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Tanz der Teufel -Sebastian Kurz, die Dämonen und das Böse

Wenn der österreichische Außenminister Sebastian Kurz Flüchtlinge auf griechischen Inseln in Internierungslager stecken will und diese sadistische Fantasie in jenem sanften Tonfall vorträgt, der die autoritäre Irrationalität als Produkt vernünftigen Denkens verkaufen soll, wird die systembedingt geförderte Bösartigkeit des politischen Personals, das die Interessen der Besitzenden je nach Klassenzugehörigkeit in Nuancen unterschiedlich gewichtet, am Ende aber stets volksgemeinschaftlich im Sinne eines Wohlstands-Wir vertritt, sogar für jene sichtbar, die sich mit der Realität dieser Welt aus Bequemlichkeit, Überforderung oder Selbstschutz nicht gerne befassen und daher ehrlich entsetzt sind, wenn sich diese Wirklichkeit so zeigt, wie sie ist. Menschen für ihr bloßes Sein, in diesem Falle für ihr Flüchtlings-Sein, in Lager zu stecken, ist längst kein Anfang mehr, den abzuwehren es gelte, sondern eine fortgeschrittene Eskalation des Autoritarismus, der seit den ersten Krisenzyklen des Kapitalismus die Menschheit so hartnäckig begleitet wie der Floh den Hund.

Die kurz´schen Internierungslager wären nicht einmal ein Bruch mit dem, was unsere Gesellschaften sind, sondern nur eine weitere Fortsetzung und allenfalls Zuspitzung der alltäglichen Barbarei, die als abendländische Zivilisation missverstanden wird. Das Aussortieren von Menschen aus dem zuvor konstruierten Kollektiv, um sie dann zu quälen und im Extremfall auch zu töten, hat in den postfaschistischen westeuropäischen Gesellschaften nie aufgehört, es trat bloß in einer quantitativ und qualitativ gemilderten Form auf oder wurde in die Ausbeutungsgebiete der sogannten Dritten Welt verlagert. Der Übergang von der massenhaft eliminatorischen Praxis der Nazis zur Nachkriegsdemokratie, die sich formal auf die Menschenrechte bezog, war kein so glatter und gut datierbarer, wie es die Schulbücher darstellen, sondern ein fließender voller Kontinuitäten. In österreichischen und deutschen Psychiatrien kamen noch bis in die 1950er Jahre hinein hunderte, vielleicht sogar tausende Menschen durch Mangelernährung und Misshandlung ums Leben, weil dort die Nazi-Ärzteschaft einfach ihr Programm der Vernichtung „unwerten“ Lebens unauffällig weiter umsetzte und lediglich auf den Einsatz der unmittelbar tödlichen Giftspritze verzichtete. Die Alliierten ahnten zunächst nicht, dass es neben den Konzentrationslagern noch andere Orte der Vernichtung zu befreien galt, und die Täter-Bevölkerung leckte die Wunden, die sie sich beim Umbringen und Foltern ihrer Opfer zugezogen hatte. Psychische Andersartigkeit, sexuelle Abweichungen von der Norm, Aufbegehren gegen die alltägliche und oft genug bis zum Mord gewalttätige Unterdrückung von Frauen – all das und mehr wurde bis in die 1990er Jahre hinein je nach Ausmaß und Auffälligkeit der Deviation mit Freiheitsentzug und Umerziehungsmaßnahmen sanktioniert und wird das teils bis heute. In den Waisen- und Erziehungsheimen prügelten und vergewaltigten Ex-Nazis und Geistliche massenhaft Kinder und Jugendliche, die Parlamente setzten sich bis zu 70 Prozent aus ehemaligen NSDAP-Mitgliedern zusammen und während die Hippies bei Konzerten tanzten, sperrten die irischen Christen Kate Millet ins Irrenhaus. In Spanien, Portugal und Griechenland lebte der offene Faschismus fort, in Lateinamerika putschte er sich mit Unterstützung westlicher Geheimdienste an die Macht. In der Sowjetunion und ihren Satelliten sorgte ein dröger Funktionärs-Staatskapitalismus für die erwünschte Ruhe über den Massengräbern des stalinistischen Terrors und hobelte konsequent und brutaler noch als in den westlichen Staaten alles weg, was aus der Masse hervorragte. In den Stellvertreterkriegen zwischen den USA und Russland starben Millionen und dabei kam alles zum Einsatz, was der Mensch sich an Inhumanität ausdenken kann.  Folterzentren, Todesschwadronen, Flächenbombardements, Todeslager… 

Es wäre grenzenlos naiv zu meinen, auf Basis dieser jüngeren Geschichte seit 1945 könne eine belastbare Zivilisation wachsen, ein verlässlicher Gegenpol zu barbarischen Regungen aller Art. In der Realität geschah das genaue Gegenteil, denn trotz gewisser Erfolge antiautoritärer humaner Bestrebungen lauerte nicht nur überall und immer die Reaktion auf jeden noch so kleinen Fortschritt. Die Praxis der Kapitalverwertung und der dazu notwendigen Dehumanisierung selbst schuf massenhaft Individuen, deren Ich mit den nicht immer bewusst erkannten, aber sehr wohl stets gefühlten und erlebten Widersprüchen nicht zurande kam und darauf mit verzweifelten Schutzversuchen reagierte. Der Linksterrorismus der 70er Jahre war ebenso ein Ausdruck dieser gescheiterten Versuche zur Selbstheilung des Leidens an einem Wahnsinn, der eben nicht im Individuum angelegt, sondern gesellschaftlich inhärent war, wie es der Islamismus und der neue Rechtsautoritarismus heute sind. Und weil es zum Scheitern verurteilte Versuche waren und sind, sind auch deren Resultate entsprechend beklagenswert. Immer muss jemand sterben oder wenigstens bekehrt werden, sei es der „Klassenfeind“, der „Ungläubige“, der „Muslim“ oder jeder, der anders ist als die Mehrheit.

Sebastian Kurz, mit dem dieser Text begann, ist ein sehr beliebter Politiker und er hofft, umso beliebter zu werden je destruktivere Vorschläge er macht. Das ist bei allen politischen Figuren zu beobachten, die dem global voranschreitenden Rechtsautoritarismus zugerechnet werden können. Immer wieder zu sehen ist, ob bei Donald Trump oder österreichischen Provinzkaspern, das Kokettieren mit dem „Bösen“, das bewusste Abgehen vom ohnehin nur symbolischen zivilisatorischen Konsens. Die Attraktivität des Bösen, des Dämonischen begegnet uns als populärkultureller Topos, wofür der Erfolg des Films „Das Schweigen Der Lämmer“ und vor allem seiner Fortsetzungen als anschauliches Beispiel herangezogen werden kann. Ein kannibalische Serienmörder wurde zum geheimen Helden Millionen von Kinobesuchern nicht trotz, sondern weil er eine Sehnsucht nach der Vorkultur, der Barbarei verkörperte und mit seinem luziden Charisma dem Publikum ein attraktives Angebot machte, nämlich das einer satanischen Schuldlosigkeit, eines Lebens ohne Reue und Gewissen in einer realen Welt, deren extreme Brutalität Menschen mit Fähigkeit zu Reue und Gewissen entweder in eine aufgezwungene Psychopathie treibt oder im klinischen Sinne verrückt macht. Und da das Böse, das Dämonische den Ruf hat, schwer zu widerstehen zu sein, ist die Ausrede für die Verbrechen, die zu begehen es einen ermuntert, auch gleich zur Hand: „Es war ein böser Mensch, der uns in Krieg und Völkermord getrieben hat, aber wir konnten nichts dafür, wir sind dem Teufel erlegen“. Dass der einzige reale Dämon, der einzige wirkliche Teufel der ist, der in Form der eigenen Destruktivität je nach Ausmaß der seelischen Beschädigung Teil der eigenen Persönlichkeit ist, sollte banal sein, ist aber ungeheuer schwer zu vermitteln. Und so ist leider zu erwarten, dass den Trumps und Kurzs und Straches und Erdogans niemand ernsthaft in die Parade fahren wird.