Schlagwort: Zwangsarbeit

Eine mondlose Nacht bricht an

Es ist Ende Februar 2017 und in Bolivien wird das Trinkwasser knapp. Die Andengletscher verschwinden und mit ihnen die Süßwasserquelle für Millionen. Im Weißen Haus sitzt ein Mann, der den Klimawandel leugnet. Es ist Februar 2017 und 84-jährige Greisinnen bekommen Briefe von niederösterreichischen Ämtern in denen man sie auffordert, sich für die Einberufung zur „gemeinnützigen Arbeit“ vorzubereiten. Es ist Februar 2017 und eine österreichische Regierungspartei will EU-Bürgerinnen, die in Österreich arbeiten und österreichische Steuern und Sozialabgaben bezahlen, die Familienbeihilfe für im EU-Ausland lebende Kinder kürzen. Es ist Februar 2017 und die österreichische Bundesregierung, bestehend aus Sozial- und Christdemokraten, beschließt, ältere Arbeitslose zur „gemeinnützigen“ Zwangsarbeit zu verdonnern. Es ist Februar 2017 und die bulgarische Stadt Plowdiw, von der EU zur „Kulturhauptstadt 2019“ erkoren, walzt Roma-Siedlungen nieder, ohne den Bewohnern Ersatzwohnraum zur Verfügung zu stellen. Es ist Februar 2017 und der Journalist Deniz Yücel sitzt zusammen mit hunderten Kolleginnen und Kollegen für das Verbrechen, seine Arbeit getan zu haben, in einem Gefängnis der Türkei, die nebenbei für die EU den Türsteher spielt und Flüchtlinge unter elenden Bedingungen in Lagern interniert. Es ist Februar 2017 und die EU verhandelt mit einer der libyschen Bürgerkriegsparteien, die man als „Regierung“ bezeichnet, den Ausbau jener Flüchtlingslager, in denen laut Angaben des deutschen Auswärtigen Amtes „KZ-ähnliche Zustände“ herrschen. Es ist Februar 2017 und während die EU tausende Menschen in das „sichere Herkunftsland“ Afghanistan abschiebt arbeiten deutsche Gerichte daran, auch Syrien, wo seit Jahren ein Bürgerkrieg in Völkermorddimension geführt wird, wo das Regime systematisch Gefangene ermordet und Gruppen wie der „Islamische Staat“ klerikalfaschistische Zonen ausgerufen haben, zu solch einem sicheren Land zurecht zu lügen. Kurz: Es ist ein finsterer Februar am Abend der hereinbrechenden Eklipse der Zivilisation. Eine mondlose Nacht steht bevor.

Die Moorsoldaten, 2.0

Wohin auch das Auge blicket

Moor und Heide nur ringsum

Vogelsang uns nicht erquicket

Eichen stehen kahl und stumm

Wir sind die Moorsoldaten

und ziehen mit dem Spaten

ins Moor

„Die Presse“, 22.7.2015: Wer die staatliche Sozialhilfe bezieht und arbeitsfähig ist, solle gemeinnützige Arbeit verrichten. In einer Resolution hat der Landtag – übrigens mit den Stimmen der SPÖ – die Bundesregierung aufgefordert, Projekte, bei denen die Bezieher der Mindestsicherung für gemeinnützige Organisationen oder Behörden arbeiten, aus den Mitteln des Arbeitsmarktservice zu finanzieren.

Hier in dieser öden Heide

ist das Lager aufgebaut

wo wir fern von jeder Freude

hinter Stacheldraht verstaut

Wir sind die Moorsoldaten…

Andreas Unterberger, 14.1.2016: Warum werden nicht alle Asylwerber in dieser Zeit in Lagern untergebracht, die sie nicht verlassen dürfen (damit man sie gegebenfalls abschieben kann, damit sich nicht Köln in Österreich wiederholt)?

Morgens ziehen die Kolonnen

in das Moor zur Arbeit hin

Graben bei dem Brand der Sonne

doch zur Heimat steht der Sinn

Wir sind die Moorsoldaten…

Der Standard, 13.8.2015: Noch führt die sogenannte Balkanroute für diese Menschen über die 175 Kilometer lange Grenze zwischen Ungarn und Serbien. Doch seit zwei Wochen baut die Armee, verstärkt durch arbeitsverpflichete Sozialhilfeempfänger und Sträflinge, mit Volldampf einen Zaun, der Migranten den Zugang verwehren soll.

Auf und nieder gehn die Posten

keiner, keiner kann hindurch

Flucht wird nur das Leben kosten

vierfach ist umzäunt die Burg

Wir sind die Moorsoldaten…

Die Presse, 17.1.2016: „Diejenigen, denen wir helfen, sollen auch uns helfen“, sagt Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl in der ORF-Pressestunde, und meint damit nach Österreich kommende Flüchtlinge. Diese sollen seiner Meinung nach ein verpflichtendes Sozialjahr absolvieren.

Heimwärts, heimwärts jeder sehnet

zu den Eltern, Weib und Kind

Manche Brust ein Seufzer dehnet

weil wir hier gefangen sind

Wir sind die Moorsoldaten….

Die Presse, 12.7.2011: Die rechtsnationakle ungarische Regierung unter Premier Victor Orban will Sozialhilfe-Empfänger zur Arbeit zwingen. (…) Die Gesetzesänderung sieht vor, dass Sozialhilfeempfänger zu Arbeiten im Interesse der Gemeinden verpflichtet werden können. Gemeint sind damit Straßenreinigung, Instandhaltung öffentlicher Objekte, Garten- und Waldarbeiten, aber  auch Arbeiten auf Baustellen bei großen staatlichen Projekten. Festgehalten wird im Gesetz zudem, dass Betroffene auch zur Arbeit weit weg von ihrem Wohnort verpflichtet werden können.

Wir sind die Moorsoldaten

und ziehen mit dem Spaten….

 

Ungarn: Faschismus reloaded

So ist das also, wenn die Freiheit stirbt. Ich habe mich ja oft gefragt, wie das war, als der Faschismus einst Stück für Stück Europa übernahm. Jetzt weiß ich es, weil man es derzeit live miterleben kann. Ungarn führt Zwangsarbeit ein samt Lagern, in denen die Zwangsarbeiter von ehemaligen Polizisten bewacht werden. Und diese Zwangsarbeiter werden nicht nur, unabhängig von ihrer Qualifikation, als Sklaven für Bauvorhaben des Staates eingesetzt, sie sollen auch an Privatunternehmer „verliehen“ werden. Betroffen sollen alle Arbeitslosen sein, die nach einer Frist von 180 Tagen noch keinen neuen Job haben. Ungarns Regierungspartei Fidesz setzt damit einen Plan der neofaschistischen Jobbik in die (Un)Tat um. Gleichzeitig geht die „Säuberungswelle“ gegen regierungskritische Journalisten weiter. Und genau wie in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts schaut Europa belämmert dabei zu, wie ein Staat die Vorreiterrolle auf dem Weg in den Faschismus übernimmt, und die sozialdemokratischen und liberalen Parteien der EU schweigen, wie auch die europäischen Gewerkschaften. Genau so geht das los, genau so beginnt der Weg in den braunen Abgrund. Und demnächst, vielleicht schon 2013, wird Österreich wohl nachziehen…

ÖVP bittet zum Straßenfegen

Die ÖVP möchte eine „Arbeitspflicht“ für Bezieher der kommenden Mindestsicherung einführenKonkret will die Staatssekretärin und Spitzenkandidatin der ÖVP Wien, dass Arbeitslose, die die Mindestsicherung beziehen, nach sechs Monaten Jobsuche verpflichtend gemeinnützige Arbeit verrichten. „Das ist natürlich schon eine starke Motivation für Arbeit Suchende, sich entsprechend zu bemühen“, meint Marek im Ö1-Morgenjournal.

Das ist natürlich Populismus unterster Schublade, denn die Mindestsicherung ist ohnehin mit „Arbeitsanreizen“ verknüft. Die sehen so aus: Wer im erwerbsfähigen Alter ist, Mindestsicherung bezieht und Jobangebote ablehnt, dem werden die Zahlungen gekürzt oder gar ganz gestrichen. So ist es ja auch mit dem Arbeitslosengeld. Die Volkspartei verbreitet einmal mehr das Märchen, in Österreich würden faule Säcke auf Kosten der Allgemeinheit schmarotzend in der Hängematte liegen. Fakt ist, dass mit Ausnahme von Invaliden jeder Arbeitskraftverkäufer de fracto einem Arbeitszwang unterworfen ist. Wer nach einem gewissen Zeitraum „zumutbare“ Jobs und/oder mehr oder weniger sinnvolle Weiterbildungsmaßnahmen ablehnt, dem werden die Leistungen gekürzt und schließlich gestrichen. Der VP-Vorschlag, Mindestsicherungsbezieher nach sechs Monaten zum Straßenfegen zu schicken, ist also nichts weiter als ein rechtspopulistischer Gag auf Kosten der Ärmsten und spiegelt eine sozialsadistische Grundhaltung, die an das 19. Jahrhundert erinnert. Zum Genieren.