Zwischen dem 13. und dem frühen 17. Jahrundert wäre es, beginnend mit der Pariser Talmudverbrennung, einer Reihe von Päpsten und deren weltlichen Handlangern beinahe gelungen, das gesamte schriftliche Kulturgut der europäischen Juden zu vernichten. Immer wieder wurden ganze Wagenladungen jüdischer Literatur den Flammen übergeben. Bei der Bücherverbrennung am Wartburgfest von 1817 haben deutschnationale Burschenschafter unter anderem das Werk „Germanomanie“, eine Streitschrift des Schriftstellers Saul Ascher gegen den Antisemitismus, ins Feuer geworfen. Was die Nazis mit dem Schrifttum von Juden machten, darf als bekannt vorrausgesetzt werden. Soviel zur Chimäre von der „judäo-christlichen abendländischen Kultur“, von deren Existenz auch Leute überzeugt sind, die es besser wissen müssten, wie Ralph Giordano.
Welch Ungeistes Vorboten Bücherverbrennungen sind, wusste bereits Heinrich Heine: „Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen“. Was viele Halbgebildete freilich nicht wissen ist, dass der oft zitierte und so manches Mahnmal zierende Spruch sich auf die Vernichtung von Koranausgaben durch die christlichen (Wieder)Eroberer des muslimischen Granada bezog. Und hier kommen wir zur Gegenwart. Der Oberkommandant der NATO-Truppen in Afghanistan, US-General David Petraeus, warnt davor, dass die von der evangelikalen Kirche „Dove World Outreach Center“ geplante Koranverbrennung die Sicherheit der Truppen in Afghanistan sowie die Sicherheit von US-Bürgern weltweit gefährden könnte. Und er hat natürlich Recht. Besseres Propagandamaterial als Bilder und Filmaufnahmen von amerikanischen Christen, die das heiligste Buch der Muslime vernichten, können sich die islamischen Fundamentalisten gar nicht erträumen.
Der Fall ist nicht vergleichbar mit den dänischen Mohammed-Karikaturen oder anderen islamkritischen Kulturprodukten. Bücherverbrennungen waren, sind und werden immer vor allem eines sein: Ein Ausdruck der Barbarei. Im konkreten Fall senden christliche Barbaren ihren islamischen Gegenstücken eine symbolische Aufforderung zum totalen (Kultur)Krieg, westliche Apokalyptiker marschieren mit orientalischen im Gleichschritt religiösen Wahns. Die Aktion dieser evangelikalen Sekte ist bösartig und unverantwortlich. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Islamisten gar keiner zusätzlichen Provokation bedürfen, um den Westen zu hassen. Die hassen den Westen, solange dieser nicht nach dem Diktat der Scharia lebt, und die Freiheit jedes Menschen auf diesem Planeten ist gefährdet, solange die Plage des Djihadismus und des religiösen Fanatismus nicht beseitigt worden ist. Ich für meinen Teil möchte weder unter der Fuchtel islamischer Fanatiker leben, noch unter jener irgendwelcher anderen Fundamentalisten. Und Menschen, welche Bücher verbrennen, sind für mich Abschaum, ganz egal, welchen imaginären Freund sie haben.