreitung universeller menschenrechtlicher Konzepte auf dem Rücken vieler Millionen immer prekärer existieren müssender Amerikaner und Europäer in die Schlacht zu reiten, ist ebenso unmoralisch wie sich die Annahme, ausgerechnet Herrschaften wie Trump, Bush, Cameron oder Netanyahu stünden für einen energischen Kampf gegen die Barbarei, als furchtbarer Trugschluss entpuppen könnte.

Also was tun? Sich den Reaktionären anschließen, weil die derzeitige Linke voller moralischer und strategischer Schwächen ist? Ich würde sagen: Nein. Stattdessen muss man sich in all der Wahnproduktion, die links und rechts auf Hochtouren läuft, seine Vernunftfähigkeit ebenso bewahren wie eine grundlegende linke Ethik. So wie man linken Antisemitismus ständig aufdecken und bekämpfen muss, muss man auch den Anschluss an die rechten Frauenfeinde, Minderheitenverfolger, Kriegstreiber, Schwulenhasser, Armen- statt Armutsbekämpfer, Rassisten und Autoritären kritisieren und verweigern. Nur weil es viele Idioten gibt, die sich links nennen, ist es nicht falsch, links zu sein. Und sehr hilfreich ist auch, den Blick von der Theorie auf die Praxis zu lenken, denn das kann so manche Vorstellung, die man von der Welt und ihrem Funktionieren hat, zurechtrücken. Die griechische Regierung unter der Führung von Syriza, der im Vorfeld nachgesagt wurde, sie bestünde aus lauter Antizionisten, ja Antisemiten, pflegt mit Israel so freundschaftliche Beziehungen wie kaum eine griechische Administration zuvor. Israel war historisch stets unter Linksregierungen am stärksten und am sichersten. Die massivste  Unterstützung seitens der USA genoss Israel unter demokratischen Präsidenten. Nur weil sich im weiten Feld linker Politik immer wieder auch antisemitische Figuren herumtreiben, muss die Regierungspraxis noch lange nicht von diesen bestimmt werden. Vor allem dann nicht, wenn man aktiv gegen diese Leute vorgeht und nicht aufhört, sie zu benennen und zu kritisieren.

„Nie wieder“ heißt, für Israel zu sein

Es ist wieder mal Internationaler Holocaust-Gedenktag und damit drohen uns erneut die üblichen Phrasen und Floskeln, vorgetragen von Politikerinnen in Schwarz und Politikern, die Hüte tragen. Aus Respekt. Ernst blicken sie drein, die Präsidenten und Bundeskanzlerinnen, und sagen, was sie seit Jahrzehnten sagen: „Nie wieder“. Sie meinen damit allerdings ausschließlich „nie wieder Auschwitz“. Was diesseits von Vernichtungslagern ist, fällt nicht unter diesen Schwur, wird nicht abgedeckt vom Wiederholungsverbot. Seit dem von außen erzwungenen Ende der Naziherrschaft nicht.

Nirgendwo in Europa waren Juden nach 1945 je so sicher, wie sie es sein hätten müssen, hätten wir tatsächlich aus der Geschichte gelernt. In Deutschland und Österreich versuchte man zunächst, die wenigen verbliebenen Jüdinnen und Juden zu vergraulen und denjenigen, die den Mördern durch Flucht entronnen waren, eine Rückkehr wenig schmackhaft zu machen. Mit allerlei juristischen Spitzfindigkeiten drückte man sich vor der Rückerstattung geraubten Vermögens und arisierten Besitzes. Wer sich dadurch nicht entmutigen ließ, musste bis in die späten 1960er Jahre hinein Angst davor haben, dass ihm Alt- oder Neonazis Briefbomben schickten oder ihn auf offener Straße totschlugen. Und dann kam die Bedrohung durch palästinensische Terroristen, die mit der Unterstützung linksextremer europäischer Komplizen jüdische und israelische Einrichtungen angriffen und Juden sowie proisraelisch eingestellte Politiker ermordeten. Mit diesen arabischen Terroristen schlossen die europäischen Staaten dann einen Pakt, der bis heute in Kraft ist: „Ihr hört auf, bei uns Terror zu machen, dafür kriegt ihr jährlich ein paar hundert Millionen Dollar von uns“. Doch für Europas Juden war die daraus resultierende Verschnaufpause nur sehr kurz, denn fast nahtlos schlüpften islamistische Fanatiker in die vernichtungsantisemitische Lücke und zielen nun mit Bomben und Knarren auf alles, was jüdisch ist oder was sie dafür halten. Kurz: Seit 1945 müssen in Europa jüdische Kindergärten von Polizei und Wachdiensten beschützt werden, weil jüdische Kinder sonst in Lebensgefahr wären. Mit Ausnahme der Betroffenen und einer winzigen Anzahl Intellektueller findet das kaum jemand skandalös, weil kaum jemand begreift, was das über unsere Gesellschaft aussagt.

Während ich das hier schreibe, erfahre ich, dass eine 24-jährige Israelin ihren Stichwunden erlegen ist, die ihr ein arabischer Teenager zugefügt hatte. Totgestochen im Supermarkt. Allein seit Oktober 2015 wurden in Israel 25 Menschen von Arabern ermordet und dutzende zum Teil schwer verletzt. Das große Schweigen, das in Europa dazu zu vernehmen ist, sagt vielleicht mehr zum Weiterbestehen antisemitischer Haltungen aus, als alle Antisemitismusstudien zusammen. Empörung und Demonstrationen gegen Gewalt im Nahen Osten finden in Europa nur statt, wenn Israel sich verteidigt. Dann sind alle plötzlich laut und präsent, die immer schweigen, wenn Juden ermordet werden. Und oft sind das dieselben, die am Holocaust-Gedenktag ganz traurig tun und die Untaten ihrer Vorväter tapfer anklagen, während sie die Untaten der aktuellen Judenmörder entweder ignorieren oder als „Widerstand“ verharmlosen. 350 Millionen Araber stehen gut sechs Millionen Juden gegenüber. Wer hier Widerstand leisten muss, ergibt sich schon rein mathematisch. Dennoch bereitet gerade vielen Linken und Liberalen nichts so große Sorge wie das Wohlergehen jener sich Palästinenser nennenden Araber. Ein moralischer, strategischer und propagandistischer Bankrott, den die Rechten nach einigen Jahren des Zögerns erkannt haben und für ihre Zwecke ausnützen. Kaum eine (west)europäische Rechtsaußenpartei kommt mittlerweile noch ohne proisraelische Lippenbekenntnisse aus. Das hat nichts damit zu tun, dass diese im Kern hart antisemitischen Parteien ihren Antisemitismus aufgearbeitet hätten, sondern mit taktischen Überlegungen und populistischem Gespür. Die gefährlichsten Gegner Israels sind muslimischen Glaubens, die europäischen Rechten hassen Muslime noch mehr als Juden, also scheinen Allianzen nahe zu liegen. Was die europäischen Rechten nicht wissen wollen und manche israelischen Rechten gerne verschweigen: Einige der patriotischsten Israelis sind Muslime und die große Mehrheit der jüdischen Israelis will nicht „den Islam“ bekämpfen, sondern sich lebensgefährlicher Feinde erwehren, egal, woran die gerade glauben oder zu glauben vorgeben. Es steht zu befürchten, dass jene von der Linken gründlich enttäuschten Israelis, die nun darauf hoffen, ein nach rechts rutschendes Europa würde Israel mehr Verständnis und Solidarität entgegenbringen, sich gründlich täuschen. Ein in rechts regierte Nationalstaaten zerfallendes Europa wird sich gerade in der immer schlimmer werdenden Wirtschaftskrise lukrative Waffengeschäfte mit der arabischen und muslimischen Welt nicht entgehen lassen. Das zeichnet sich ja bereits ab, denn die „Normalisierung“ der Beziehungen mit dem Iran und das Klinkenputzen europäischer Politiker und Wirtschaftsbosse in Teheran zeigt ja, dass schon jetzt moralische Kategorien kaum mehr eine Rolle spielen. Zu meinen, ausgerechnet Rechte, die ja oft nichts anderes sind als der politische Arm der Industrie, würden da einen Kurswechsel herbeiführen, ist eine gewagte Annahme.

Wer aus der Geschichte wirklich etwas gelernt hat und es ernst meint mit dem „Nie Wieder“, muss realistischerweise für die sichere Existenz Israels eintreten. Juden sind weltweit in Gefahr und es ist nicht irgendeine moralische Lehre aus Auschwitz, die Judenmörder von einer Wiederholung der Shoah abhalten kann, sondern allein ein schwer bewaffneter Staat Israel, in dem es eine deutliche jüdische Mehrheit gibt. Auf die Lernfähigkeit der Europäer kann man sich leider nicht verlassen. Auf die Angst, im äußersten Fall eine Atombombe made in Israel aufs Dach zu kriegen, dagegen schon. Faktisch ist also jeder, der an einer Schwächung oder gar Zerstörung Israels arbeitet, sei es als „Aktivist“ der Boykottbewegung oder als Befürworter des „Rückkehrrechts“ der Nachfahren aller jemals auf israelischem Gebiet gelebt habenden Araber, ein schlimmerer Antisemit als das faschistische Gesindel, das sich derzeit mit Israelbegeisterung tarnt.

What are we fighting for?

Die Reaktionen auf die Terroranschläge in Dänemark gleichen sich wie schon jene auf die Attacken in Paris dem Wahnsinn der Terroristen immer mehr an. Israels Ministerpräsident Banjamin Netanyahu möchte gerne einen wichtigen Teil der Ziele der Terroristen verwirklichen und ruft alle Juden zur Auswanderung aus Europa und zum Einwandern nach Israel auf. Ein „judenreines“ Europa und alle, wirklich alle Juden auf einem Fleck, damit der Iran, so er denn demnächst eine Atombombe hat, alle auf einen Schlag auslöschen kann – feuchter könnten selbst Nazis nicht träumen. Während Netanyahu die Kapitulation vor Islamisten, Nazis und anderen Judenfeinden ausruft, faselt sein Außenminister Avigdor Lieberman etwas davon, die „internationale Gemeinschaft“ solle die „Regeln der politischen Korrektheit“ aufgeben und einen „kompomisslosen Krieg gegen den Terror“ führen. Wenn wir die „politische Korrektheit“, worunter rechte Politiker wie Lieberman die Einhaltung der Menschenrechte verstehen, aufgeben, wozu sollten wir dann die Islamisten noch bekämpfen? Wenn wir die restlichen noch vorhandenen liberalen Spurenelemente in unseren Gesellschaften wegwischen und uns zu Glaubenskriegern zurückentwickeln, weshalb sollte man dafür kämpfen und sterben wollen? Weil „unser“ Gott der coolere ist als „deren“ Gott? Freilich sollten wir totalitäre Extremisten wie Islamisten vom Schlage des „IS“ bekämpfen, von mir aus auch kompromisslos, denn die werden nicht ruhen, bis die ihnen so verhassten westlich liberalen Demokratien zerstört sind, aber wenn wir das unter Aufgabe dessen machen sollen, zu dessen Verteidigung wir angeblich Krieg führen, dann wird das zu einer absurden Veranstaltung, die nicht mehr Sinn ergibt als die Logik der Dschihadisten.

Es ist bezeichnend, dass den westlichen Politikern außer der Aufrüstung von Polizei und Militär keine andere Reaktion auf den Terrorismus einfällt. Bezeichnend, weil es die moralische Verkommenheit verdeutlicht, die unsere Gesellschaften durchdrungen hat. Wir meinen, der Krisenkapitalismus, der immer mehr „Überflüssige“ hervorbringt, sei alternativlos und die beste aller Welten, und wir vernichten das, was in den kapitalistischen Zentren bislang noch durchaus wert war, verteidigt zu werden, zum Beispiel den Sozialstaat. Wir halten Korruption und die Verzahnung von Politik und Wirtschaftskriminalität inzwischen für den Normalfall und stören uns nicht mehr daran, dass wir von Leuten regiert werden, die nichts, wirklich gar nichts anderes mehr interessiert, als für sich selbst möglichst große Stücke aus der kleiner werdenden Beute herauszureißen. Jeder, der nicht völlig debil ist, merkt, dass die derzeitige politische Klasse fast durchgehend aus Leuten besteht, die lügen und heucheln, sobald sie den Mund aufmachen. Mit diesem Personal an entscheidenden Stellen wird kein Krieg, schon gar nicht so ein komplexer wie der gegen islamistischen Terrorismus, gewonnen werden können. Und in absehbarer Zukunft werden wir eh nur mehr zwischen islamistischen und rechtsextremen Varianten des Autoritarismus wählen dürfen.

Antisemitismus und Rebarbarisierung

Für Juden und Jüdinnen ist es nicht besonders wichtig, ob der Antisemit ein Rechter oder ein Linker, ein Muslim oder ein Christ, eine Migrantin oder eine Autochthone, vom Mars oder von der Venus ist. Juden möchten von Antisemitismus, von wem auch immer der ausgeht, nach Möglichkeit verschont bleiben. Dies zu garantieren wäre die Aufgabe zivilisierter Staaten und Gesellschaften, doch die gibt es auf diesem Planeten nicht. Unmittelbar nach der Shoah, dem Völkermord an sechs Millionen jüdischen Frauen, Männern und Kindern, wurde sich die Welt dieses beklagenswerten Umstandes kurz bewusst und ließ die Gründung des Staates Israel zu. Es war ein Augenblick der Selbsterkenntnis, in dem die Weltgemeinschaft zugab, nicht nur bei der Verhinderung des Holocaust versagt zu haben, sondern auch nicht versprechen zu können, dass sich ähnliches nicht wiederhole. Die Gründung des Staates Israel war gleicheitig großartig und einer der traurigsten Momente der Geschichte. Großartig, weil die Sicherheit des jüdischen Volkes nun nicht mehr von der Großherzigkeit und den Stimmungsschwankungen anderer abhing und tief traurig, weil es das Eingeständnis der Welt war, Juden nicht ausreichend beschützen zu können oder zu wollen. Die Welt sagte: „Ja, wir sind Barbaren, wir können die Sicherheit der Juden nicht garantieren, aber zumindest sorgen wir dafür, dass die Juden beim nächsten Versuch, sie auszurotten, nicht wehrlos sein werden“. Und so wurde Israel die Steinschleuder, die David in die Hand nahm, nachdem sein Volk von den Goliaths dieser Erde fast ausgelöscht worden wäre.

Der Antizionist, der die Staatlichkeit israels ablehnt, ist zwingend auch Antisemit, da er die vernichtungsantisemitische Geschichte, die zur Gründung Israels hinführte, ebenso ignoriert wie das Weiterbestehen des Antisemitismus. Im freundlichsten Fall ist der Antiztionist naiv und träumt von einer Welt ohne Staaten, vom sozialistischen Utopia, aber auch diese Freundlichkeit ändert nichts am realen Antisemitismus, der sich darin äußert, die Entstaatlichung der Welt ausgerechnet mit jenem Land beginnen zu wollen, das das Land der Juden ist. Dass antiisraelische Stömungen derzeit weltweit die Oberhand gewinnen, ist weder ein Zufall noch liegt das an der Politik der israelischen Regierung. Die macht zwar viele Fehler und darf und sollte für diese Fehler auch kritisiert werden, doch allein mit Siedlungsbau und ähnlichem Firlefanz lässt sich nicht erklären, warum derzeit ein europäisches Parlament nach dem anderen einseitig und gegen die Warnungen von Expertinnen einen „Staat Palästina“ anerkennt und warum die akademische Elite, vor allem die junge, in Europa und den USA so antiisraelisch und damit antisemitisch eingestellt ist wie nie zuvor.

Wollen wir verstehen, was da vor sich geht, müssen wir zunächst eines festhalten: Antisemitismus war in seiner langen, blutigen Geschichte stets ein Gradmesser für den jeweiligen Stand im Kampf der Zivilisation gegen die Barbarei. Wo immer Juden verfolgt wurden, war die Gesellschaft rückständiger als dort, wo diese Verfolgung milder ausfiel oder zeitweise kaum stattfand. Und wo immer Juden verfolgt wurden, wurden auch andere verfolgt und unterdrückt. Antisemitismus war ohne Frauenunterdrückung, Homophobie, Behindertendiskriminierung, Intellektuellenfeindlichkeit und Antiziganismus nie zu haben. Wo viel Antisemtismus war, gab es stets einen Zug zum autoritären Staat, zu monarchischer Verkrustung, zu Faschismus. Antisemitismus gedieh umso besser, je weniger Freiheit war. Und all das das gilt uneingeschränkt auch heute. Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen dem wachsenden Antisemitismus im modernen Europa und dem anschwellenden, sich ideologisch strukturierenden und formierenden antifeministischen Backlash, dem salonfähig gewordenen Fremdenhass, der Verachtung von Roma, der wachsenden Ausgrenzung von Kranken und Behinderten und der Wiederkehr der Euthanasie in immer mehr Staaten. Dabei ist es völlig unerheblich, ob sich diese Symptome der Barbarei ein progressives Mäntelchen umhängen oder nicht. Wer zum Beispiel den Mord an Kranken legalisieren will, mag noch so sehr beteuern, es ginge ihm um reinste Nächstenliebe und die Linderung von Leid, in Wahrheit will er nichts anderes, als statt der Krankheit die Kranken zu eliminieren. Wenn die Stadtregierung von Marseille beschließt, dass Obdachlose ein gelbes Dreieck auf der Kleidung zu tragen hätten, hat das nichts mit der behaupteten „Hilfe“ für diese Menschen zu tun, sondern alles mit deren Stigmatisierung und Demütigung. Und wenn Österreich, Deutschland und die Schweiz sich weigern, Sonderstrafgesetze für psychisch Kranke und Sonderschulen für Behinderte abzuschaffen, liegt das nicht an den vorgeschobenen Motiven der Hilfe, sondern an einer zurückgekehrten bzw. nie überwundenen faschistischen Antimoral, die den „gesunden Volkskörper“ vor den „Kranken schützen“ will, in Wahrheit also an der Lust, Menschen für deren Persönlichkeitsmerkmale auszugrenzen und zu bestrafen, letztlich zu vernichten.

Wenn die europäischen Parlamente und Regierungen immer antiisraelischer werden und gleichzeitig auf Europas Straßen ungestraft Hitlergrüße gezeigt werden und Sprechchöre „Juden ins Gas“ brüllen können, wie das bei den israelfeindlichen Ausschreitungen im Sommer 2014 geschah, sind das keine unglücklichen Zufälle, sondern Anzeichen einer Rebarbarisierung Europas, die umso rascher voranschreitet, je heftigere soziale Verwüstungen die Wirtschaftskrise anrichtet, die wirklich zu bekämpfen den derzeit aktiven Politkerinnen Wille, Mut und Ideen mangelt.

Ship of leftist fools

Fidel Castro entsteigt wieder mal der Gruft und veröffentlicht in seiner Hauspostille Granma einen Kommentar mit dem Titel „Neue und widerwärtige Form des Faschismus“. Gespannt fängt man an zu lesen und fragt sich, wo der alte Fuchs den neuen, widerwärtigen Faschismus sieht. Er wird doch nicht etwa was über Ungarn sagen, wo der Wohlfahrtsstaat durch einen Zwangsarbeitsstaat ersetzt wird und radikaler Antiliberalismus und Antisemitismus en vogue sind? Oder schreibt er über Putins Russland, wo eine leckere Suppe gekocht wird mit Zutaten aus dem klassischen Faschismus, dem Totalitarismus der Stalin-Ära und Neonationalismus mit klerikaler Garnitur? Widmet Castro sich Erdogans Türkei, die gerade zu einer wirtschaftlich neoliberalen Religionsdiktatur umgebaut wird? Oder nimmt er die ISIS aufs Korn, diese radikalislamische Saubande, die mordend durch Syrien und Irak stapft und auf die die Zuschreibung „Faschismus“ ja wohl voll und ganz zuträfe?

Natürlich nicht, er schreibt über Israel und Gaza, und die Faschisten sind, so vermute ich (es geht aus dem Gestammel ja nicht eindeutig hervor), die Israelis. Ein wahrer Volltreffer. Klar, es gibt richtigen Faschismus in Aktion (ISIS), in halb Europa setzen neofaschistische Parteien zum Sprung an die Spitze der Staaten an, in einigen regieren sie schon und die Gesellschaften faschisieren sich schleichend durch die totale Vorherrschaft marktradikalen Denkens und Handelns, aber das hindert Castro und mit ihm die noch verbliebenen Idioten der KPÖ nicht daran, sich an Israel abzuarbeiten. Man möchte schreien angesichts dieser am laufenden Band gelieferten Offenbarungseide der verbliebenen Linken dieser Welt, die so dermaßen neben der Spur läuft, dass man sie nicht einmal mehr ruhigen Gewissens als „links“ einstufen kann. Noch vor wenigen Jahrzehnten hätte jeder sich selbst als links einordnende Mensch angesichts von Mörderbanden, die Menschen aus religiösen Motiven abschlachten und knechten, zum Kampf gegen diese aufgerufen. Heute, wenn in Gestalt der Hamas so eine Bande, die noch dazu im Grundsatzprogramm den Massenmord an Juden stehen hat, einen Terrorkrieg gegen die liberale Demokratie Israel führt, kommt im günstigsten Fall ein Äquidistanzgewäsch der Marke „alle sind gleich schuld, hört auf zu streiten“ heraus. Weite Teile der Linken erkennen nicht einmal mehr den reaktionären, klerikalfaschistischen Charakter der Hamas und die, die wenigstens das schaffen, wollen sich nicht dazu durchringen, dem vergleichsweise enorm progressiven Staat Israel gutes Gelingen im Kampf gegen die Terroristen zu wünschen. Stattdessen beschwert man sich über das Wahlverhalten der Israelis, weil die zum Teil rechte Parteien wählen statt zum Beispiel die antizionistischen, also der Auflösung des Staates Israels verpflichteten aktuellen Kommunisten dort.

In Tagen wie diesen merke ich, wie heimatlos ich politisch bin. Ich bin kapitalismuskritisch und halte das derzeitige Wirtschaftssystem für stark reformbedürftig. ich bin für mehr, für viel mehr Sozialstaat. Ich bin für die völlige Gleichberechtigung von Mann und Frau und für die Akzeptanz aller Lebensformen. Und so weiter und so fort. Ich bin eigentlich für fast alles, was gemeinhin als „links“ gilt. Aber wenn das nur zum Preis der Gesellschaft antisemitischer Deppen zu haben ist, die selbst dann noch gegen den Zionismus hetzen werden, wenn sie in ihren eigenen Ländern bereits die Stiefel der echten Faschisten im Nacken haben, dann weiß ich nicht, was ich mit solchen Leuten zu schaffen haben soll. Die sind nämlich offensichtlich zu dämlich, um eine wirklich emanzipatorische Politik jenseits von Floskeln und Dogmen zu machen. Es geht ja nicht allein um Israel und den Zionismus, es geht um viel mehr. Es geht um realistische Einschätzungen, um Analysefähigkeit und, ja doch, um Moral. Jene Sorte Linker, die Israel nicht mag, ist meist personalident mit der, die autoritären Varianten linker Politik gegenüber aufgeschlossen ist. Das sind also die, die nicht das Gefängnis abschaffen, sondern nur den Kerkermeister austauschen wollen. Das sind die, deren geistige Vorfahren schon Millionen Menschenleben am Gewissen hatten und viele weitere Millionen Gefolterte und Gefangene. Aber wenn die angebliche Befreiung nur so zu haben sein soll, also mit Antisemitismus und Gulag und Diktatur des Proletariats, dann kann sie mir gestohlen bleiben, weil sie nämlich keine ist.

Dawn of the antisemitic Dead

In Frankreich griffen vor ein paar Tagen tobende Mobs Synagogen an und brannten jüdische oder als jüdisch markierte Geschäfte nieder. „Kommt ausgerüstet! Granatwerfer, Feuerlöscher, Schlagstöcke. Besuch des jüdischen Viertels!“, hieß es zynisch in den Aufrufen zum Pogrom, das unter anderem von der Nouveau Parti ancticapitaliste organisiert wurde, einer trotzkistischen linksradikalen Kleinpartei. In Deutschland mobilisierte die Jugendorganisation der Partei „Die Linke“ für Demonstrationen, auf denen im tausendfachen Chor vor Synagogen „Jude, Jude, feiges Schwein – komm heraus und kämpf allein“  und „Adolf Hitler“ gebrüllt wurde und bei denen die Nazis der NPD mit Transparenten mitmarschierten, auf denen geschrieben stand: „Gestern Dresden, heute Gaza – Völkermörder zur Rechenschaft ziehen“. Nun sollte man annehmen, dass für jeden Menschen mit einem Rest von Anstand, Intelligenz und Geschichtswissen allein schon die Haltung der NPD ausreichen sollte, um in diesen Tagen eindeutig Partei für Israel zu ergreifen, doch stattdessen schalten große Teile der im weiteren und näheren Sinne linken Bewegungen in den Crazy-Modus, verbünden sich mit Nazis und national-religiösen arabischen Fascho-Gruppen und attackieren diejenigen, die den Irrsinn irre nennen, als „Rechte“, „Bürgerliche“ oder, in deren Terminologie noch schlimmer, „Liberale“.

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Wer nicht einmal dann aufwacht, wenn er sich mit echten Nazis auf derselben Seite findet, ist bereits tot und weiß es nur noch nicht. Er ist ein Zombie. Über Zombies wusste der Regisseur George A. Romero viel zu erzählen. In seinem Meisterwerk „Dawn Of The Dead“ flüchtet sich eine kleine Gruppe vor den lebenden Toten in ein Einkaufszentrum und hat dort unter anderem das Problem, dass die Zombies von dem Gebäude fast magisch angezogen werden. Die wandelnden Leichen strömen in Massen zur Shopping Mall, weil sie es früher, als sie noch Menschen waren, so gelernt haben und nun, von höheren Gehirnfunktionen abgeschnitten, nicht mehr anders können, als den einst eingeübten Verhaltensmustern zu folgen. Die internationale Linke verhält sich ganz ähnlich. Die orientierte sich, ob ihr das voll bewusst war oder nicht, stets mehrheitlich an Moskau, dem langjährigen Zentrum des Realsozialismus. Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg war die Sowjetunion eine starke Befürworterin eines jüdischen Staates auf dem britischen Mandatsgebiet Palästina, teils aus dem Kalkül, dadurch London zu schwächen, teils aus Überzeugung. Und so waren auch Linke in aller Welt mehrheitlich für den neuen jüdischen Staat, für den Zionismus. Doch als Moskau in den späten 50er Jahren und dann endgültig nach dem Sechs-Tage-Krieg voll auf eine pro-arabische Linie umschwenkte, schwenkten die Linken weltweit mit, ob sie nun Kommunistinnen waren oder Sozialdemokraten oder us-amerikanische Demokraten. Spätestens seit 1967 gehörte es zum guten innerlinken Ton, Israel nicht zu mögen und die „Palästinenser“, die erst kurz zuvor mit ebenfalls sowjetischer Unterstützung zu diesen mutiert waren (vorher waren sie schlicht Araber gewesen), mit Liebe und Solidarität zu überhäufen. Als dann der realsozialistische Block recht überraschend aufhörte zu existieren, konnte er in der Nahostfrage auch keinen neuerlichen großen Schwenk vollziehen, und so blieb auch die Linke der Welt der antizionistischen Position verhaftet und trottet seither, ganz wie Romeros Zombies, mit den einst einstudierten Parolen und verkürzten Zugängen zur Thematik durch die Straßen und zuckt nicht einmal zusammen, wenn daneben Nazis und Klerikalfaschisten marschieren.

In der „taz“ barmt derweil ein Stefan Reinecke: „Es muss in einem freien Land möglich sein, straflos das Existenzrecht Israels infrage zu stellen. Im Zweifel für die Meinungsfreiheit.“  Diese Meinungsfreiheit ist aber ebenso wenig gefährdet wie es gesetzlich verboten wäre, Israel das Existenzrecht abzusprechen. Natürlich ist es in Deutschland und Österreich sowohl gesetzlich erlaubt, als auch gesellschaftlich akzeptiert, den Zionismus abzulehnen. Aber zur Meinungsfreiheit gehört auch, dass man denen, die den Zionismus ablehnen, sagen darf, was man davon und von ihnen hält. Prinzipiell gilt: Wer den Zionismus ablehnt, kann das ohne Verdacht des Antisemitismus machen, solange er jede andere Form von Nation und Staat ebenfalls und mit der gleichen Inbrunst ablehnt. Aber für einen arabischen Staat anstelle des jüdischen zu sein und mit palästinensischen Nationalisten dafür zu demonstrieren, ist nichts als Antisemitismus in seiner reinsten Form. Ähnlich ist es mit der Kritik am Staate Israel und dessen Politik. Selbstverständlich darf man Israel und dessen politische Entscheidungen kritisieren. Und weil das so selbstverständlich ist, macht das auch fast jeder, sei er Hinz, Kunz oder Augstein. Aber auch hier gilt zu prüfen, ob der Kritiker seine strengen Maßstäbe auch an andere Nationen anlegt oder ob er sie exklusiv für Israel, den „Juden unter den Staaten“, reserviert hat. Ein antisemitischer Kern ist am Begriff „Israelkritik“ schon allein dadurch erkenntlich, dass es ein Wort dafür gibt. Es gibt keine „Deutschlandkritik“, keine „Jamaikakritik“ und keine „Indienkritik“, nicht als Begriffe. Hier wird also schon sprachlich der jüdische Staat aus allen anderen Staaten selektiert und entsprechend antisemitisch gefärbt ist die „Israelkritik“ dann meistens.

 

Droge Antisemitismus

Die Europäische Union hat durchaus ihre sympatischen Seiten. Der Abbau von Grenzen, die Niederlassungsfreiheit, ein übernationaler Rechtsstaat – lauter Sachen, die auch mir gefallen. Wenn es aber um Israel geht, sind dieselben Politikerinnen, die in Europa den Nationalismus abbauen wollen, wie auch viele „no border“-Aktivisten und „Kein Mensch ist illegal“-Verkünderinnen plötzlich von Grenzen und vom Völkischen wie besessen. Da wird jede Hausmauer, die einen Meter über die immer wieder beschworene „Grenze von 1967“ hinausragt, zum Friedenshindernis. Da wird jedes jüdische Kind, das außerhalb dieser Grenzen in der Region lebt, zum Besatzer. Da werden Farmen und Dörfer und die Menschen, die dort wohnen, plötzlich „illegal“. Da nimmt man es mit größtem Verständnis hin, wenn arabische Politiker verkünden, alle Juden hätten aus Judäa und Samaria zu verschwinden und ein künftiger Palästinenserstaat werde „judenfrei“ sein. Kurz: Sobald es um Israel geht, werden ganz andere Maßstäbe angesetzt als sonst und alle Sonntagsreden und liberalen Posen sind hinfällig.

Ich frage mich manchmal, wie es der durchschnittliche europäische Politiker oder die typische Palästina-Aktivistin schafft, den Zionismus abzulehnen, gleichzeitig aber arabischen Chauvinismus extremster Ausprägung gut zu finden, ohne dass dieser Widerspruch zu einem psychischen Zusammenbruch führt. Aber vielleicht täusche ich mich ja auch und diese Leute sind schon längst seelisch schwerst krank, aber gut geübt im Heucheln von Normalität und Gesundheit? Oder ist es so, wie Arno Gruen und Erich Fromm behaupteten, dass nämlich seelische Verkrüppelungen dermaßen weit verbreitet sind, dass der Wahnsinn als normal durchgeht und das Gesunde als krank gesehen wird? Wenn ich mir die europäische Nahost-Politik ansehe oder mit Pro-Palästinensern diskutiere, gewinne ich diesen Eindruck häufig. Sobald man Stehsätze und Null-Begriffe wie „Grenzen von 1967“, „illegale Siedlungen“, „Rückkehrrecht der Flüchtlinge“ usw hinterfragt und auf auf deren Realitätsgehalt abklopft, wird man von den meisten Gesprächspartnern fast mitleidig eingeschätzt als Irrer, der gerade behauptet hat, die Sonne sei gelb. Ja klar, die ist ja auch gelb, aber wenn die Mehrheit sagt, sie sei grün, dann hat der, der das bestreitet, einen schweren Stand. Psychologisiere ich hier zuviel? ich denke nicht, denn die Haltung vieler „Israelkritiker“ und Antisemiten ist nicht rational, ja nicht einmal halbwegs geistig gesund. Antisemitismus, und um solchen handelt es sich meistens bei ungerechtem und einseitigem Israel-Bashing, ist eine Krankheit, genauer: Eine Art Droge, mit deren Hilfe sich die seelische Zwangslage, ein falsches Leben zu führen, besser aushalten lässt. Diese Droge erlaubt es, die Zumutungen einer oft überfordernden Realität durch Schuldzuweisung zu mildern. Die Droge ist in verschiedenen Stärken auf den meisten Weltanschauungsmärkten zu haben, in der Hardcoreversion der Nazis, wonach an allem, was den Menschen quält, der Jude schuld sei, bis zu mit allerlei linksliberalem Brimborium gestreckten Formen, bei denen der Staat Israel an die Stelle des Juden tritt.

Ich übertreibe nicht, ich untertreibe wohl eher. Was sonst als Wahnsinn ist es, wenn, wie es mir kürzlich widerfuhr, ein Lateinamerikaner sich bitter darüber beschwert, dass sich immer mehr arabische Milliardäre in Südamerika als Oligarchen breitmachten, nur um dann zu einer langen antisemitischen Suada zu schwenken und „den Juden“ die Schuld an jedem Missstand zu geben? Das entspricht doch durchaus schon einem psychiatrischen Krankheitsbild. Antisemitismus ist immer wahnhaft, da er nicht die geringste Deckung durch die Realität hat. Die 15 Millionen Juden könnten die Geschicke der acht Milliarden nicht bestimmen und lenken, selbst wenn sie es wollten und versuchten. In Wirklichkeit gibt es auf diesem Planeten genau einen einzigen Kleinstaat, in dem Juden die Macht haben, und das ist Israel. Israelische Jüdinnen sind neben den Herausforderungen eines normalen Alltags damit beschäftigt, die Vernichtung ihres Staates abzuwenden, und sie werden dabei andauernd von europäischen und amerikanischen Politikern behindert. im Wahngebäude des Antisemiten aber wird von Jerusalem aus die Welt regiert. Und kein Gegenbeweis bringt den Antisemiten von seinem Wahn ab. Eben weil es ein Wahn ist und keine auf rationalen Überlegungen beruhende Meinung. Da dieser Wahn aber so weit verbreitet ist, wird er nicht als das behandelt was er ist, sondern gilt als akzeptable Realitätseinstufung. Als ich auf Facebook andeutete, mir mache das Leben zur Zeit nicht allzu viel Spaß, wurde ich gegen meinen Willen für eine Woche in die Psychiatrie verschleppt. Der Antisemit, der im Wirtshaus gegen Juden hetzt oder auf Facebook antisemitische Verschwörungstheorien verbreitet, ist vor solchen Zwangsmaßnahmen sicher.

Was hilft gegen Antisemiten? Waffen!

Zu den Dingen, die ich mir von einem Flaschengeist wünschen würde, falls ich mal einen fände, gehört, dass er die Juden so mächtig machen solle, wie die Antisemiten es von ihnen behaupten. Der Dschinn würde dann aus den weltweit 15 Millionen Jüdinnen und Juden 1,5 Milliarden machen, die Protokolle der Weisen von Zion in Realität verwandeln und Ariel Scharon wieder aufwecken. Leider gibt es keine Dschinns, und so bleibt einem bloß, mit den Zähnen zu knirschen, wenn Polit-Gangster wie der türkische Vize-Regierungschef Desir Atalay wider alle Logik und Evidenz behaupten, hinter dem, was ihnen nicht gefällt, steckte eine jüdische Verschwörung. Man muss versuchen, gelassen zu bleiben und es mit Humor zu sehen, wenn in Ägypten Regierung und Regierungskritiker dem jeweils anderen vorwerfen, im Dienste jüdischer Mächte zu stehen, und daran denken, dass dies halt arabische Folklore ist, so wie es seit Jahrzehnten zur Erzählung größter Teile der internationalen Linken und der Befreiungsbewegungen gehört, Israel als Unterdrücker und die Palästinenser als Unterdrückte wahrzunehmen. Die meisten Menschen sind dumm, weshalb das Erkennungsmerkmal der Dummheit schlechthin, der Antisemitismus, natürlich überall gute Karten hat und sich in den Hirnen auch dann festsetzt, wenn alle Fakten dagegensprechen, dass es irgendwie sinnvoll und rational begründbar wäre, Juden zu hassen. So gerne ich es sehen würde, dass die Antisemiten einmal, ein einziges Mal nur recht hätten, nämlich damit, dass die Juden ganz arg mächtig und weltbeherrschend seien: Es wird keine Gestalt aus einem arabischen Märchen kommen und mir meine Wünsche erfüllen, aber ich kann zumindest darauf hoffen, dass jene Jüdinnen und Juden, die in Israel wohnen, sich zu wehren verstehen. Und ich kann denen nur wünschen, militärisch immer so stark zu sein, jeden Versuch der Ausrottung im Ansatz zu unterbinden. Das ist die einzig richtige Schlussfolgerung, wenn man es mit der Ablehnung des Antisemitismus ernst meint. Wer gegen Antisemitismus und Antisemiten ist, muss befürworten und unterstützen, dass Juden zurückschießen können.

SPÖ will nicht beim Juden kaufen

Immer wenn die SPÖ Weltpolitik vortäuschen will, wird es peinlich bis unangenehm. Und immer, wenn die Ösi-Sozialdemokraten außenpolitisch dilettieren, fährt ihr Finger über die Weltkarte, an Dutzenden Diktaturen,  Hunderten Krisenherden, 50 Kriegen und 30 Hungersnöten vorbei und landet verlässlich auf dem winzigen Klecks namens Israel. 2010 konnte der Wiener Gemeinderat, ein geopolitisches Gremium eher untergeordneter  Wichtigkeit, nicht an sich halten und verfasste auf Initiative der SPÖ einstimmig eine Protestnote gegen das völkerrechtlich einwandfreie Aufbringen der Gaza-Blockadebrecherflotte durch die israelische Marine. Das geschah im vollen Wissen, dass es die Welt einen Scheiß interessierte, was Wiener Lokalpolitiker zu dieser Sache zu sagen hatten, aber SPÖ/ÖVP/FPÖ/Grüne wollten klar stellen: In Sachen Israelfeindschaft gibt es keine Parteien in Wien, sondern nur mehr Volksgemeinschaft. Die außenpolitische Sprecherin der SPÖ, Christine Muttonen, geht nun einen Schritt weiter und fordert eine gesonderte Kennzeichnung von Waren, die aus jüdischen Siedlungen in Judäa und Samaria stammen. Und wieder ist großer Schulterschluss, denn das von der ÖVP geführte Außenministerium ließ verlauten, man stehe so einer Kennzeichnungspflicht „aufgeschlossen gegenüber“. Das ist kein österreichisches Phänomen, in ganz Europa gewinnt die Boykottbewegung gegen Waren aus dem Westjordanland immer mehr an Boden.

Es gibt gute Gründe, die israelische Siedlungspolitik nicht für eine Sternstunde politischer Intelligenz zu halten. Ich persönlich meine, dass Jerusalem gut daran täte, große und strategisch wichtige Siedlungen im Rahmen eines Gebietstausches dem eigenen Staatsgebiet einzuverleiben, statt das Territorium mit immer mehr Kleinsiedlungen zu zersplittern. Das Vorhaben ganz rechter Kräfte in Israel, Judäa und Samaria langsam zu okkupieren, um dann eine Ein-Staaten-Lösung durchzudrücken, kann nicht gelingen, da dies, so man den jüdischen Charakter dieses Staates erhalten möchte, einen groß angelegten Bevölkerungsaustausch voraussetzen würde, der Israel in die totale Isolation zu treiben drohte. Einer Vertreibung der arabischen Bevölkerung würden weder die Nachbarstaaten, noch der Rest der Welt tatenlos zusehen, und wenn die Gebiete ohne vorherige Vertreibungen an das Kernland angeschlossen werden sollten, wäre es mit der jüdischen Majorität in Israel bald vorbei. Das zionistische Projekt drohte dann zu scheitern. Die Boykott-Kasper ignorieren aber eine ganze Reihe von Fakten, die nicht in ihr schlichtes Weltbild vom bösen israelischen Juden passen. Zuvorderst muss einmal mehr gesagt werden, dass die Siedlungen entgegen aller Behauptungen und entgegen der dauernden Wiederholung dieser Behauptungen in den westlichen Medien nicht „illegal“ sind. Das wären sie, würden sie auf einem existierenden Staat „Palästina“ errichtet, doch den gibt es bekanntlich nicht. Das Gebiet, um das es geht, wurde zwar 1947 von der UNO-Vollversammlung einem noch zu gründenden arabischen Staat zugesprochen, doch diese UN-Entscheidung wurde von den Arabern nicht anerkannt. Die haben es vorgezogen, gegen Israel noch am Tag von dessen Gründung Krieg zu führen, und im Rahmen dieses Krieges besetzte Jordanien Judäa und Samaria. Nach dem Sechs-Tage-Krieg zogen sich die jordanischen Streitkräfte aus dem Gebiet zurück. Seither war es unter israelischer Verantwortung, seit 1993 wird es zum Teil auch von der palästinensischen Autonomiebehörde verwaltet. Mehrere Anläufe zu einer Zwei-Staaten-Lösung scheiterten immer wieder vor allem an arabischen Maximalforderungen und an der Unfähigkeit der Palästinenser, für Sicherheit zu sorgen. Die Erfahrungen, die Israel mit dem Abzug aus dem Gazastreifen gemacht hat, der nach dem Rückzug der IDF und der Siedler zu einer einzigen großen Abschussbasis für Terror-Raketen wurde, waren auch nicht dazu angetan, sie im Westjordanland zu wiederholen. Die jüdischen Siedlungen sind also nicht „illegal“ oder „völkerrechtswidrig“, sie sind umstritten. Wie so viele andere Gebiete auf diesem Planeten, für deren Produkte die Frau Muttonen und die EU jedoch keine gesonderte Kennzeichnung verlangen.

Wir sehen: Die Lage im Westjordanland ist kompliziert und ganz sicher nicht ideal, aber sich ausgerechnet die dort hergestellten Produkte für einen Boykott auszusuchen, während die EU mit Waren aus Diktaturen und seit Jahrzehnten okkupierten Gebieten nicht das geringste Problem zu haben scheint, zeigt die Heuchelei hinter diesem erneuten Anlauf, die Konsumenten dazu zu bewegen, nicht „beim Juden“ zu kaufen. Und es verblüfft, wie einig sich Politikerinnen und Medien darin sind, den Juden alle Schuld an der vertrackten Situation im Westjordanland zu geben und nicht einmal auf die Idee kommen, dass die Weigerung der Araber, Juden in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft wohnen zu lassen, der eigentliche Skandal ist. Ich habe es schon mehrfach gefragt und ich frage es wieder: Weshalb unterstützt der Westen die nationalen Ambitionen der Palästinenser, wo die doch ganz offen sagen, sie würden, sobald sie ihren Staat hätten, keine Juden im Land tolerieren? Erst wenn dieser offene Antisemitismus der Araber verschwindet und sie sich dazu durchringen, jüdische Minderheiten ebenso zu akzeptieren wie Israel seit jeher seine arabische Minderheit, also eine zukünftige jüdische Minorität in einem Staat Palästina mit Wahl- und anderen Bürgerrechten ausstattet, kann sich Israel auf die Zwei-Staaten-Lösung einlassen. Bevor diese Minimalanforderung nicht erfüllt ist, ist es aberwitzig, von den Israelis zu verlangen, sie möchten doch bitte bei der Entstehung eines offiziell antisemitischen Staates aktiv mithelfen. Leider hält das die SPÖ und andere europäischen Parteien, die  bei der systematischen Diskriminierung der Roma in Mitteleuropa ebenso tatenlos zusehen, wie sie den Tod Tausender Flüchtlinge, die jedes Jahr im Mittelmeer ertrinken, aktiv mit zu verantworten haben, nicht davon ab, die Israelis zu ihrem Unglück zwingen zu wollen, natürlich stets mit dem Hinweis, dies sei doch nur zu ihrem Besten und man selbst sei ein ganz doll guter Freund Israels und lehne Antisemitismus strikt ab. Wenn es etwas zu boykottieren gäbe, dann wäre das in erster Linie dieser Stumpfsinn und die darin enthaltene verkappte Judenfeindschaft.