Was, liebe Leserinnen und Leser, gibt der gemeine Mitteleuropäer von sich, wenn er von Stromausfällen in den USA hört? Genau: Besserwisserische, meist mit Hohn unterlegte Kommentare über die angeblich so maroder Infrastruktur in den Staaten, und meist garniert der gemeine Mitteleuropäer das noch mit einer Prise Stolz auf das ach so perfekte Stromnetz in seinem/ihrem Land. Leider sieht die Wirklichkeit so aus, dass auch mitten in Old Europe, in Wien zum Beispiel, die Elektrizitätsversorgung zusammenbricht, wenn bei einer Hitzewelle mal ein paar Ventilatoren und Klimaanlagen mehr laufen als im Rest des zumeist kühlen Jahres. Putzig die Ausrede von „Wien Energie“: Nicht der Stromkonzern sei verantwortlich für die Blackouts, sondern „schadhafte Kabel“. Aha. Und nun, liebe Leser, machen wir ein Gedankenexperiment: Was würde wohl mit dem Wiener Stromnetz geschehen, wäre die Donaumetropole ähnlich flächendeckend mit Air Condition ausgestattet wie größte Teile der USA? Genau, die ach so großartige Elektrizitätsinfrastruktur würde unter der Last komplett zusammenbrechen.
Damit will ich jetzt nicht gesagt haben, dass die Infrastruktur in den USA eh supidupi wäre und ständig reibungslos funktionierte. Nein, natürlich liegt in vielen Gegenden Nordamerikas einiges im Argen, sind viele Netze veraltet, kommt es manchmal sogar zu verbrecherisch herbeigeführten Engpässen (siehe Enron und die kalifornische Energiekrise). Aber wie so oft, wenn es um die USA geht, käuen allzu viele Europäer bloß Vorurteile und halb verstandene Nachrichtenmeldungen wieder und sehen den Balken im eigenen Auge nicht.