Schlagwort: Wirtschaft

Obergrenzen und Idioten

Die Idiotie der derzeit Österreich regierenden ÖVP (die SPÖ existiert nur mehr als abnickende Kanzlerdarstellerpartei) kennt leider keine Obergrenzen. Da beschließt man, heuer nur mehr die Schnapszahl von 37.000 Asylanträgen zuzulassen, kommendes Jahr nur mehr 35.000 und im Jahr 2018 nur mehr 30.000 (und irgendwann keinen mehr?). Einmal ganz abgesehen davon, dass hier Völker- und Menschenrecht gebrochen wird, ist das ungeheuer dumm, denn was passiert, wenn Asylbewerber Nummer 37.001 ankommt? Knallt man den dann an der Grenze ab? Lässt man ihn in einem Niemandsland zwischen Österreich und einem angrenzenden Staat auf bessere Tage warten? Die Obergrenze wird nicht einhaltbar sein, ohne zu barbarischen Methoden zu greifen und dem Schlepperbusiness einen Boom zu bescheren, und dann wird die FPÖ antanzen und sagen: „Wir machen das“. Die Obergrenze ist also schon rein taktisch ausgesprochen blöd. Dass eine Obergrenze für Asylanträge völker- und europarechtswidrig ist, wird noch Konsequenzen der schauerlichsten Art haben. Wenn wir Völker- und Europarecht ignorieren, weil es „das Volk“ angeblich so will, dann können wir auch wieder die Todesstrafe und die Folter einführen. Anything goes. Die ÖVP will auch ganz dringend die Mindestsicherung für anerkannte Asylwerber (und damit für alle, da ja ein Gleichheitsgrundsatz gilt) senken oder am liebsten ganz abschaffen. Das kommt allen Ernstes von einer selbsternannten „Wirtschaftspartei“. Auch die SPÖ wird dabei mitmachen, hat sie doch selber bereits vorgeschlagen, die Mindestsicherung auf Sachleistungen zumzustellen.

Extra für die beiden Parteien, die Österreich gerade in den Abgrund regieren, und für die lieben fremdenfeindlichen Schreihälse da draußen habe ich ein paar Thesen zusammengestellt:

-Europa hat ein massives Problem mit einer immer älter werdenden Bevölkerung. Immer weniger wirtschaftlich Aktive müssen immer mehr Pensionisten versorgen. Europa bräuchte daher eine Verjüngung durch Zuwanderung wie einen Bissen Brot. Unter denen, die nach Europa fliehen, sind überdurchschnittlich viele junge und tatkräftige Menschen. Wer tausende Kilometer höchst riskanter Flucht auf sich nimmt, macht das nicht um danach Däumchen zu drehen. Der will was schaffen, will was arbeiten, was unternehmen.

-Zunächst kommen Asylsuchende und Migranten Europa teuer. Es dauert eine gewisse Zeit, bis die Schutzsuchenden und Zuwanderer die Sprache lernen und sich zurecht finden. Aber schon in dieser Zeit, in der sie ein Taschengeld und dann vielleicht die Mindestsicherung beziehen, sind sie Konsumenten. Sie brauchen Lebensmittel Kleidung, Wohnraum und alles das, was man halt so braucht und haben will. Die Folge: Der Konsum steigt massiv an. Das schafft dann direkt Arbeitsplätze. Die Wirtschaft samt den Arbeitsplätzen ist nicht so, wie das eine zunehmend idiotischer werdende Öffentlichkeit glaubt, nämlich ein immer gleich groß bleibender Kuchen, der kleiner wird, wenn mehr Leute von ihm naschen wollen. Die Wirtschaft wächst mit der Zahl von nachfragenden Konsumenten. Mehr Nachfrage = mehr Wirtschaft = mehr Arbeitsplätze. Und nur so werden wir unseren Wohlstand erhalten können.

-Wäre es so, dass Einwanderung die Wirtschaft schwächt und Arbeitsplätze gefährdet, dann wären die USA, seit jeher das Einwanderungsland Nummer 1, niemals zur Weltmacht aufgestiegen.

-Statt hirnrissige Obergrenzen einzuführen bräuchten wir eine gesamteuropäische Asylpolitik und eine Zuwanderungsstrategie. Es ist ein Irrsinn, dass gerade jene Teile Europas, die wirtschaftlich am Boden kriechen, sich am heftigsten gegen Einwanderung wehren. Gerade die brauchen neuen Schwung durch eine steigende Bevölkerungszahl. Dennoch fährt die ganze europäische Politik in die Gegenrichtung und steuert damit auf einen Crash zu, der wohl unweigerlich zum Zerfall der EU und dann zu neuen innereuropäischen Verteilungskriegen führen wird.

-Die sozialen Sicherungsnetze müssen nicht ab- sondern ausgebaut werden. Nur so kann die andauernde und sich, worauf alles hindeutet, massiv verschärfende Wirtschaftskrise überstanden werden, ohne dass es zum völligen Zusammenbruch kommt. Nur so können wir die Chance, die die Zuwanderung darstellt, auch nützen. Wer nichts hat außer ein paar Essensmarken (Modell Mindestsicherung a la ÖVP und jetzt auch SPÖ), versinkt in Lethargie und Passivität. Und muss ein würdeloses Leben fristen. Wir können uns gut ausgebaute Sozialstaaten selbstverständlich leisten. Noch nie gab es dermaßen viele Millionäre und Milliardäre wie jetzt, nie war die Wirtschaft produktiver. Es ist eine Frage des politischen Willens, sonst gar nichts.

Letzte Chance Europäischer New Deal

Es gibt nichts zu beschönigen oder zu beschwichtigen: Die Machtübernahme der Rechtsextremisten ist in fast ganz Europa in Vorbereitung oder sogar im Gange. Und auch dort wo sich das nicht so unmittelbar abzeichnet wie in Frankreich, Österreich oder Ungarn arbeiten demokratische Parteien durch die Zuspitzung kapitalistischer Verhältnisse an Zuständen, die sich vom Faschismus nicht mehr so deutlich unterscheiden, wie sie es sollten. Eine Chance gäbe es noch, das abzuwenden, eine letzte Chance, bevor Marine Le Pen und ihresgleichen die Grenzbalken wieder runterklappen, die Industrien verstaatlichen und letztendlich die Armeen aufeinander hetzen: Ein europäischer New Deal muss her! Alle nicht rechtsextremen Parteien (wie auch die nicht linksextremen) müssten sich europaweit dazu bekennen, dass jeder Mensch ein Recht auf Existenz, Unterkunft, medizinische Versorgung und ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Teilhabe hat, dass eine europaweite Wohlfahrtspolitik an die Stelle der gegenseitigen Konkurrenz um die niedrigsten Löhne und die schlechtesten Sozialstandards tritt und dass eine solidarische europäische Wirtschaftspolitik den Egoismus vornehmlich deutscher Konzerne und Banken ersetzt. Eine gewaltige Anstrengung, aber eine machbare und lebensnotwendige. Die Kalkulation der derzeitigen politischen und wirtschaftlichen Eliten, wonach man aus Europa eine zweite USA machen könne, wird sich als Fehlberechnung herausstellen. Die Europäer sehen den Klassenkampf von oben nicht als unabwendbares Schicksal oder gar als exzellente Übersetzung der angeblich darwinistischen menschlichen Natur in Politik, sie lesen nicht Ayn Rand und sie werden nicht stillhalten, wenn man ihnen die Lebensgrundlage nimmt. Europäer haben eine Tradition von Gewalt und Krieg und Umsturz, die kein anderer Kontinent hat. Werden sie zu sehr und zu lange bedrängt, wollen sie Blut sehen. Zunächst das Blut von Wehrlosen und Minderheiten, dann jenes von Sündenböcken aus den Eliten und schließlich jenes ihrer Nachbarvölker. Wenn die nationalistische Rechte die EU erst zertrümmert hat, nachdem diese durch soziale Verwüstungen sturmreif geschossen wurde, wird es keine friedliche Rückkehr zum Status ante Brüssel geben, sondern zum Scheitern verurteilte ökonomische Experimente, und nach deren Scheitern das Hervorkramen alter Rechnungen und schließlich militärische Aktionen. Dieses Mal mit nuklear bewaffneten Heeren. Die, die uns derzeit regieren, wollen das nicht sehen. In Österreich dackeln SPÖ und ÖVP Deutschland hinterher. Angela Merkel in Deutschland meint, in ihrem Kurs bestätigt worden zu sein, schließlich hätte sie ja gerade erst Wahlen gewonnen. Sie vergisst, dass es sich um deutsche Wahlen handelte, ihre Politik aber in ganz Europa Menschen betrifft.

Arbeitszeit und Arbeitsleid

Als ich kürzlich einem Bekannten davon erzählte, dass sich der Unternehmer Robert Hartlauer die Einführung des 15-Stunden-Arbeitstages vorstellen kann, meinte der bloß: „Kann ich mir nicht nur vorstellen, sondern praktiziere das auch oft. Nicht selten freiwillig“. Dieser Bekannte ist Technikjournalist und Sachbuchautor, single, hat keine Kinder und arbeitet von Zuhause aus. Seine empathalielose Ichbezogenheit steht nahezu exemplarisch für die Entsolidarisierung, die unsere Gesellschaften plagt und die dazu führen wird, dass letztlich fast alle schlechter leben werden statt besser. Aussagen wie die meines Bekannten hört man besonders oft von Managern, Unternehmern, Kleinselbständigen, Funktionären und Politikerinnen, von Leuten also, die davon überzeugt sind, sie arbeiteten härter als alle anderen, seien wichtiger als andere und ihr Wirken sei ein unersetzbarer Segen für die Welt. In der Tat haben diese Menschen meist lange Tage und kurze Nächte, arbeiten also intensiv, doch sieht man genauer hin, wie diese Arbeitstage aussehen, zeigt sich, wie anders diese Art zu arbeiten ist als jene des unselbständig Beschäftigten. Diese Leute sind meist weit weg von dem, was man gemeinhin als Arbeitsleid bezeichnet, also Entfremdung, Unterordnung, Stechuhren, Mobbing, schlechte Bezahlung und so weiter. Diejenigen, die gerne und oft erzählen, sie arbeiteten 18 Stunden täglich, vergessen meist ganz absichtlich zu erwähnen, dass sie dazu auch jede Art von „Arbeitsessen“, Businesstermine in der Sauna, Geschäftsabschlüsse im Puff, das Vögeln der Sekretärin, Dienstreisen in der ersten Klasse und Gespräche mit dem Psychiater rechnen. Sie sagen auch nicht gerne, dass sie meistens nicht pendeln müssen und wenn, dann mit einem Dienstwagen samt Chauffeur, und dass sie Bedienstete haben und Kindermädchen und Putzfrauen. Natürlich gilt das nicht für alle, die mit langen Arbeitszeiten prahlen, denn mein Eingangs erwähnter Bekannter ist eine dieser Ich-AGs, die sich immer wieder mal selbst ausbeuten (müssen), um über die Runden zu kommen, und die keineswegs in Geld schwimmen. Aber auch dieser Bekannte kann sich mal für 20 Minuten aufs Ohr hauen, wenn ihm danach ist, sich ein Brötchen holen oder einen Kaffee trinken gehen oder die Glotze anmachen. Das kann der Verkäufer bei Hartlauer nicht. Der steht jetzt schon acht Stunden lang im Laden, macht dazu zwei Überstunden täglich und verbringt oft noch weitere zwei Stunden mit Pendeln. Der kann nicht mal eben den Arbeitsplatz verlassen, um eine Runde zu Knacken oder sich massieren zu lassen. Für den gehen wirklich rund zwölf Stunden des Tages nur für die Arbeit als unselbständig Beschäftigter drauf. Zieht man acht Stunden Schlaf ab, bleiben ihm dann noch vier Stunden, die er seiner Familie oder seinen anderen Interessen widmen kann. Eine blöde Sache für diejenigen, die den Sinn des Lebens nicht darin sehen, anderen Menschen Brillen und Fotoapparate zu verkaufen. Das Bemerkenswerteste ist aber, dass so vielen Leuten mittlerweile dann, wenn die ÖVP oder der Herr Hartlauer längere Arbeitszeiten fordern, nicht einfällt zu sagen, dass das in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit unglaublich frech und falsch ist, nein, sie zucken bloß mit den Schultern und meinen: „Na was soll´s ich arbeite ja auch oft sehr lange“.

Kluge vs. dumme Sozialisten

Kluge Sozialisten wollen das: Gute Arbeitsbedingungen. Akzeptable Löhne. Eine soziale Absicherung für Alte, Kranke und Arbeitslose. Medizinische Versorgung für alle. Ausreichend und leistbaren Wohnraum. Kostenlose oder möglichst erschwingliche Bildung. Eine Steuerpolitik, die  Investitionen begünstigt, Hortung benachteiligt, Erben belastet, Neuunternehmer entlastet und die Kaufkraft stärkt. Gleiche Rechte für Frauen. Abbau jener bürokratischen Hindernisse, die Unternehmertum sinnlos behindern oder verunmöglichen. Freie Bauern, die das produzieren, wovon sie selber am besten wissen, dass es sinnvoll ist. Nationalismus und Antisemitismus bekämpfen.

Dumme Sozialisten wollen das: Planwirtschaft. Verstaatlichung aus Prinzip. Verteilung von Land an Leute, die von Landwirtschaft keinen Schimmer haben. Aufgeblasene Bürokratien, die jede Eigeninitiative im Keim ersticken. Nationales Gedöns und antisemitisches Geraune. Verherrlichung von Militär und Machismo.

In Venezuela regieren dumme Sozialisten.

Ein Sozialismus, der es nicht fertig bringt, die Menschen mit ausreichend Klopapier zu versorgen, hat keine Existenzberechtigung.

Brennende Lunten

Sie reden sich ja selber alle um Kopf und Kragen, unsere großartigen Anführer und Technokraten, man muss sie nur plappern lassen und zuhören. Guy Ryder, Chef der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), hat der Tageszeitung „Die Presse“ ein aufschlussreiches interview gegeben, das die Desorientierung und das intellektuelle Elend der Gewerkschaften in voller Pracht aufzeigt. Da sagt Ryder, der sein ganzes Leben lang Gewerkschaftsfunktionär war, zunächst „Ich fürchte, wir haben sehr lange Zeit zu wenige Jobs“ und „Sorry, unter den heutigen Umständen werden wir nie genug Jobs für alle haben.“ . Dann meint er: „Wir müssen die Abhängigkeit von der Wohlfahrt reduzieren und Druck ausüben, damit Menschen Arbeit annehmen“,  um schließlich  zu frohlocken: „Um Menschen in Beschäftigung zu halten, machen sie (die Gewerkschaften, Anm.) mitunter große Zugeständnisse bei den Löhnen.“ Weil es zuwenig Jobs gibt und es nie genug Jobs geben wird, sollen die Leute halt gezwungen werden, die Jobs, die es gar nicht gibt, um weniger Lohn zu machen. Das ist dermaßen hirnrissig und offensichtlich falsch, dass hinter solch verqueren Gedankengängen nur eines stecken kann: Ideologie. Dieselbe Ideologie, die davon ausgeht, man müsse die Reichen nur immer reicher machen, dann werde für den Rest der Bevölkerung schon was abfallen. Thatcherismus und Reaganomics halt, die geistige Pest aus den 80er Jahren, die mittlerweile auf dem ganzen Planeten wütet. Am interessantesten ist aber wohl Ryders folgende Aussagen: „Ich hätte 2007 nie gedacht, dass knapp 60 Prozent Jugendarbeitslosigkeit ohne Revolution möglich ist. In Griechenland sehen wir genau das.“

Griechenland hatte 2007 eine Schuldenquote von 104 Prozent. Das war hoch, aber viel niedriger als zum Beispiel in den USA (150 Prozent) oder Japan (250 Prozent). Als dann die Ratingagenturen beschlossen, die Geldgeber Griechenlands in Panik zu versetzen, hätte ein Satz von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy gereicht, um die Katastrophe, die dann folgte, abzuwenden. Die beiden hätten nur zu sagen brauchen: „Die Europäische Union wird die Liquidität jedes ihrer Mitgliedsstaaten garantieren“. Das passte aber ideologisch nicht ins Konzept. Statt europäische Solidarität zu üben, Eurobonds auszugeben und damit auch die eigenen Märkte zu schützen, ließ man lieber Griechenland und später halb Südeuropa verelenden, nahm schulterzuckend die Rückkehr von Hunger und Not nach Europa hin, predigte völlig verzweifelten Menschen weiterhin Verzicht und dachte wohl, die Vernichtung des Wohfahrtsstaates sowie die Reduzierung der Löhne auf Hungerniveau würden auf fast magische Weise die Volkswirtschaften gesunden lassen. So denken und handeln keine Politiker, denen es auch nur im Entferntesten um das Wohlergehen der Europäerinnen geht, so denken und handeln konservative Ideologen, beschränkte Möchtegern-Thatchers und Büttel des Kapitals. Während die mutwillig herbeigeführte Krise weiter wütet und ihre Opfer unter den Arbeitnehmern Europas fordert, wurden und werden die reichsten Mitglieder unserer Gesellschaften immer reicher. Während die EU Garantien für Banken in vierstelliger Milliardenhöhe rasch beschloss, dauerte es Jahre, bis man sich darauf einigen konnte, in den Kampf gegen die wahnwitzige Jugendarbeitslosigkeit ganze sechs (6) Milliarden Euro zu investieren. Immerhin dämmert es inzwischen einigen Politikern auf dieser Welt, dass der Austeritätswahnsinn uns alle in den Abgrund reißen wird, aber die deutsche Kanzlerin kämpft zusammen mit ausgerechnet China weiter dafür, die Wirtschaft und damit Europa kaputt zu sparen. Deutschland will schon wieder gegen die USA und Frankreich seine Politik und seine Weltsicht durchsetzen und allen anderen aufzwingen, koste es, was es wolle, auch wenn Europa dabei zu Bruch geht. Merkel zieht ihr Ding durch, setzt weiterhin voll auf ihre nationalistische Vorstellung von Konkurrenzfähigkeit und wird das so lange machen, bis die ach so tolle deutsche Exportindustrie mangels Kunden pleite sein wird.

Warum machen Merkel  & Co das, kann man sich fragen. Warum steuern die sehenden Auges auf eine neue Weltkatastrophe zu? Ich denke nicht, dass da eine Verschwörung am Werk ist. Es ist einfach nur Beschränktheit. Politiker wie Merkel fühlen sich niemandem verpflichtet außer den reichsten Teilen der Gesellschaft. Warum? Weil sie entweder so blöd sind, die neoliberalen Stehsätze und Kindermärchen zu glauben, oder weil sie einfach nur bestechlich sind. Die ganze Politik, die in Europa seit 30 Jahren gemacht wird, zielt darauf ab, Privatvermögen zu steigern mit der absurden Hoffnung, diese Vermögenssteigerungen würden in die Realwirtschaft zurückfließen. Wenn man aber zulässt, dass Vermögen jenseits aller Relationen größer werden, dann fließt dieses Kapital nicht in neue Industriebetriebe, sondern in Wörtherseevillen und Drittwohnsitze und Gold und Diamanten. Und das passiert natürlich verschärft unter Krisenbedingungen. Wer in einer Krise reich(er) wird, wird das Kapital in Sicherheit bringen wollen, statt es in die Realwirtschaft zu stecken. Und anstatt dem gegenzusteuern wurde fast die ganze europäische Steuerpolitik so umgestaltet, dass nicht investiertes Vermögen kaum mehr einen Anreiz dazu hat in etwas anderes gesteckt zu werden als in Luxuszeug wie Reitställe, Yachten und junge Liebhaber(innen). Während sich in Spanien Menschen umbringen, weil sie ihre Miete nicht mehr zahlen können, boomt eine groteske Luxusbranche, die so sinnvolle Sachen wie mit Swarowski-Kristallen behübschte Mineralwasserflaschen an die gelangweilte Nobelkundschaft bringt.

Ich habe nichts gegen Reichtum oder gegen reiche Leute. Allerdings stimmen die Relationen nicht mehr. Eine Krise, in der die Reichen immer reicher und alle anderen ärmer werden, ist keine Wirtschaftskrise, sondern eine Verteilungskrise, die zu einer Nachfragekrise werden muss. Das ist letztlich für alle schlecht, auch für die, die derzeit noch davon profitieren, denn irgendwann bricht dieses Pyramidenspiel zusammen und dann explodiert der Kessel, und dann nützen den Reichen ihre Leibwächter auch nicht mehr viel. Nur weil Guy Ryder, Merkel und die andere Politiker mit Wohlwollen sehen, dass 60 Prozent Jugendarbeitslosigkeit nicht zur Revolution geführt haben, heißt das noch lange nicht, dass die soziale Ordnung nicht schon morgen zusammenbrechen kann. Revolten und Revolutionen kommen ganz plötzlich und nie dann, wenn man sie erwartet hat. Die ganze Palette ist möglich, von arabesken Massenprotesten über richtig brutale Umstürze bis hin zur Machtergreifung faschistischer Gruppen. Wer genau hinschaut sieht, dass für alle diese Möglichkeiten bereits Vorbereitungen laufen. Und wenn dann ein autoritärer Führer an den Schalthebel sitzt möchte ich sehen, wie die finanzielle Elite zu dem „nein“ sagen wird, wenn der einfach Umverteilungen und Investitionen dekretiert. Wer nicht spurt, wird sich sehr schnell hinter Gittern wiederfinden, so wie man es jetzt schon in Russland und China sehen kann, und dann, bei Wasser und Brot, wird es zu spät sein, sich darüber zu ärgern, dass man Politiker unterstützt hat, die die Bevölkerung so lange gepiesackt haben, bis die sich in ihrer Not an Leute gewandt hat, die endlich Abhilfe, wenn auch eine brutale und undemokratische, von diesen Zuständen versprochen haben. Die Lunte brennt jedenfalls, und wenn die Wut wirklich mal durchbricht, wird keine Polizei und kein Rechtsstaat mehr da sein, um die Wütenden von Lynchjustiz und Raubmord abzuhalten.

Das Kapsch-Prinzip

Wenn Industrielle etwas fordern, weiß man, welcher Sermon zu erwarten ist: Arbeitszeit rauf, Sozialstandards und Löhne runter, mehr Flexibilität (der Arbeitnehmer) und Deregulierung (bei den Arbeitnehmerrechten). Das ist so alt wie unoriginell, wird aber immer wieder gerne vorgetragen, sobald sich Zuhörerinnen finden. So fordert der Präsident der österreichischen Industriellenvereinigung, Georg Kapsch, eine Erhöhung der täglichen Höchstarbeitszeit auf zwölf Stunden, ohne sich zu schämen, denn er weiß ja, wie das so läuft in diesem Land: Er fordert zwölf Stunden, die Gewerkschaft sagt „njet“, man verhandelt und am Ende kommen elf Stunden raus. Kapsch zufrieden, Verhandler der Gewerkschaft zufrieden, Presse zufrieden, Arbeiter ausgequetscht. Das geht so lange weiter, bis ein paar Arbeiterinnen mal auf die Idee kommen, ein paar Kapschs abends zu besuchen und mit ihnen die Sache mit den Arbeitsbedingungen unter vier Augen und bezeugt von den Herren Heckler & Koch in Ruhe zu bereden. Danach ist die herrschende Klasse erfahrungsgemäß eine Zeit klang wieder ein bisschen vorsichtiger. Nicht, dass ich das gut fände, aber so ist es leider.

Womit der Herr Kapsch recht hat, ist die Sache mit der Überregulierung in Österreich. Nicht was Arbeitszeiten und andere Arbeitnehmerrechte betrifft, die sind echt schon flexibel genug, um auch noch den dümmsten Unternehmer Gewinn machen zu lassen. Nein, wirklich überreguliert ist das Gewerberecht. Es läuft etwas fundamental falsch, wenn eine Unternehmerin ein Cafe aufmacht, dort aber keine selbst gebackenen Kekse verkaufen darf, weil sie keine Bäckermeisterin ist. Nicht der Kunde und das Gesundheitsamt fällen also ein Urteil über die Kekse, sondern die Konkurrenz der Unternehmerin, die Bäckerinnung und die Wirtschaftskammer, und das ist im Wortsinn tiefstes Mittelalter. So lange es diesen überholten Gebietsschutz, diese zünftische Illiberalität gibt, braucht mir ein Herr Kapsch nichts von Überregulierung am Arbeitsmarkt zu erzählen. Da soll er mal besser den Unternehmermarkt deregulieren! Das, so meine ich behaupten zu dürfen, würde mehr Arbeitsplätze schaffen, als jene, die bereits einen Job haben, länger arbeiten zu lassen. Vielleicht entsteht ja sogar ein Arbeitsplatz, der dessen Inhaber ermöglicht, das Zeug zu kaufen, das ein Herr Kapsch produziert. Nur für den Fall, dass es Kapsch nicht wissen sollte: Seine Arbeiterinnen und Angestellten werden nicht mehr Kapsch-Zeugs kaufen, weil sie länger arbeiten. Wenn mehr Leute in Arbeit kommen, also zum Beispiel, weil die Kapsch-Arbeiter kürzer hackeln, ist die Chance schon größer, dass die Binnennachfrage steigt. Aber das ist nur so dahergesagt, besser wird es sein, wir wenden das Kapsch-Prinzip an und denken uns, Kapitalismus funktioniert so, dass man seine Arbeiter mehr und mehr auspresst und hofft, dass die weltweite Konkurrenz diese tolle und originelle Idee nicht hat. Ja, das ist sicher ein bisschen dumm und kurzsichtig, aber wer bin ich, die güldenen Ideen eines Präsidenten anzuzweifeln?

Partei der Arbeit

Die österreichischen Sozialdemokraten plakatieren derzeit besonders originell, die SPÖ sei „die Partei der Arbeit“. Nicht der Arbeitnehmer wohlgemerkt, nein der Arbeit selbst.

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Ich will nun gar nicht lange darüber grübeln, ob es moralisch vertretbar ist, nachdem Millionen unter dem Motto „Arbeit macht frei“ ermordet wurden, weitere Millionen sich in den sowjetischen Gulags zu Tode schuften mussten und heute, da ich das schreibe, Hunderttausende in chinesischen, nordkoreanischen und anderswo stationierten Arbeitslagern um Würde, Gesundheit und Leben gebracht werden, sich „Partei der Arbeit“ zu nennen. Nein, sowas zu behirnen erwarte ich mir von Sozialdemokraten gar nicht, das wäre ja, als verlangte man von einem Fünfjährigen, über Nietzsche zu referieren. Was ich aber sehr wohl fordere ist, dass die Sozialdemokratie einmal darüber nachdenkt, ob es noch sehr sinnvoll ist, in einer Zeit, in der die klassische Existenz sichernde Lohnarbeit langsam aber sicher zu einem Minderheitenprogramm wird und immer mehr Menschen von ihrer Arbeit nicht mehr leben können oder erst gar keine Arbeit finden, sich als Interessensgemeinschaft einer schrumpfenden Schicht von Arbeitsplatzbesitzerinnen zu positionieren.

Das Beharren der Sozialdemokratie auf einer Definition von Arbeit, die erst im 20. Jahrhundert entstanden ist und die immer seltener zutrifft, weil sich der Produktionsprozess immer mehr von der Nachfrage nach Arbeitskraft entkoppelt, ist bemerkenswert kurzsichtig. Durch den technischen Fortschritt und andere Optimierungsmaßnahmen sinken die Lohnstückkosten immer weiter. Das ist gut für den Profit, aber schlecht für die Menschen, die auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft angewiesen sind. Die Verkäufer von Arbeitskraft sehen sich einer sich ständig zuspitzenden Nachfragekrise gegenüber, die zu bekämpfen den sozialdemokratischen Parteien derzeit im besten Fall nichts anderes einfällt, als den Arbeitskraftverkäuferinnen Ratschläge und Hilfestellungen dabei zu geben, ihr Produkt, also sich selbst, zu verbessern und konkurrenzfähiger zu machen. Das ist kurzfristig gesehen auch okay, ändert aber nichts am Grundproblem, dass unseren Gesellschaften schlicht und einfach die Arbeit ausgeht. Diesem Problem lässt sich nun auf zwei Arten beikommen, auf eine humane und eine unmenschliche. Die unmenschliche Lösung, die derzeit von so gut wie allen politischen Parteien Europas vorangetrieben wird, ist, das Humankapital so lange zu entwerten, bis es für die Fabriksherren wieder interessant wird, Menschen statt Maschinen arbeiten zu lassen und in Europa statt in Asien zu produzieren. Dieser Ansatz läuft darauf hinaus, dass in absehbarer Zeit überall Bangladesh oder Indien sein wird. Das geht, von den menschlichen Tragödien einmal abgesehen, ökonomisch nur so lange gut, bis die globale Nachfrage einbricht, was bei einem weltweiten Lohn- und Sozialdumpingwettbewerb keine Frage des „Ob“, sondern nur eine des „Wann“ ist, woraufhin die schrecklichste Form der Krisenbekämpfung, der Krieg, eine immer näher rückende Möglichkeit wird.

Der menschliche Weg wäre eine Lösung des verfluchten Knotens, der derzeit das ökonomische Überleben des Einzelnen wie auch der Sozialstaaten mit der Erwerbsarbeit verknüpft. Wenn die Profite steigen, die sozialen Sicherungssystem aber nicht mehr leistbar scheinen, da diese sich zu 95 Prozent aus der Besteuerung von Arbeit und aus mit Arbeit verbundenen Versicherungsleistungen speisen, muss das Verhältnis zwischen Arbeit, Einkommen und Kapital neu gedacht werden. Wenn immer mehr Menschen von einem 45-Stunden-Job nicht mehr leben, sondern nur mit Müh und Not überleben können, und wenn immer mehr Menschen gar keine Arbeit mehr finden können, ist das Gerede von Arbeit als wichtigstem aller Ziele obsolet geworden, denn Arbeit ist kein Selbstzweck, den zu erreichen und zu behalten auch dann erstrebenswert ist, wenn er den Menschen nicht mehr ernähren kann. Wenn Arbeit nicht zu haben ist oder nur zu einem inakzeptablen Preis, dann müsste eine Sozialdemokratie, die dem Humanismus verpflichtet ist,  ein neues Konzept denken, das die Teilhabe aller Menschen an einem menschenwürdigen Leben ermöglicht, statt, was seit Gerhard Schröder und Tony Blair leider Unsitte geworden ist, die im Produktionsprozess überflüssig gewordenen Massen zu piesacken und zu entwürdigen. Es bräuchte eine völlig neue Art der sozialen Absicherung, die den Menschen nicht nur unter Vorbehalt der Existenzvernichtung das nackte Überleben sichert, solange sie beim absurd gewordenen Spiel der Selbstoptimierung mitmachen , sondern sie bedingungslos vor dem totalen Absturz bewahrt. Und diese neue Art der Existenzsicherung kann nur das bedingungslose Grundeinkommen sein, welches dem Menschen aus einem einzigen Grund zugestanden wird: Weil er ein Mensch ist und man Menschen nicht verelenden lässt und ihnen nicht die Würde nimmt.

Natürlich tut sich die Sozialdemokratie schwer, die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens zu akzeptieren, eben weil sie sich als „Partei der Arbeit“, sprich der Arbeitsplatzbesitzer sieht, und seit Jahrzehnten gewöhnt ist, jedes soziale Problem nur aus der Perspektive von Arbeitnehmerinnen und Arbeitgebern zu sehen. Die SPÖ zum Beispiel hat einen riesigen Apparat aufgebaut, bestehend aus Gewerkschaften, Arbeiterkammer, Arbeitsämtern, Weiterbildungsinstituten und Think Tanks, der schon aus Gründen der Selbsterhaltung der dort Beschäftigten, die zum großen Teil auch das Personal und die Wählerschicht der SPÖ stellen, gar nicht anders kann, als stur an der Erwerbsarbeit als einzig legitimem Mittel der Überlebenssicherung festzuhalten. Dieser Apparat lebt im Wortsinn davon, dass sich nichts ändere an der zentralen Stellung von Arbeit in unserer Gesellschaft, und wie alle Apparate ist er unbeweglich und störrisch und ignorant. Aus diesem Apparat stammen traditionell viele Spitzenpolitiker der SPÖ, was bedeutet, dass diese Politiker nicht daran interessiert sind, Veränderungen herbeizuführen, die Teile dieses Apparats womöglich überflüssig machen könnten. Hinzu kommt ein immer noch wirkender Bezug der Sozialdemokratie auf die dem 19. Jahrhundert entstammende marxistische Einteilung der Gesellschaft in das nützliche schaffende Proletariat auf der einen und die „Schmarotzerklassen“ auf der anderen Seite, wobei schon Karl Marx selbst zu letzteren die Arbeitslosen und die sozial Unangepassten gezählt hatte. Diese Vergötzung des Arbeitsplatzbesitzers ist ein bis heute weiter wirkender Grund, warum Sozialdemokraten und Gewerkschafterinnen sich für Menschen ohne Arbeit nicht wirklich zuständig fühlen und immer noch alles daran setzen, dass Menschen „in Arbeit kommen“, auch wenn sie von dieser Arbeit gar nicht mehr existieren können oder es diese Arbeit gar nicht mehr gibt.

Natürlich gibt es noch weitere Motive für die Ignoranz der Sozialdemokratie gegenüber den neuen sozialen Herausforderungen und für die Rolle, die Sozialdemokraten bei echten sozialen Verschlechterungen spielen. Ein Blick auf die Karrieren, die europäische Sozialdemokraten seit ein paar Jahrzehnten vor und nach ihrer aktiven Zeit als Politiker machen, sagt viel über deren Korrumpierbarkeit. Wer sich Posten in Aufsichtsräten zum persönlichen Lebensziel gemacht hat, der ist dafür anfällig, sich diese Posten durch Gefälligkeiten, die er den Konzernen als Politiker erweist, zu erarbeiten, was konkret bedeutet, dass so ein Politiker stets nur den Profit von Unternehmen im Sinn hat und daher ebenso kurzfristig und vom eigenen Tellerrand begrenzt denkt, wie es auch Manager tun. Und so setzten Sozialdemokraten wie Gerhard Schröder (Hartz IV) oder Werner Faymann (Abschaffung der Invaliditätspension) absichtlich Lohnsenkungsprogramme durch und argumentieren diese Komplizenschaft mit dem Kapital damit, dass Menschen, die wenig verdienen, eine höhere Chance auf einen Arbeitsplatz hätten. Diese Sorte von Sozialdemokraten verrät das wichtigste Prinzip fortschrittlicher Politik, dass es nämlich allen Menschen besser gehen solle und nicht nur wenigen Privilegierten. Europa würde eine erneuerte, nicht korrupte Sozialdemokratie dringend brauchen. Noch haben wir die Chance, als 500-Millionen-Block Zeichen für den Rest der Welt zu setzen, wie moderne und humane Gesellschaften aussehen könnten. Aber allzu viel Zeit bleibt nicht mehr, und wie es nun aussieht will die Sozialdemokratie lieber, dass Europa so wird wie Asien oder Amerika, womit die Sozialdemokratie als politische Bewegung überflüssig geworden wäre, denn  das können Konservative und Liberale besser.

Ciao, Proletariat

Dass wer den Schaden hat für Sport nicht zu sorgen braucht, ist eines der wesentlichen Kennzeichen des Entertainment-Kapitalismus, wo man nach jeder weiteren täglichen  Zitterpartie auf dem Basar, auf dem wir alle unsere Haut zu Markte tragen müssen, nicht viele andere Freuden und Hoffnungen mehr hat als zu sehen, wie der Biggest Loser im Big Brother Haus durch Frauentausch ein Dancing Star bei Deutschland sucht den Superstar wird. Mitleid ist was für Schwache, und die Schwachen sind die, denen man die Wohnung wegnimmt, die man im Jobcenter schikaniert, die irgendwann auf der Straße verrecken. Schwach will aus gutem Grund niemand sein, und wer sich von den Schwachen abgrenzen will, der verspottet sie und schließt sich der Meute der Starken an, die die Schwachen verprügelt. Nur in so einem Umfeld können sich Figuren wie der britische Arbeitsminister Iain Duncan Smith, der die Armen verhöhnt, indem er, angetan in feinsten Zwirn und mit teurem Uhrwerk behängt, verkündet, er könne jederzeit mit 63 Euro pro Woche überleben, noch auf die Straße trauen. Der Mann wird dafür sogar  beklatscht.

Der Zerstörung des europäische Sozialstaates wird in jüngerer Zeit gerne von dem grotesken Argument begleitet, Arbeit müsse sich wieder lohnen, und das tue sie nur dann, wenn diejenigen, die keine Arbeit haben, noch weniger bekämen. Darauf muss man erst mal kommen. Obwohl sich Arbeit selbstverständlich nur dann „wieder lohnen“ würde, wenn die Löhne stiegen, behaupten die Herrschenden rotzfrech, Arbeit auch zu Dumpingpreisen lohne sich dann, wenn der Arbeitslose noch schwerer bestraft wird. Wodurch die Löhne natürlich weiter sinken. Es sagt viel, wenn nicht alles über den Zustand von Gewerkschaften und „Arbeiterparteien“ in Europa, wenn eine dermaßen unverschämte Lohnsenkungspropaganda ohne nennenswerten Widerstand verbreitet werden kann. Und natürlich sagt das auch alles über die geistige Verfassung des Proletariats, das tatsächlich der Meinung zu sein  scheint, es ginge ihm besser, würde man die Armut verschärfen. Willig lässt sich die Arbeiterschaft in eine Parodie des Klassenkampfes hetzen und tritt begeistert nach unten. So einem Proletariat muss man nicht mal mehr Ketten anlegen, die schmiedet es nämlich fleißig selber und trägt sie auch noch stolz.

Pensionslüge und Pensionsrealität

Weil es im Sonntagsgerede der der Politikerinnen, im Ablenkungsgeschwafel der „Experten“ sowie im sich stets ähnelnden Summen der Journalistinnen untergeht, sei es hier wenigstens gesagt: Die immer wieder geforderte und bereits schrittweise durchgeführte Erhöhung des Pensionsantrittsalters soll weder „das Pensionssystem sichern“, noch „der gestiegenen Lebenserwartung Rechnung tragen“, und schon gar nicht „unser Sozialsystem auch für kommende Generationen erhalten“. Die Maßnahme dient nur einem Zweck: Die Löhne sollen sinken. Das ist das kleine Kapitalismus-Einmaleins: Je mehr Mitbewerber ich auf einen Markt lasse, desto  niedriger werden die Preise. Mit der Erhöhung des Pensionsantrittsalters und der Abschaffung der Invaliditätspension wird genau das erreicht, da noch mehr Menschen auf einen Arbeitsmarkt gedrängt werden, der ohnehin schon überlaufen ist. Die „Ware Mensch“ wird billiger, und allein das zählt, allein dafür werden Politiker bezahlt (nicht das Taschengeld namens Politikergehalt ist hier gemeint, sondern die echte Bezahlung, die Politiker in aller Regel, aber nicht ausschließlich nach Ausscheiden aus dem Amt von der dankbaren Industrie in Form von Aufsichtsratsposten, überbezahlten Vorträgen und ähnlichen Goodies bekommen).

Was man Eurogegener fragen sollte

Demjenigen, der in Österreich oder Deutschland wohnt und in der derzeitigen Situation für eine Abschaffung des Euro eintritt, sollte man folgende Fragen stellen: Ist er ein Narr, der nicht weiß, dass dies die Exportwirtschaft in seinem Land zusammenbrechen lassen würde? Ist er ein Schwein, das sich darüber freuen würde, wenn in Südeuropa Hunger herrschte und die Menschen, wie in der Dritten Welt, an behandelbaren Krankheiten stürben, weil die Behandlung dieser Krankheiten natürlich in „Nord-Euro“, D-Mark oder Dollar verrechnet werden würde statt in Drachme oder Lira? Oder ist er einer, der zu den wenigen wirklich Reichen gehört, einer, der seinen steuerlichen Lebensmittelpunkt in der Schweiz hat, in aller Welt über Immobilien und Beteiligungen und Ackerland und Gold verfügt und für den eine extreme Wirtschaftskrise, wie sie die Abschaffung des Euro nach sich zöge, vor allem eines bedeutete: Günstige Einkaufmöglichkeiten überall und ein durch die Decke schießender Goldkurs, der das bereits angehäufte Vermögen nominell noch fetter aussehen lassen würde? Oder halt einer, der von dieser letzten Gruppe dafür gut bezahlt wird, so zu tun, als sei er dumm, um die Dummen noch weiter zu verdummen? Oder ist er ein Nazi, ein Faschist, oder, scheinbar dem entgegengesetzt, ein „Kommunist“? Wer vom totalitären Staat träumt, dem würde der totale ökonomische Zusammenbruch  Europas natürlich ganz recht sein. Schon jetzt erstarken sie ja überall, die Faschos und die faschistoiden politisierenden Milliardäre und in manchen Staaten eben auch die Linksextremisten. Und die Nationalisten aller Couleurs. Und mit deren Comeback wird auch der Krieg zurückkehren nach Europa. Das bestreiten all die oben angeführten Typen natürlich, aber in Wahrheit denken die anders, Menschenleben sind denen völlig egal, so lange nur der Profit stimmt oder die Chancen zur Umsetzung der eigenen ideologischen Ideen merkbar  besser werden.