Schlagwort: Psychiatrie

Geschlossene Gesellschaft – Neues aus den Irrenhäusern

Der Standard:

Ein junger Mann, der an einer paranoiden Schizophrenie leidet und deswegen in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen werden soll, sitzt seit vier Monaten unter fragwürdigen Bedingungen in der Justizanstalt Wien-Josefstadt, wo Anfang Juni über ihn die U-Haft verhängt wurde. Der psychisch Kranke ist wie ein „normaler“ Strafgefangener in einer Zehn-Mann-Zelle untergebracht. Einen Psychiater hat der Mann zuletzt am 23. Juni gesehen, bestätigte sein Rechtsbeistand Sven Thorstensen. Ob die Medikamente, die der 28-Jährige verabreicht bekommt, die optimale Wahl sind, ist unklar.

Abendzeitung: Der Bruder von Gustl Mollath ist tot. Wie der 70-Jährige ums Leben gekommen ist, wirft Fragen auf. Ebenso die Tatsache, warum der Mann ins Bezirksklinikum gebracht worden ist. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft. (…) Der zuvor in einem Nürnberger Altenheim lebende Mann habe unter anderem durch unachtsames Hantieren mit einer Zigarette einen Zimmerbrand ohne nennenswerte Folgen ausgelöst und sei sonst lediglich durch wenige Schwarzfahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln und einer Zechprellerei aufgefallen, die aber strafrechtlich nicht weiter verfolgt worden seien. Die Einweisung sei wie bei seinem Bruder Gustl durch die Nürnberger Justiz erfolgt.

Schwäbische: Da der 32-Jährige, der bei seiner vorläufigen Festnahme die Beamten beleidigte, einen psychisch auffälligen Eindruck machte, wurde er ins Krankenhaus gebracht. Der behandelnde Arzt wies den Mann anschließend in ein Zentrum für Psychiatrie ein. 

tz: (…) Seit Mittwoch sitzt er auf der Anklagebank des Landgerichts. Die Staatsanwaltschaft hat ihn wegen Betrugs in 58 Fällen angeklagt. Die Geschichte mit dem Erbe stimmte nämlich nicht ganz – etlichen Freunden hatte L. sie aber erzählt und sich Geld geliehen. Sie glaubten ihm. Zurückgezahlt hat Uwe L. aber so gut wie nie. Und verursachte so laut Anklage einen Schaden von insgesamt 285.265 Euro. (…) Ob er hinter Gitter oder in die Psychiatrie muss, ist noch unklar.

Merkur:

Jack P. wäre so gerne aus dem Isar-Amper-Klinikum gekommen. „Das Essen ist so grässlich“, klagte der 65-jährige Mannheimer am Rande seines Prozesses vor dem Landgericht München I. Doch die Richter ließen ihn in der Psychiatrie.Jack P. war bereits als Säugling mit sechs Monaten ins Heim gekommen. Einrichtungen dieser Art sollte er nie wieder verlassen. In Haar lebt er seit zehn Jahren. Versuche, ihn zu entlassen, schlugen immer wieder fehl. Weil er Geld brauchte, ging er stehlen.(…) Zuvor hatte dessen Verteidigerin noch heftig um eine Entlassung in die Freiheit gekämpft. Das Gericht aber entschied für die Unterbringung: Bei Einbruchsdiebstählen würden die Opfer oft schweren seelischen Schaden erleiden. Das war zwar in einem der angeklagten Taten nicht der Fall, ganz im Gegenteil: Ein Wohnungsbesitzer prügelte den Angeklagten krankenhausreif, als er ihn erwischte.

Volksstimme.de:  Die Experten des Psychiatrieausschusses haben bei 96 Besuchen in Einrichtungen zwei besonders eklatante Fälle ausgemacht: In einem geschlossenen Heim in Haldensleben hätten sie mehrere psychisch behinderte Patienten angetroffen, die dort ohne gültigen Unterbringungsbeschluss festgehalten wurden, berichtete der Ausschussvorsitzende Bernd Langer am Mittwoch in Magdeburg. Er überreichte den Bericht der Kommission an Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch (CDU). Es habe zu wenig Personal gegeben, der Zustand eines Gebäudes liege unter der Grenze der Zumutbarkeit. Die Heimaufsicht sei sofort eingeschritten, die Missstände seien zum großen Teil abgestellt worden. In einer kleinen Einrichtung für Menschen mit Mehrfachbehinderungen in Halle hätten die Experten Patienten gefunden, die „schlichtweg verwahrt“ wurden. Bei einem unangemeldeten Besuch im März hätten Kommissionsmitglieder viel zu wenige und nicht ausreichend qualifizierte Mitarbeiter getroffen. Es habe keine Angebote gegeben, die den Tag der neun Bewohner strukturiert hätten.

Inzest, Nekrophilie, Psychiatrie und der Sadismus des „Volksempfindens“

Wenn es um Sexualität geht, setzt der Verstand gerne aus. Das ist ganz angenehm für Menschen, die miteinander Sex haben, aber seit jeher höchst problematisch in der politischen Auseinandersetzung. Nach wie vor sind Sexualgesetzgebungen weltweit viel stärker an Traditionen und religiösen Wertvorstellungen orientiert als an den einzigen Maßstäben, die wirklich zählen sollten: Beruht eine sexuelle Betätigung auf der Freiwilligkeit aller Beteiligten? Sind die Beteiligten geistig reif genug, um zuzustimmen? Geht von der sexuellen Praktik eine konkrete Gefahr für konkrete Menschen aus? Jede andere Argumentation für Verbote und Gebote ist irrational und sachlich nicht zu rechtfertigen.

Die Vorsitzende der schwedischen Jungliberalen, Cecilia Johnsson, hat nun ganz bewusst mit dem Vorschlag provoziert, Inzest sollte für Menschen über 15 ebenso legalisiert werden wie der sexuelle Verkehr mit Toten, die vor ihrem Ableben ihre Zustimmung dazu gegeben haben. Die Gesetzgebung, so Johnsson, dürfe nicht „auf Ekel basieren“. Ganz absichtlich wählte die junge Politikerin Sexualpraktiken, die weithin tabuisiert werden und Ekel hervorrufen, denn nur so bringt man halbwegs intelligente Menschen dazu, ihre eigene Haltung zu überdenken und sich die Frage zu stellen: „Habe ich wirklich das Recht, andere Menschen zu kriminalisieren, nur weil ich deren Verhalten oder auch nur Fantasien ekelhaft finde, sie aber keinen Schaden anrichten?“

Bei Menschen, die nicht denken können, löst solch ein Vorstoß natürlich nur ablehnende Reflexe und zornige Bestrafungsfantasien aus. Die Leserinnen und Leser der „Krone“ zum Beispiel reagieren, wie man es von ihnen erwarten darf, nämlich wütend und voller Lust, die schwedische Nachwuchspolitikerin zum Schweigen zu bringen. Interessant sind aber nicht so sehr die Ablehnung und die Wut, sondern wie man sich eine „Bestrafung“ der Schwedin konkret vorstellt. Immer wieder taucht die Forderung auf, die Frau müsse in die Psychiatrie gesperrt werden, denn die Psychiatrie hat für das „Krone“-Publikum offenbar Strafcharakter und soll dazu dienen, Menschen mit missliebigen Meinungen ihrer Freiheit zu berauben und umzuerziehen. Dass Psychiatrie aber genau das nicht sein darf, leuchtet dem ungesunden Volksempfinden nicht ein. Dieses Volksempfinden verspürt große Lust an der Vorstellung, Menschen einzusperren und folterartigen „Behandlungen“ zu unterwerfen, wie sich Menschen, die keine Ahnung von Psychiatrie haben, diese halt ausmalen. Zu erkennen, dass genau das wesentlich „kränker“ ist, als eine Meinung zu sagen, wie unangenehm diese für einen im ersten Moment auch erscheinen mag, weil es von Sadismus und völlig übertriebener Straflust zeugt, ist eine Denkleistung, die sehr viele leider nicht zu erbringen im Stande sind.

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Total irre

Psychische Erkrankungen nehmen rasant zu und gelten mittlerweile als häufigster Grund für Krankenstände, Arbeitsunfähigkeit, Suizid und Kostenanstieg im Gesundheitssystem. Betroffenen wird geraten, möglichst frühzeitig Hilfe zu suchen und sich an Psychiater, Psychologinnen oder psychiatrische Kliniken zu wenden. Das wäre richtig und sinnvoll, wären damit nicht unabschätzbare Risiken verbunden, vor denen zu warnen leider verabsäumt wird. Wie die Dinge derzeit liegen, kann man Menschen mit seelischen Problemen nur davon abraten, sich zu outen und Ärzten anzuvertauen, denn hat man einmal den Stempel mit der Aufschrift „psychisch krank“ in der Akte, riskiert man nicht nur Stigmatisierung und Ausgrenzung, sondern noch viel mehr, seine Menschenrechte und seine Freiheit nämlich. 

Ich las gerade eine Story in der Nordwest Zeitung. In der deutschen Stadt Cloppenburg begeht ein junger Mann eine Serie von Diebstählen. Er knackt Umkleidekabinen auf und entwendet Handys. Eigentlich ein klarer Fall für das Gericht. Mehrere Einbruchsdiebstähle ergeben mehrere Monate Haft. Falls der Täter unbescholten ist, bedingt auszusprechen. Der Handydieb in Cloppenburg leidet aber an Schizophrenie, was ihm zum Verhängnis wird. Ein Psychiater wird hinzugezogen und unterstellt, dass „weitere schwerwiegende Taten“ zu erwarten seien. Das Gericht sieht eine „Gefährdung der Allgemeinheit“ und verhängt eine zeitlich unbegrenzte Unterbringung des jungen Mannes in der forensischen Psychiatrie. Für das Klauen einiger Mobiltelefone verliert der bedauernswerte Mensch nun vielleicht für immer, sicher aber für viele Jahre seine Freiheit. Korrektur: Nicht wegen der Diebstähle wird er eingesperrt, sondern für Taten, die er nie begangen hat, aber laut Gutachtermeinung vielleicht begehen könnte

Es ist Standard geworden, Menschen mit psychiatrischen Vorgeschichten aus dem allgemeinen Rechtsstaat auszusperren. Was einst gut gemeint war, nämlich psychologische und psychiatrische Aspekte bei der Schuldfindung und der Urteilsbemessung zu berücksichtigen, ist zu einem reinen Wegsperrsystem verkommen, zu einem, man muss es so hart ausdrücken, Terror-Instrument, das immer öfter dazu benutzt wird, die Gesellschaft von „Störenfrieden“ zu säubern. Und keiner soll meinen, das beträfe „nur“ schwere Formen psychischer Erkrankungen. Den Gerichten und den Gerichtspsychiatern ist es reichlich egal, ob in der Akte „paranoide Schizophrenie mit halluzinatorischem Wirklichkeitsverlust“ oder „Depression“ steht. Vorgegangen wird nach dem Maßstab „irre ist irre“. Wer in psychiatrischer Behandlung war oder ist, egal weswegen, muss damit rechnen, wegen Bagatelldelikten bestraft zu werden wie ein Schwerverbrecher. Sogar schlimmer als ein Schwerverbrecher, denn der kann sich in etwa ausrechnen, wann er wieder frei sein wird. Wer aber im „Maßnahmenvollzug“ landet, also in der Irrenanstalt für „geistig abnorme Rechtsbrecher“, wird jeder Rechtsssicherheit beraubt und kann, wenn die Ärzte das wollen, dort für immer festgehalten werden. Etwas Schlimmeres und Inhumaneres ist kaum vorstellbar. 

Neben dieser akuten Gefahr riskieren Menschen, die sich wegen psychischer Probleme behandeln lassen, auch die Entmündigung. Die heißt zwar nicht mehr so, wird aber umso häufiger verhängt. Immer öfter verlieren Menschen große Teile ihrer Rechte, weil sie zB im Streit um´s Sorgerecht für Kinder, im Zuge von Erbschaftskonflikten oder einfach nur aus Bosheit als „verrückt“ denunziert werden und willfährige Gerichte diese Leute unter Sachwalterschaft stellen. Zehntausende leben inzwischen als besachwaltete Menschen zweiter Klasse, die bei Anwälten oder Notaren, die ihre Bankonten ebenso unter Kontrolle haben wie die Entscheidung über Wohnsitz und Arbeitsplatz, um Taschengeld betteln müssen. Mit der Ausrede, helfen zu wollen, infantilisiert ein Apparat aus Sozialarbeitern, Richtern und Psychiatern immer mehr Leute aus immer geringfügigeren Anlässen. Oft reicht es bereits, alt und dadurch ein wenig langsamer als ein 20-Jähriger zu sein, um Teilen seiner bürgerlichen Freiheiten verlustig zu gehen. 

Einerseits ratifizieren die Regierungen Behindertenkonventionen der UNO und setzen langsam das Konzept der Inklusion durch, andererseits haben sie alle Fortschritte, die zB durch die Psychiatriereformen erreicht wurden, mittels der Psychiatriesierung des Strafrechts wieder rückgängig gemacht. Einerseits predigen sie frühzeitige Behandlung und Enttabuisierung psychischer Krankheiten, andererseits haben sie ein System aufgebaut, das Angst und Schrecken verbreitet und psychisch auffällige Menschen mit Entmündigung und sogar Einkerkerung bedroht. Einerseits reden sie alle davon, der immer weiter steigenden Zahl seelischer Erkrankungen durch Vorsorge und Behandlung zu begegnen, andererseits lassen sie die psychiatrischen Kliniken sträflich unterfinanziert, was dann zu skandalösen Vorgängen wie der Fesselung von Patientinnen und zur Unterbringung in Schlafsälen führt. Das passt alles nicht zusammen. 

Josef S. und die Freiheit

Das Wiener Landesgericht trägt im Volksmund den Spitznamen „Graues Haus“ und wer das Gebäude einmal gesehen hat wird bestätigen können, dass es das gut trifft. Vom Straßenniveau aus betrachtet völlig überdimensioniert wirkend steht es in der Stadt wie ein gigantischer rechteckiger Klotz mit der Ausstrahlung eines bürokratischen Monsters, das dem Betrachter die schmerzhaften Beschreibungen der donaumonarchischen  Beamtenteufel und ihrer Bauten durch Kafka und Musil ins Gedächtnis ruft. In diesem Grauen Haus, das schon architektonisch so wirkt, als wären die Nazijuristen nur auf Mittagspause gegangen und wo man, wenn man daran vorbeigeht, die Schreie der Eintausendeinhundertvierundachzig hier zwischen 1938 und 1945 Ermordeten zu hören meint, hat die österreichische Justiz am 22. Juli 2014 dem deutschen Studenten Josef S. und damit uns allen die Instrumente gezeigt. Durch keine Beweise und nur auf die sich widersprechenden Aussagen eines Zivilpolizisten begründet, verurteilte das Hohe Gericht den jungen Mann zu einer zwölfmonatigen Freiheitsstrafe, vier Monate davon unbedingt, nachdem man den Angeklagten ein halbes Jahr lang in Untersuchungshaft schmoren hatte lassen als sei er des Massenmordes verdächtig und nicht der Teilnahme an einer antifaschistischen Demonstration, bei der kein Mensch ernsthaft zu Schaden gekommen war. Josef S. hatte das Pech, als Demonstrationsobjekt für die Macht des österreichischen Staates auserkoren worden zu sein. Alles, was ihm angetan wurde, sollte den Bürgern und Bürgerinnen zurufen: „Seht gut her! das passiert mit euch, wenn ihr euch mit uns anlegt. Wir sind Richter und Staatsanwältinnen und Polizisten und Justizwachebeamtinnen und viele von uns sind Burschenschafter und FPÖ-Sympathisanten. Wer gegen Burschenschafter und andere Rechtsextreme demonstriert, demonstriert auch gegen die unsrigen, und das nehmen wir persönlich.“

Wie persönlich der Apparat die antifaschistische Demonstration nahm, zeigte sich an dem bedenkenlosen Umgang mit der persönlichen Freiheit von Josef. Man nahm sie ihm einfach ein halbes Jahr lang weg. Wer seine Freiheit noch nie verloren hat, kann nicht wissen, wie das ist, wenn man plötzlich in einen Raum gesperrt wird, dessen Tür sich nicht öffnen lässt, wenn aus relativer Autonomie völlig Abhängigkeit wird, wenn man nicht mehr telefonieren darf, nicht mehr ins Internet kann, nicht mehr auf die Straße gehen und überhaupt gar nichts mehr darf und kann, was man zuvor konnte und durfte. Nach wenigen Stunden, spätestens Tagen nach dem Zeitpunkt des Freiheitsentzuges zeigen die meisten Menschen, die das zum ersten Mal erleben, Symptome des Gefangenenkollers. Der Blutdruck steigt, das Herz rast, kalter Schweiß bricht aus, das Hirn arbeitet wie verrückt und versucht gleichzeitig, in eine Art Standbye-Modus zu schalten. Man will es nicht wahr haben, man hofft auf eine wundersame Befreiung, auf gnädige Haftrichter, auf die erlösende Aufklärung dieser Verwechslung, denn um eine solche müsse es sich zweifellos handeln, man hat doch nichts gemacht, zumindest nichts, was diese Qualen rechtfertigen könnte. Aber nichts passiert. Man passt sich an das Gefängnis an, landet mit einem Nervenzusammenbruch auf der Krankenstation oder knüpft sich aus dem Bettlaken eine Schlinge und macht ein Ende. Josef S. hatte bei all dem Grauen noch Glück, denn es gab draußen Menschen, die sich für sein Schicksal interessierten, die ihm schrieben, die über ihn schrieben, die sich solidarisierten. Fast alle anderen, die in das Räderwerk von U-Haft oder auch Zwangspsychiatrie geraten, stehen allein da, denn auch wenn sie Freundeskreis und Familie haben sollten, zeigt sich bei diesen meist die staatsbürgerliche Konditionierung. „Da wird schon was dran sein“, denkt man über den Freund, der im Knast gelandet ist, „denn ohne Grund sperrt unser Staat doch niemanden ein„. Und war diese Nachbarin, die von der Polizei in die Psychiatrie verbracht wurde, nicht immer schon ein wenig seltsam gewesen, ein bisschen auffällig und anders? Trug sie nicht Röcke, die farblich nicht zu den Socken passten? Man will ihr sicher nur helfen und wer weiß, vielleicht hätte sie mich eines Tages mit dem Beil erschlagen und aus meiner Haut ein Kostüm geschneidert? Man weiß ja nie bei diesen Irren.

Der Fall Josef S. sollte uns alle dazu bringen, das System, das wir ja mit zu verantworten haben, zu hinterfragen statt nur in einen antifaschistischen Reflex zu verfallen. Wir müssen darüber nachdenken, warum in einem Staat, in dem wir das aktive und passive Wahlrecht haben, die persönliche Freiheit von Menschen dermaßen wenig zählt, warum wir, wie ebenfalls in Wien geschehen, Menschen, die einem Politiker damit „drohen“, ihn von UFOs entführen zu lassen, in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher sperren, aus der dieser Mensch jahrelang oder überhaupt nicht mehr herauskommen wird. Wir müssen die Qualität unseres Rechtssystems hinterfragen, in dem es möglich ist, Demonstrantinnen monatelang einzusperren und in dem sich Psychiaterinnen zu Kerkermeistern auf-, nein, abgeschwungen haben. Wir müssen weg von diesen Ausreden und diesem Obrigkeitsdenken, diesem „da wird schon was dran sein“ und dem „na die meinen es doch nur gut“, wieder hin zu „unschuldig bis die Schuld bewiesen wurde“ und „im Zweifel für den Angeklagten“.  Und wir müssen lernen, die Freiheit als wichtigen Wert zu schätzen, denn das hat die europäische, vor allem aber die österreichische und deutsche Kollektivpsyche bis heute nicht geschafft. Statt der Freiheit ist die Sicherheit der Deutschen und Österreicher höchster Wert, und tatsächlich werden nirgendwo sonst auf der Welt so aberwitzig viele Versicherungsverträge geschlossen. Das Leben ist aber nicht sicher, ist es niemals, es ist kurz und kann jeden Augenblick vorbei sein, was den Raub von Lebenszeit durch Einsperren noch viel schlimmer macht.

Niemand ist frei

Wie die Wiener Wochenzeitung „Falter“ aufgedeckt hat, herrschen in Österreichs Gefängnissen teils zum Himmel schreiende Zustände.  Von Misshandlungen ist da die Rede und von Häftlingen, die man einfach in ihren Zellen „vergisst“, bis sie bei lebendigem Leib verfaulen. Das sind keine Anschuldigungen rachsüchtiger Ex-Knackis, sondern das geht aus internen Berichten der Justizvollzugsanstalten hervor. Dass unsere Gesellschaft Menschen, die ihr völlig wehrlos ausgeliefert sind, dermaßen schlecht behandelt, ist kein „bedauerlicher Einzelfall“, wie Politikerinnen solcherlei gerne zu kommentieren pflegen, sondern eine Folge der gesamtgesellschaftlichen Verrohung, die wiederum viel zu tun hat mit der Ökonomisierung aller Lebensbereiche und mit der Maul- und Denkfaulheit von im weitesten Sinne Linken und von liberalen Bürgerlichen, die keine Lust mehr zu haben scheinen, dem von Boulevard und Rechtsparteien immer wieder angestimmten Gejaule über die „Kuscheljustiz“ etwas zu erwidern. Dabei ist schon seit Jahrzehnten bekannt, dass ein humaner Umgang mit Strafgefangenen das Risiko erneuter Straffälligkeit senkt. Wer gefangene Menschen wie Tiere behandelt, züchtet Zeitbomben, die irgendwann hochgehen, während ein respektvoller, menschenwürdiger Umgang zumindest die Chance eröffnet, dass sich jemand tatsächlich bessert. Das ist keine Meinung, sondern eine durch zahlreiche internationale Vergleiche und durch etliche wissenschaftliche Versuche erwiesene Tatsache. Man könnte auch sagen, hier stehen Primitivität (Rachsucht, Sadismus) und Rationalität (Resozialisierung durch humane Behandlung) zur Auswahl, und eine feige Politikerklasse meint, das Volk sei halt primitiv, daher müsse man eine primitive Politik machen. Interessant ist, dass so viele Menschen es nicht einmal schaffen zu verstehen, dass ein humaner Strafvollzug in ihrem eigenen egoistischen Interesse wäre, denn hinter Gittern landet man schneller, als viele meinen, und oft genug auch unschuldig.

Strafgefangene sind nicht die einzigen, die unter der Brutalisierung der Gesellschaft leiden. Auch in den Psychiatrien wird seit einigen Jahren wieder verstärkt und wie selbstverständlich zu extremen Zwangsmaßnahmen wie Fesselung gegriffen, und es landen immer mehr Menschen aus immer lächerlicheren Anlässen für immer längere Zeit in den Irrenhäusern. Psychisch Kranke gehören zu den verwundbaren Segmenten der Gesellschaft, so wie Strafgefangene, Obdachlose, Bettlerinnen und andere ökonomisch Abgehängte, und daher spüren sie rascher und intensiver, wenn sich etwas verändert, wenn bislang halbwegs sicher geglaubte hart erkämpfte soziale und menschenrechtliche Standards wieder einkassiert werden. In Österreich wurde 2014 die Invalidenrente für alle Menschen unter 50, die nicht todkrank sind, abgeschafft. Die Folge ist nicht nur eine wirtschaftliche Präkarisierung von ohnehin schon meist ums finanzielle Überleben kämpfenden Menschen, sondern auch eine Art Abwertung seelisch Kranker, die sich, wie mir mehrere Leute erzählten, bereits bemerkbar macht in deutlich unfreundlicheren und raueren Umgangsformen der psychiatrischen Zunft mit den Patienten. Das ist nicht überraschend, sondern die ganz normale Folge einer Politik, die Menschen entwertet, indem sie sie für die Probleme der anderen verantwortlich macht. So wie Rechtspopulisten Verbrecher und Armutsmigrantinnen zu Sündenböcken machen, hat der österreichische Sozialminister Hundstorfer mehrmals betont, das größte Problem des Sozialsystems seien die Invalidenrentenbezieherinnen. Was nicht mal ansatzweise stimmte, aber ein prima Vorwand war für massiven Sozialabbau. Eiskalt wurde durch diese Politik die weitere Stigmatisierung kranker Menschen als Kollateralschaden mit einkalkuliert.

Rührt sich irgendein Widerstand gegen diese Entwicklungen? Nicht wirklich. Die Justizreformer der 60er und 70er Jahre sind ebenso ausgestorben wie die kritische Ärztinnen und Pfleger, die einst die Psychiatrie reformieren wollten. Heute sitzen fast überall mutlose und opportunistische Funktionsträger und Systemerhalter, die vielleicht mit den Zuständen, die sie täglich sehen und zu verantworten haben, nicht immer einverstanden sein mögen, dann aber nur mit den Achseln zucken, „was soll man machen“ murmeln und am Ende des Monats ihr Gehalt in Empfang nehmen. Der zunehmende Stress in Wirtschaft und Arbeitswelt führt zu Vereinzelnung und Entsolidarisierung, jeder will nur mehr sich selbst irgendwie durchschleppen, Interesse und Engagement für Schwächere bleibt kaum übrig. Begleitet wird das alles von einem völlig sinnentleerten Freiheitsgeschwafel, das nur mühsam eine Wirklichkeit überdecken kann, in der die Freiheit langsam ausstirbt. Niemand ist frei, wenn nicht alle von existenziellen Ängsten befreit sind. Niemand ist frei, wenn andere unfrei sind, und sei er Milliardär.

Willkommen in der Barbarei

Bis 2014 ging man in Österreich mit psychisch Kranken, die wegen ihres Leidens nicht oder nur sehr eingeschränkt arbeitsfähig waren, relativ human um. Es bestand die Möglichkeit, zumindest befristet eine Invaliditätspension zu beziehen. Nach langjährigen Erfahrungen mit oft qualvollen Therapien, den verschiedensten Medikamenten mitsamt ihren teils schwersten Nebenwirkungen und Aufenthalten in Psychiatrien und Rehabilitationskliniken bot diese Möglichkeit vielen Menschen eine Verschnaufpause zum Durchatmen und die Möglichkeit, mit der Krankheit leben zu lernen. In Würde und ohne unmittelbare Existenznot konnte man sowas wie ein „Recht auf Krankheit“ haben, denn nicht jeder psychisch Kranke empfindet seine Krankheit als so schlimm, dass er sich gleich eine Änderung seiner ganzen Persönlichkeit herbeisehnt, nur um wieder arbeitsfähig zu sein. Die Parteien ÖVP und SPÖ haben diese vor allem von Wirtschaftskreisen immer stark kritisierte Fluchtmöglichkeit aus dem kapitalistischen Arbeitszwang nun verbaut. Die befristete Invaliditätspension wurde abgeschafft und durch ein „Rehabilitationsgeld“ ersetzt, Menschen mit Beeinträchtigungen müssen jetzt dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und sich beim Arbeitsmarktservice melden, wo Angestellte, die naturgemäß psychiatrische Laien sind, sie weiter „betreuen“ und arbeitsfähig machen sollen. In der Praxis sieht das, wie der Verein VertretungsNetz schildert, so aus: Einer Patientin mit einer schweren rezidivierenden Depression mit psychotischen Symptomen wird während eines Krankheits-Schubes von der „Case Managerin“ empfohlen, „Bewegung gegen Depression“ zu machen. Weil die Frau das nicht kann, droht ihr die Behörde damit, das Reha-Geld zu streichen. Andere Betroffene berichten davon, dass man sie vor die Wahl gestellt habe, sich entweder nach einer Reha-Kur als „gesund und arbeitsfähig“ zu deklarieren, oder zum Aufenthalt in der geschlossenen Psychiatrie gezwungen zu werden. Viele psychisch Kranke erleben derzeit, dass ihnen das AMS alle Bezüge streicht, als „Sanktion“, weil sie Termine verpassen. Eine tatsächlich irrsinnige Situation. Die Regierung will Menschen zwingen, gesund zu werden, und wer zu krank ist, um die mit dem AMS-Regime verbundenen Termine und Untersuchungen einzuhalten, wird mit Existenzverlust oder Freiheitsentzug betraft. Ja, Existenzverlust, denn wenn die Bezüge als „Sanktion „gestrichen werden, ist kein Geld mehr da für Essen und Wohnung. Ja, Freiheitsentzug, denn Psychiatrien sind keine netten Sanatorien, wo man in Ruhe gesunden könnte, sondern Aufbewahrungslager für seelisch Abweichende, wo man in Mehrbettzimmern dahinvegetiert.

Die Öffentlichkeit und die politischen Parteien nehmen diese barbarische Entwicklung ohne Widerstand hin. Den gut klingenden Phrasen, wonach man den armen Kranken ja nur helfen wolle, wird blind Glauben geschenkt, da sich ein falsches mechanisches Bild von psychischen Erkrankungen durchgesetzt hat, wonach man den Betroffenen nur die richtigen Pillen und die richtige Psychotherapie geben müsse, und schon würden sie rasch gesunden. Wer dennoch nicht so gesund wird, um arbeiten zu können, gilt dann schnell als faul oder, was noch schlimmere Auswirkungen haben wird, uneinsichtig, weshalb man ihn zu seinem Glück zwingen müsse. Die asozialen Reformen der österreichischen Bundesregierung bringen Zustände wieder, wie man sie aus vergangenen Zeiten kannte: Psychisch Kranken wird ihr Recht auf ein Leben in Würde und Freiheit aberkannt, falls sie sich nicht ökonomisch verwerten lassen. Wer beim hektischen Hin und Her zwischen Arbeitssuche, Weiterbildungskursen, ständigen Arztterminen und Reha-Maßnahmen nicht mitmachen kann, wird zwangsbehandelt und entmündigt. Das Ende dieses Liedes wird sein, dass diese Menschen entweder unter massivester Medikamenteneinwirkung so weit scheinbar repartiert werden, dass sie doch irgendwie arbeiten können, in Psychiatrien und Heimen verschwinden oder als Obdachlose enden. Das ist zutiefst inhuman und eines der reichsten Länder der Erde unwürdig.

Genormte Gesellschaft

Als ich ein Kind war, traf man in jeder kleinen Stadt, ja in jedem Dorf auf Menschen, die nicht der Norm entsprachen: Down-Patientinnen, Schwerstalkoholiker, Müll hortende Messies, Einsiedlerinnen, Menschen mit kombinierten Behinderungen, seltsame Exzentriker usw. Wer heute durch die Dörfer und Kleinstädte geht bemerkt, dass diese Leute fast vollständig aus dem Ortsbild verschwunden sind. Unsere Hochleistungsgesellschaft hat die Störenden verschwinden lassen, natürlich nur zu derem Wohl, wie man uns versichert und wie wir es unhinterfragt glauben. Die, die noch vor gar nicht so langer Zeit durch ihre schiere Existenz in unserer Mitte Kontrapunkte setzten zum Einerlei der auf Leistung getrimmten Norm, fristen heute ihr Leben in Psychiatrien, Pflegeheimen und anderen Anstalten, die dazu da sind, uns die Zumutung der Andersartigkeit zu ersparen. Nach der Psychiatriereform Anfang der 80er Jahre war das kurzfristig anders, und ich erinnere mich noch gut an Politikeraussagen, die die Beschwerden jener Bürger, die sich von den vielen „Irren“, die plötzlich in der Öffentlichkeit zu sehen waren, belästigt fühlten, damit kommentierten, dass dies nun mal der Preis für die Reform der Wegsperrpraxis sei. Leise und von den meisten unbemerkt wurde die Reform wieder rückgängig gemacht, da die Bevölkerung nicht willens war, Andersartige zu tolerieren, geschweige denn zu akzeptieren. Heute landen mehr Menschen gegen ihren Willen in psychiatrischen Anstalten als jemals zuvor, und das Wegsperren geschieht schnell und reibungslos. In Deutschland (und in Österreich ist es ähnlich) wurden 2013 doppelt so viele Verfahren zur Zwangseinweiseung eingeleitet wie im Jahr 2003. Schon kleine Abweichungen im Verhalten können dazu führen, dass Menschen ihrer Freiheit beraubt werden, um sie zu „behandeln“. Das sollte allen, die anders sind als die Mehrheit, Angst einjagen. Zum Beispiel Schwulen, Lesben und Transgenderpersonen. Zwar scheint die Entwicklung gegnüber sexuellen Minderheiten in Richtung Toleranz und Akzeptanz zu gehen, doch beschränkt sich dieser Trend auf wenige Industrienationen. Global gesehen werden LGTB-People heute so scharf verfolgt und unterdrückt wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Und auch hier bei uns kann die Toleranz, die in Wahrheit nur in ökonomisch und edukativ besser gestellten Kreisen und auch da nur zum Teil geübt wird, sofort zu ihrem Ende kommen, wenn der Wind ein wenig rauer wird, und die Anzeichen dafür sind schon zu sehen. All die Sarrazins und Matusseks und Straches, die zur Zeit noch gerne für ihre Homophobie verlacht werden, könnten schon morgen das Sagen haben. Noch vergiften sie das Klima nur in Talkshows und Zeitungskommentaren und Bestsellern, aber in vielen Ländern stehen weit rechts stehende Parteien mit entsprechender Weltsicht kurz vor der Machtübernahme, und in der Ukraine hat die Europäische Union dabei geholfen, Menschen an die Macht zu bringen, die zuvor in paramilitärischen Einheiten Schwule und Lesben verfolgt haben. Der Normierungsdruck, der derzeit vor allem gegen psychisch abweichende Menschen aufgebaut wird, kann jederzeit auch auf LGTB-Leute ausgedehnt werden. Es ist ja zu bedenken, dass Homosexulität noch vor wenigen Jahren als „Krankheit“ in psychiatrischen Diagnosehandbüchern gelistet war.

Irre Zustände

Gegen 114.578  Menschen wurden allein in Deutschland im Jahr 2009 Verfahren zur zwangsweisen Unterbringung in psychiatrischen Kliniken eingeleitet. Für 96.000 von ihnen schlossen sich tatsächlich die Mauern der Irrenhäuser. Manchmal für Jahre, in einigen Fällen für immer. Entgegen allen Beteuerungen der psychiatrischen Zunft und der dieser Zunft weitgehend unkritisch gegenüberstehenden Politik ist der Bestrafungs- und Zurichtungscharakter der Psychiatrie offensichtlich, was allein schon am Sprachgebrauch  der Medien erkennbar ist. Beispielhaft hier ein Zitat aus dem „Merkur“: „Glimpflich ist für eine 52-jährige Hausfrau aus Weyarn ein Prozess vor dem Landgericht München II ausgegangen. Die Frau, die im April 2011 aufgrund schwerer psychischer Beeinträchtigungen ihr Zimmer in Brand gesetzt hatte, wurde nicht mit einer Einweisung in die Psychiatrie bestraft.“ Medien, die allgemeine Bevölkerung und natürlich Betroffene von Zwangsmaßnahmen schätzen die Psychiatrie völlig realistisch als Instrument ein, mit dessen Hilfe man Menschen, die nichts oder nur sehr wenig verbrochen haben, für Jahre oder Jahrzehnte verschwinden lassen kann. Vor allem die forensische Psychiatrie ist, wie der Bayrische Rundfunk treffend beschreibt, eine „Black Box“, in der unbeachtet von der Öffentlichkeit die Menschenrechte nicht gelten, Folter an der Tagesordnung ist und aus der es nur selten ein Entrinnen gibt. Nahezu jährlich erweitern die WHO und  American Psychiatric Association den Katalog an Verhaltensweisen, die als Symptome psychiatrischer Erkrankungen angesehen werden. Der Spielraum für das, was als „normal“ betrachtet wird, verengt sich also zusehends, und das kann katastrophale Folgen für diejenigen haben, die gegen ihren Willen psychiatrisch behandelt werden, denn wenn Psychiater lange genug fahnden, können sie mittlerweile so gut wie jeden Menschen zum „Kranken“ stempeln, dem man das Grundrecht auf Freiheit entziehen kann. Niemand soll denken, er oder sie wäre dagegen gefeit, in der Psychiatrie zu landen. Ein falsche Wort da, ein übereifriger „Helfer“ dort, und schon geht es in Polizeibegleitung ab zum Amtsarzt und von dort in die Klinik, wo man dann Ärzten, die mehrheitlich davon ausgehen, dass diejenigen, die zu ihnen gebracht werden, schon „irgendwas hätten“, beweisen muss, dass man weder sich, noch andere gefährden wolle. Und wehe dem, der eine Straftat begeht und bei dem das Gericht einen psychiatrischen Sachverständigen beizieht.

Hier ein winzig kleiner Auszug einer Recherche per Google:

Der Gießener „Linke“-Politiker Dennis Stephan sitzt 2013 monatelang in der forensischen Psychiatrie, weil er in seiner Wohnung ein paar Lappen verbrannt haben soll. 

Seit September 2013 sitzt die „Linke“-Politikerin Julia Bonk zwangsweise wegen „Eigengefährdung“ in einer psychiatrischen Klinik. 

Ein 26-Jähriger wirft mit einem Stein ein Fenster im Augsburger Dom ein. Er wird vom Gericht zu einer „dauerhaften Unterbringung in der Psychiatrie“ verurteilt, denn er habe durch „die Taten an sakralen Gegenständen das Sicherheitsempfinden der Allgemeinheit beschädigt“. 

Ein 28-jähriger Wiener „bedroht“ FPÖ-Chef Strache mit „Quanten-Raumschiffen“. Er wird in eine „Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher“ gesteckt

Nachdem ein aggressiv wirkender Mann Passanten in der Willi-Bredel-Straße am heutigen Vormittag, gegen 10.00 Uhr mit seinem Hund verängstigte, schritt die Polizei ein. Auch den Beamten gegenüber zeigte der offensichtlich verwirrte Schweriner eine äußert aggressive Haltung, so dass es während der Personalienfeststellung zur körperlichen Außeinandersetzung kam. Die Beamten mussten Pfefferspray einsetzen, um den Widerstand des 29-jährigen zu brechen. Bei der später durchgeführten Gewahrsamstauglichkeitsprüfung im Polizeirevier, wurde durch einen Arzt festgestellt, dass der Mann, der als BTM-Konsument bekannt ist, eine betäubungsmittelverdächtige Substanz bei sich führte. Weiterhin stellte sich heraus, dass er dringend psychiatrische Hilfe benötigt. Durch den Bereitschaftsdienst der Schweriner Berufsfeuerwehr wurde eine Zwangseinweisung in die Psychatrische Klinik angeordnet

Aus „Datum“: „Seit 17 Jahren ist B. kein freier Mann mehr. Der Grund dafür ist einer der Briefe, die er geschrieben hat. Er war gespickt mit Drohungen, es ging um Geld und um Kleidung, die ihm der Adressat angeblich immer noch schuldete. Ein Gericht befand damals, dass B. keine Schuld für den Drohbrief zugesprochen werden kann: B. ist in einem Wahnkonstrukt gefangen; er hält sich für den besten Sportkenner der Welt und glaubt sich in große, wichtige Geschäfte involviert. Er ist unzurechnungsfähig und damit nicht schuldfähig. Trotzdem ist er seit fast 20 Jahren eingesperrt. Denn das Gericht befand auch, dass von B. eine Gefahr ausgeht. Es verurteilte ihn nach Paragraf 21 Absatz 1 des Strafgesetzbuchs. Der sieht eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher vor, wenn „zu befürchten ist, dass er sonst unter dem Einfluss seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde“.

Beendet den Krieg gegen psychisch Kranke!

Gerichtsverhandlung. Ein 28-jähriger an Schizophrenie erkrankter Wiener stößt sich an antisemitischen und fremdenfeindlichen Postings auf der Facebookseite von FPÖ-Chef Strache und schreibt, wie er vor Gericht sagt, „blind im Zorn“ mehrere E-Mails an den Politiker, weil er er ihn dazu bringen will, „die FPÖ religiöse Werte zu lehren, dass nicht gehetzt wird bei ihm auf Facebook“. In den Mails „droht“ er Strache damit, ihm „Insektendrohnen mit Todesspritze“ oder „Quantenraumschiffe“ zu schicken. Der gebürtige Bosnier, als Kind vor den Kriegen in Ex-Jugoslawien geflohen, ist ein Fan von Star Trek. Die Staatsanwaltschaft fordert die Einweisung des Mannes in eine „Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher“. Die Geschworenen stimmen zu. Der Mann wird für viele Jahre, vielleicht für immer weggesperrt. Großes Aufatmen. Der gefährliche Irre wurde  rechtzeitig eingeknastet, bevor er seine Raumschiffe losschicken konnte. Wäre der Mann „geistig gesund“ und hätte Drohbriefe geschickt, hätte man ihn mit einer bedingten Haftstrafe und der Auflage, sich zu entschuldigen, nachhause geschickt. Er hat sich aber des verdammenswerten Verbrechens der psychischen Krankheit schuldig gemacht, daher wird er viel härter bestraft. In frühestens zwei Jahren wird ein Psychiater erneut über seine „Gefährlichkeit“ und damit über Psycho-Knast oder Freiheit entscheiden.

In Österreichs forensischen Psychiatrien sitzen hunderte Menschen, viele seit etlichen Jahren, und bei weitem nicht alle von denen sind Mörder oder Vergewaltiger. Viele  haben eine „gefährliche Drohung“ ausgestoßen oder jemanden belästigt. Das sind durchaus strafwürdige Delikte, doch sobald ein Täter das Etikett „geistig abnorm“ aufgedrückt bekommt, wird er nicht etwa milder, sondern wesentlich härter bestraft, eben durch Freiheitsentzug mit unbestimmter Dauer. Nach Erstellung einer „Gefährlichkeitsprognose“ wird er oft für Taten bestraft, die er nie begangen hat, aber nach Ansicht von Psychiatern begehen könnte. Ein menschenrechtlicher Skandal ersten Ranges, der aber nicht so viel Empörung verursacht, wie er sollte, weil es sich bei den Betroffenen ja nur um „Irre“ handelt. Die österreichische Bundesregierung hat angekündigt, den „Maßnahmenvollzug“ noch in dieser Legislaturperiode zu reformieren. Nicht nur soll künftig verhindert werden, dass psychisch Kranke wegen Bagatelldelikten jahrelang eingesperrt werden, auch die teils Menschen verachtende Sprache der Justiz will man entrümpeln. In der Tat erinnern Begriffe wie „geistig abnorm“ oder „seelische Abartigkeit“, derer sich Justiz und psychiatrische Sachverständige nach wie vor wie selbstverständlich bedienen, an finstere Zeiten, in denen sich diejenigen, die sich für „normal“ hielten, herausnahmen, die „Anormalen“ zu ermorden. Es ist höchst an der Zeit, dass der Umgang mit psychisch kranken Straftäterinnen gründlich neu geregelt wird. Der Zustand, dass Menschen nach kleinen und kleinsten Straftaten nur wegen einer attestierten geistigen Erkrankung für Jahre, ja manchmal für immer weggesperrt werden, muss so schnell wie möglich aufhören. Aus einem völlig überzogenen, von den Boulevardmedien angeheizten Sicherheitsbedürfnis ist ein Krieg gegen seelisch Kranke geworden. Es wird Zeit, diesen Krieg zu beenden.

Schluss mit der Psycho-Folter!

Zu den grausamsten Foltermethoden von Geheimdiensten und Unrechtsstaaten gehört es, die Opfer in enge Kisten zu sperren, um bei ihnen klaustrophobe Anfälle auszulösen. Diese Tortur gilt auch den Folterknechten als sowas wie die Ultima Ratio, wenn nichts anderes das erwünschte Ergebnis gebracht hat. Schlägen und Elektroschocks können viele widerstehen, in die Kiste will keiner zurück. Genau diese Folter wird auch bei uns, mitten in Europa, täglich angewendet, und zwar bei unbescholtenen Menschen. Drei Personen haben mir unabhängig voneinander erzählt, dass man sie in der Psychiatrie acht bis sechzehn Stunden lang ans Bett gefesselt habe. Alle drei haben mir sehr glaubhaft versichert, weder körperlich, noch verbal aggressiv gewesen zu sein. Alle drei waren wegen des Verdachts der „Selbstgefährdung“ zwangsweise eingeliefert worden. Ein falsches Wort zum falschen Menschen reicht aus und es kommt die Polizei, führt die angeblichen Selbstmordkandidaten einem alles abnickenden Amtsarzt vor und sperrt sie dann in der Klinik ein. Ist die Person alkoholisiert oder unterstellen die Ärzte eine „akute Selbst- oder Fremdgefährdung“, wird sie „fixiert“, wie es im Jargon heißt, also an Armen und Beinen gefesselt. Die folgenden Stunden beschreiben die, die es erklebt haben, als die Hölle auf Erden. Bei zwei der mir geschilderten Fälle löste die Fesselung Panikattacken schwerster Art aus, eine nie zuvor gekannte Beklemmung und reine Todesangst, begleitet von Herzrasen, Atemnot und allem, was dazu gehört. Und das die ganze Nacht lang. Alle drei mir bekannten Opfer erlitten zudem die Demütigung, nicht aufs Klo gehen zu dürfen. Sie mussten ins Bett urinieren. Alle drei sagten, ebenfalls unabhängig voneinander, dass sie lieber sterben würden, als jemals wieder eine österreichische Psychiatrie von innen sehen zu müssen. Und: Keine der drei Personen war zuvor „auffällig“ gewesen, geschweige denn aggressiv oder gefährlich. Das sind ganz normale Menschen mit Familien und Berufen, die nie jemandem etwas getan haben und in eine Krise geraten waren, die gar nicht mal eine besonders tiefe war. Dennoch hat man sie gefoltert. Eine in Wien, eine in Graz, eine in Klagenfurt. Man kann also sagen, ganz Österreich ist mit Folterpsychiatrie gut versorgt. Die Kliniken selbst streiten die brutalen Zwangsmaßnahmen gar nicht ab. Die seien „lege artis“ und leider notwendig, denn man könne ja nicht riskieren, dass sich jemand selbst verletze oder einen Mitpatienten oder das Personal. Und man tue das ja nicht gerne, habe aber zu wenige Mitarbeiterinnen. Sagen sie offen und schämen sich nicht dabei. Wenn Menschen gefoltert werden, weil der Staat zu geizig ist, ausreichend Pflegepersonal zu finanzieren, sollten Menschen mit Anstand doch sagen: „Nicht mit mir, ich arbeite woanders“. Doch alle machen sie mit und finden es in Ordnung, Menschen zu demütigen und zu quälen. 

Ich las gerade von den Hasenburg-Heimen im deutschen Brandenburg. Das sind Heime für „auffällige“ Jugendliche. Früher hätte man gesagt: Für schwer erziehbare Kinder. Die werden nun geschlossen, nachdem die Tageszeitung „Taz“ monatelang Missstand um Missstand aufdeckte. Zu den „Erziehungsmethoden“ zählte auch dort das Fixieren von Jugendlichen am Bett. Das führt zu der Frage warum die, die in Zwangseinrichtungen die Macht haben, so gerne zu dieser „Therapie“ greifen. Sowohl Heimkinder, als auch unfreiwillige Psychiatriepatientinnen sind Erzieherinnen und Pflegern bzw Ärztinnen ausgeliefert. Könnte es sein, dass mit der Folter des Fixierens, die ja gerne ganz zu Beginn eines Heimaufenthalts oder einer Psychiatrierung stattfindet, die Menschen gebrochen werden sollen? Will man auf diese Art brave und kooperative Insassen formen? Der Verdacht liegt nahe, denn die meisten, die die Psychiatrie schon am eigenen Leib erlebten, werden bestätigen, dass dort autoritäre Zustände herrschen, dass Widerworte nicht geduldet werden und die Patienten „Wie Kinder“ behandelt werden, was in unserer immer noch kinderfeindlichen Gesellschaft bedeutet, dass man sie nicht ernst nimmt und meint, sie zu „ihrem Wohl“ auch mal leiden lassen zu dürfen. Das Fesseln von Menschen ist eine Spielart der schwarzen Pädagogik, die durch Schmerzen abschrecken will. Dass dies immer noch Standard ist in unseren psychiatrischen Kliniken, ist eine Schande für die Gesundheitspolitik und für die ganze Gesellschaft. Und übrigens: In Österreich, dem Mutterland der Psychoanalyse, gibt es in den psychiatrischen Krankenhäusern keine Psychotherapie, zumindest keine, die die Bezeichnung verdient hätte. Es gibt so genannte „Morgenrunden“, die von Psychologinnen moderiert werden, wo die Patientinnen erzählen sollen, wie es ihnen denn gehe. Und es gibt die Ergotherapie, wo erwachsene Menschen mit Basteln, Zeichnen und Malen beschäftigt werden. Ansonsten gibt es den rein biologistischen und chemischen Ansatz, jedes Leiden auf ein Ungleichgewicht der Gehirnchemie zurückführen zu wollen und durch die Gabe von Drogen ausgleichen zu können. Ungefähr fünf bis zehn Minuten hat ein Psychiater während der Visite Zeit für den einzelnen Patienten. In diesen Minuten muss er über die Gabe von Drogen entscheiden, die fast alle auch heftige Nebenwirkungen haben können, von denen es nur wenige Wirkungsklassen gibt, die aber „durch die Bank“ verordnet werden. So kriegt der Angstpatient oft die gleiche Medizin wie die Essgestörte, die Tage ziehen sich dahin und abends geht man ins Fünfbettzimmer und versucht zu schlafen. Auch das ist Realität in Österreich: Für körperlich Kranke gibt es Zwei- und Dreibettzimmer, für seelisch Kranke müssen es Schlafsäle tun.

Die „Interessensvertretung sozialer Dienstleistungsunternehmen für Menschen mit Behinderungen“ hat heute in einer Aussendung kritisiert, dass in Österreich Menschen gegen ihren willen in psychiatrischen Einrichtungen festgehalten werden können. Sie hat weiters das System der Sachwalterschaft als veraltet bezeichnet. Rund 55.000 Menschen in Österreich fallen unter das Besachwaltungs-Regime und sind ihrer grundlegenden Rechte entkleidet. Wenn SPÖ und ÖVP schon meinen, bis Weihnachten über ein neues Regierungsprogramm verhandeln zu müssen, sollten sie die Gelegenheit wahrnehmen, eine Reform der unhaltbaren Zustände in den psychiatrischen Kliniken anzugehen und Menschen mit seelischen Einschränkungen ihr volles Menschenrecht zu gewähren. Folter, Zwang und Entmündigung müssen der Vergangenheit angehören!